Wolfgang Eckhardt und Bernd Kramer legen den „Bakunin-Almanach 1“ vor
Der Versuch, anarchistische Jahrbücher bzw. Almanache herauszugeben, wurde schon öfter unternommen – meist erfolglos. Dieser fehlenden Kontinuität zum Trotz versuchen jetzt der Bakunin-Forscher Wolfgang Eckhardt und der Anarchismus-Verleger Bernd Kramer, der Fülle von Bakunin-Materialien mit dem Erscheinen eines Almanachs Rechnung zu tragen. Und wir können nur hoffen, dass mit dem eventuellen Band 2 dann auch mal jene Kontinuität eintritt, die dem Thema zu wünschen wäre.
Wolfgang Eckardt ist bekannt für seine akribisch edierten Ausgaben von Bakunin-Texten (u. a. erschienen im Kramer Verlag, Edition AV und Unrast Verlag), die insbesondere in Deutschland immer noch ein stiefmütterliches Dasein fristen. Dies liegt sicherlich zum einen an der politischen Situation, die bis vor kurzem große Teile der osteuropäischen Archive für ForscherInnen unzugänglich machte. Zum anderen daran, dass das Material weit verstreut, vielsprachig und rar ist. Wenngleich das Interesse, etwa der sowjetischen Regierung (aber auch jeder anderen Regierung), selbstverständlich gering ist, so erwachen doch langsam aber sicher die Materialien und Archive aus dem Dornröschenschlaf. So ist ein Almanach der richtige Platz, um die unterschiedlichsten Texte, Berichte, Fragmente usw. zusammenzuführen.
Im vorliegenden Band werden etwa Briefe von Bakunin an seine Frau Antonija Kwiatkowska publiziert, deren heutige Existenz wir lediglich der damaligen russischen Zensur zu verdanken haben. Eckardts Einführung können wir entnehmen, dass diese Frau eben kein „Anhängsel“ Bakunins war, sondern ein emanzipatives, feministisches Leben führte.
Ferner beinhaltet der Band Erinnerungen an Menschen, die sich mit Bakunin beschäftigten, wie etwa den tschechischen Bakunin-Forscher Václav Cejchan, der hier von dem nicht minder bei seinen Arbeiten mit Schwierigkeiten kämpfenden Ex-DDRler Rudolf Franz näher gebracht wird. Anrührend ist die (Lebens-)Geschichte der russischen Bakunin-Forscherin Natal’ja Pirumova (von der auch der Trinkspruch in der Überschrift stammt).
Es gibt Artikel über Zeitgenossen Bakunins, die in seinem Leben eine Rolle spielten, wie etwa den polnischen Freiheitskämpfer Adam Mickiewicz, den russischen Schriftsteller Turgenjew oder die Brüder Reclus.
Interessant ist sicherlich auch die Abteilung „Philosophie“, wo die ausgewiesenen „Postanarchisten“ Gabriel Kuhn und Jürgen Mümken sich mit Bakunin bzw. dessen Rezeption in der vornehmlich US-amerikanischen „Postanarchismus“-Debatte äußern.
Ergänzt wird das Buch mit einer bibliographischen Sammlung von Büchern, Bildern und Manuskripten zu und über Bakunin und einer literarischen „Zugabe“ von Bernd Kramer, der seine Fantasie spielen und Bakunin im „Goldenen Hahn“ zu Dresden Punsch herstellen lässt. Ein Personen- und Periodika-Register machen das Buch zu einem leicht handhabbaren Nachschlagewerk.
Alles in allem ein spannendes Projekt, welches nicht nur für Bakunin-ForscherInnen interessant ist, sondern auch für alle am Anarchismus Interessierten, da es einen vielfältigen Blick auf die Person Bakunins, seine Wirkung und Rezeption sowie auf seine Zeit vermittelt, ohne die aktuelle Diskussion außer Acht zu lassen.
So bleiben dem Almanach-Projekt viele LeserInnen zu wünschen, damit es den Herausgebern zum Ansporn dient, dieses löbliche Projekt weiterzuführen.
Wolfgang Eckhardt / Bernd Kramer (Hg.) Bakunin Almanach 1. Karin Kramer Verlag, Berlin 2007, mehrere Illustrationen, 277 Seiten, EUR 24,80 ISBN 978-3-87956-320-3
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