Globales

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla denkt laut darüber nach

Wenn man dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit glauben darf, dann geht ein neues Gespenst um in Europa. Sein Name: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Liest man nur die Titelzeilen entsprechender Meldungen in den Massenmedien, so ist man geneigt, auf die Europäische Union und ihre diversen Institutionen zu hoffen. So zum Beispiel der DGB, der laut seinem Vorsitzenden Michael Sommer die Initiative des EU-Sozialkommissars Vladimir Spidla zu einer einheitlichen europäischen „Lösung des Zeitarbeitsproblems“ begrüßt. Schade nur, dass es die Einzelgewerkschaften des DGB waren, welche Tarifverträge mit Zeitarbeitsverbänden abgeschlossen haben, welche im Schnitt gut 30% unterhalb des jeweiligen Branchentarifs liegen. Vergessen, dass so das Gebot „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auf Betreiben der SPD/Die Grünen (diese hatten ein entsprechendes Gesetz verabschiedet) und der DGB-Einzelgewerkschaften aktiv hintertrieben wurde. Glücklicherweise scheinen die Arbeiter- Innen (unabhängig davon, aus welchem Land sie hierher gekommen sind und wie lange das her ist) an akuter Demenz zu leiden. So können die SozialdemokratInnen in den Parteien und Gewerkschaften getrost damit rechnen, dass ihnen dies von der Arbeiterschaft nicht vorgeworfen werden wird. Und selbst wenn sich einzelne daran erinnern werden, so bleibt den einen doch immer die Ausrede, dass sie diese Tarifverträge hätten abschließen müssen (da sonst gelbe Gewerkschaften noch schlechtere Tarife abgeschlossen hätten (1)), und den anderen, dass die Öffnung im Gesetz ja durch die Gewerkschaften nicht in Anspruch genommen werden musste.

Der Vorschlag des EU-Sozialkommisars

Demnach soll zukünftig Leiharbeiter*Innen nach sechs Wochen das gleiche Gehalt und die gleichen Sozialleistungen wie den „Festen“ zustehen. Zum einen ist diese Sechswochenfrist eine absolut willkürlich in die Runde geworfene Zahl (2) und zum anderen steht zu befürchten, dass sich dadurch nur eines für die Ausgeliehenen ändern wird: die maximale Verweildauer an einem Arbeitsplatz. Auch wenn Vladimir Spidla in der Presse so zitiert wird, als ginge es ihm tatsächlich um „… das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, so ist jedoch nicht zu leugnen, dass es ihm nicht um die prinzipielle Abschaffung der Ungleichbehandlung geht, sondern nur um eine „sozialverträgliche“ Ausgestaltung der selben unter Beibehaltung des Mythos Leiharbeit und gleichzeitig darum, die nur allzu deutliche und mittlerweile schon von verschiedener Seite festgestellte Unzufriedenheit der auf diese Art Ausgebeuteten einzuschränken.

Der Mythos Leiharbeit…

… ist ein zweifacher: Einerseits heißt es, dass Leiharbeit den Unternehmen bei Personalengpässen und Auftragsspitzen hilft, diese flexibel zu managen, und andererseits soll sie für sonst Arbeitslose ein Weg in die Festanstellung sein. Selbst Spidla spricht offen aus, was wir alle wissen: „dass Unternehmen, auch in Deutschland, die Zeitarbeit ausschließlich zur Kostendämpfung nutzen und dabei fest angestellte Mitarbeiter entlassen, um sie anschließend dauerhaft durch billigere Zeitarbeiter zu ersetzen“. So entsteht ein Sog hin zur Zeitarbeit.

Der Umgekehrte Weg wird immer schwieriger und existiert nur noch als medial zur Schau gestelltes Einzelschicksal. Zur Zeit arbeiten rund 600.000 Beschäftigte in Deutschland als LeiharbeiterInnen – fast doppelt so viele wie 2003! In der EU arbeiten bereits vier von zehn Arbeitskräften ohne regulären Vertrag. Dazu zählen neben ZeitarbeiterInnen vor allem Selbstständige. Laut einer EU-Studie aus dem Jahr 2006 sind Leiharbeitnehmer mit ihrem Arbeitsplatz deutlich unzufriedener als Festangestellte. Sie haben demnach das Gefühl, „nicht genau so gut behandelt zu werden wie die Kollegen mit einem festen Arbeitsplatz“. Sicherlich ist dies nicht nur ein Gefühl. Bei ZeitarbeitssklavInnen ist zum Beispiel die Zahl der Arbeitsunfälle deutlich höher als bei ihren KollegInnen mit einem sogenannten regulären Arbeitsplatz. In Deutschland gibt es nach EU-Erhebungen pro 1.000 regulär Beschäftigte 37 Arbeitsunfälle, bei Beschäftigten über Zeitarbeit sind es 48. Daher auch die zusätzliche Aufforderung, LeiharbeiterInnen genau so gute Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten wie ihren KollegInnen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Trotz der Augenwischerei „aus Europa“, den Ablenkungsmanövern des DGB und der Unkenrufe des IAB bleibt die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit in doppeltem Sinne richtig!

Einerseits in dem Sinne, dass wir dahin kommen müssen, dass alle ArbeiterInnen für die gleiche Arbeit tatsächlich vom ersten Tag an den gleichen Lohn bekommen müssen, unabhängig davon, ob sie LeihsklavInnen, ZwangsarbeiterInnen (1-Euro-Jobs) oder „regulär Beschäftigte“ sind.

Andererseits in dem Sinne, dass die Lohnschere zwischen Männern und Frauen endlich geschlossen werden muss. Noch immer erhalten Frauen in Europa bis zu 30% weniger Lohn für dieselbe Arbeit wie Männer! Allerdings dürfen wir uns dabei nicht so sehr auf die Regierungen, seien es die Nationalen oder die Supranationalen, verlassen. Auch wenn es altbacken klingt, aber die Geschichte lehrt uns, dass auch die kleinste Verbesserung nur von uns selbst erkämpft werden kann und muss.

Den regelmäßigen LeserInnen der Direkten Aktion muss ich an dieser Stelle keinen Vortrag über Anarchosyndikalismus halten. Alle anderen sind aufgefordert sich auf www.fau.org selbst zu informieren.

Anmerkungen

(1) Auf die Idee, gegen diese Tarife/Gewerkschaften zu klagen, sind die DGB-Einzelgewerkschaften damals nicht gekommen. Das erstaunt, da sie doch sonst immer gerne gegen andere Gewerkschaften klagen und sich richterlich bestätigen lassen, dass es sich nicht um Gewerkschaften handeln kann. Stutzig macht auch die Tatsache, dass es damals keinen Widerstand aus den Gewerkschaften gegen diese Gesetzesinitiative von Rot-Grün gab. Wenn auch die Verfilzung zwischen Parteien und Gewerkschaften nicht alles erklären kann, so sollte sie jedoch aufhorchen lassen. Zahlreich Spitzen-GewerkschaftsfunktionärInnen sind auch an herausragender Stelle so mancher Partei tätig.

(2) Warum nicht zwölf Monate oderbesser: direkt ab dem ersten Tag!?

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Tags: Leiharbeit

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