Ursprünglich sollte die „persönliche Assistenz“, eine Errungenschaft der Behindertenbewegung, körperlich oder geistig beeinträchtigten Menschen ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Und eigentlich sollten die AssistentInnen, die sie dabei unterstützen, von ihrem Gehalt auch ein würdevolles Leben führen können. Soweit die Theorie.
Ein undurchsichtiges Geflecht von Kostendrückern, bestehend aus Kranken- und Pflegekassen, Sozialämtern, Arbeitsämtern und Pflegediensten verhindert aber, dass diese Absicht Wirklichkeit wird. In unserem Fall arbeitet ein Mitglied des Allgemeinen Syndikats Westmecklenburg für den Rostocker Verein „Ohne Barrieren“ – zu einem Bruttolohn von 5,98 Euro pro Stunde. Gegen diesen Dumpinglohn wird er – mit Unterstützung der FAU Westmecklenburg, der FAU Region Nord und der Unabhängigen ArbeitnehmerInnenvertretung in der persönlichen Assistenz (UAPA) – Klage wegen sittenwidrigen Lohns beim Arbeitsgericht Rostock erheben. Das Gericht kann die Lohnvereinbarung im Arbeitsvertrag für nichtig erklären und einen eigenen Satz festlegen. Im Idealfall wird die Differenz für die gesamte Dienstzeit nachgezahlt.
Branchenübliches Knausern
Im Fall der „persönlichen Assistenz“ ist die Ermittlung eines für die Klage notwendigen Durchschnittslohns nicht ganz einfach. Zum einen liegt der Assistenz keine geschützte Berufsbezeichnung zugrunde, und zum anderen sind die möglichen Tätigkeiten in der Assistenz sehr breit gefächert.
Durch die Vielzahl von Firmen, die teilweise schwierig aufzufinden sind oder aber auch aus verschiedenen Gründen keine Daten zu ihren Löhnen herausgeben, ist es sehr arbeitsaufwendig, ein umfassendes Bild über die Lohnsituation in der Assistenz zu bekommen.
In unserem konkreten Fall passierte, ungeachtet einer Reportage des ARD-Magazins PlusMinus, zunächst nichts. Erst einige Monate nach der Sendung wurden die Kostensätze neu verhandelt. Das Ergebnis: Der Verein bekommt jetzt pro Assistenzstunde mehr als drei Euro zusätzlich, ist aber nur bereit, in Verbindung mit einem neuen Arbeitsvertrag (und einer neuen Probezeit von sechs Monaten), 80 Cent davon an die Beschäftigten weiterzugeben.
Da unser Genosse in der Zwischenzeit einen neuen Arbeitgeber gefunden hat, bei dem er für eine vergleichbare Arbeit statt bisher 5,98 brutto nun 9,48 Euro bekommt, hat er dieses „unwiderstehliche“ Angebot von „Ohne Barrieren“ e.V. nicht angenommen. Es ist also durchaus möglich, auch im Osten als Assistent ein verhältnismäßig akzeptables Gehalt zu bekommen.
Hoffen auf die Klage
Im Idealfall ist die Klage erfolgreich und es geht von ihr neben der individuellen Entschädigung ein politisches Signal für die gesamte Branche aus. Zumindest KollegInnen mit ähnlich miesen Gehältern können dann problemlos Gehalt nachfordern und ein derart krasses Lohndumping würde der Vergangenheit angehören.
Unsere Bitte an die LeserInnen der DA: Unterstützt uns beim Sammeln von Belegen, dass der Lohn unseres Genossen sittenwidrig ist! Kennt ihr Menschen, die Assistenz in Anspruch nehmen oder AssistentInnen sind? Dann fragt sie nach Kopien von Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen zur Lohnhöhe oder bittet sie, den von uns vorbereiteten und unter http://fauwm.systemausfall.org abrufbaren Fragebogen auszufüllen.
Kontakt zur FAU Westmecklenburg: fauhwi(a)fau.org