Bangladesh: Riot nach Mord an Textilarbeiter +++ Neu-Kaledonien: In Kolonialmanier gegen Arbeiter +++ Frankreich: Mit Tonfas gegen Streikende +++ Argentinien: Wilder Streik wegen wütender Passagiere +++ Belgien: Zulieferstreik legt Ford Genk lahm
Am 30. Januar wurden zwei Arbeiter der Textilfabrik World Dresses Ltd. Dhaka vom Werkschutz überfallen. Khokon, der eine der beiden Arbeiter, starb schwer verletzt im Krankenhaus, der zweite Arbeiter, Malek, wurde mit schweren Verletzungen und mehrfachen Brüchen ins Krankenhaus eingeliefert. Zu dem Überfall durch die Schläger der Firmenleitung war es zu Schicht- Ende um 20.00 Uhr gekommen, als fünf Werkschützer in der Waschkaue über die Arbeiter herfielen und ihnen vorwarfen, sie würden herumlungern und wollten die Firma bestehlen. Die Polizei nahm zwei der Totschläger, darunter ein Mitglied des Managements fest, drei weitere werden gesucht. Aus Furcht vor einem Aufstand und um die Vorgänge zu verschleiern, blieb am Folgetag das Werk unter dem Vorwand geschlossen, es gäbe Probleme mit der Stromversorgung. Nachdem sich der Mord dennoch herumgesprochen hatte, versammelten sich am Freitag Vormittag Hunderte von ArbeiterInnen vor dem Werk und blockierten zweieinhalb Stunden lang die Hauptstraße. Als die Polizei begann, auf die ArbeiterInnen einzuprügeln, antworteten diese mit Steinen und Ziegeln. Zehn ArbeiterInnen wurden durch die Polizei verletzt. Als das paramilitärische „Rapid Action Bataillon“ anrückte, zogen sich die DemonstrantInnen zurück. Erst nachdem die Firmenleitung sich verpflichtete, eine Entschädigung an die Familien der Opfer zu bezahlen, traten 1.800 der 2.000 ArbeiterInnen ihre Schicht an.
Der Überfall ereignete sich vor dem Hintergrund einer großen Nervosität in der Textilbranche Bangladeshs. Diese ist durch die Konkurrenz vietnamesischer, indischer und chinesischer Textilfirmen in den letzten Jahren unter zunehmenden Druck geraten und fürchtet eine Rezession im Hauptabsatzmarkt USA. Der Versuch, die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Rücken der Belegschaften zu bewahren, hat in den letzten Jahren zu einer rapide zunehmenden Welle von Kämpfen und Aufständen geführt (DA berichtete).
Offiziell gilt die Inselgruppe Neu-Kaledoniens vor der Nordostküste Australiens als französische „Überseegemeinschaft mit besonderem Status“. Dass diese blumige Klausel nicht viel mehr bedeutet, als dass es sich um eine Kolonie handelt, in der eigene Gesetze für Arbeitskämpfe gelten, zeigte die französische Verwaltung Anfang Januar: Zu diesem Zeitpunkt lieferten sich 400 streikende Beschäftigte der Busunternehmen heftige Auseinandersetzungen mit Polizei und Gendarmerie, in deren Verlauf mehrere Dutzend Arbeiter und einige Polizisten verletzt wurden und eine Reihe von Einsatzfahrzeugen in Flammen aufgingen. Zu dem Aufstand war es gekommen, nachdem streikende Busfahrer aus Solidarität mit einem entlassenen Kollegen die Hauptverwaltung von Carsud besetzen wollten. Die Firma betreibt den Öffentlichen Nahverkehr in der Hauptstadt Nouméa. Als Reaktion auf die Entlassung hatten die Fahrer einen Generalstreik bis zum 9. Januar ausgerufen. Gegen zwei Uhr morgens griffen 200 Polizisten das besetzte Depot mit Gasgranaten, Gummigeschossen und Schlagstöcken an. Mehrere Streikposten, die der Polizei in die Hände fielen, erklärten, dass sie in den Einsatzfahrzeugen verprügelt worden seien. Die Arbeiter wehrten sich mit Steinen gegen den Angriff und brannten mehrere Einsatzfahrzeuge und den Wagen des Direktors nieder. Die Auseinandersetzungen hielten die ganze Nacht hindurch an, ein Polizeisprecher bezeichnete sie als „Szenen aus einem Guerillakrieg“. Der Polizei gelang es, 63 Arbeiter festzunehmen. Zwölf von ihnen – alle Mitglieder der Gewerkschaft USTKE – sollen wegen „bewaffneten Angriffs auf Polizeibeamte“ sowie „krimineller Zerstörung“ vor Gericht gestellt werden. Wie die Kolonialverwaltung sich dieses Verfahren vorstellt, brachte tags darauf der französische Hochkommissar für die Provinz – anscheinend ein eifriger Schüler von Präsident Sarkozy – mit folgenden Worten zum Ausdruck: „die benutzen die Taktiken von Gaunern und Strolchen und als solche werde ich sie bestrafen“.
Durch das Vorgehen ihrer Kollegen von der kolonialen Gendarmerie in Neu-Kaledonien offensichtlich auf den Geschmack gekommen, langten auch im Mutterland Polizisten wieder einmal gegen Streikende zu. So geschehen am 15. Januar in der Fabrik von Miko in Saint-Dizier. Die Polizei rückte an, nachdem rund 60 ArbeiterInnen den Firmenleiter Prakash Patel in seinem Büro eingesperrt und das Werk besetzt hatten. Vorangegangen war die Ankündigung des Speiseeis-Herstellers – einer Tochter des Multis Unilever – 254 von 493 Beschäftigten zu entlassen. Als Ergebnis des Polizeieinsatzes mussten sich 14, meist weibliche, ArbeiterInnen ärztlich behandeln lassen. Ein Polizeisprecher erklärte, der Einsatz sei nicht übertrieben hart gewesen, schließlich habe man noch nicht einmal Schlagstöcke benutzt. Die Einsatzkräfte vor Ort hätten ausschließlich ihre „Tonfas“ genannten Prügelwerkzeuge benutzt. Die solcher Art befreite Firmenleitung hat zwischenzeitlich eine Entschädigung von einem Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit für alle entlassenen ArbeiterInnen angeboten.
Zu einem recht ungewöhnlichen Streik kam es 12. Januar am Flughafen Ezeiza der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Die Beschäftigten an den Abfertigungsschaltern, dem Check-In, schmissen kurzerhand die Brocken hin, nachdem hunderte von wütenden Fluggästen der Fluglinie Aerolineas Argentinas wegen verspäteter und abgesagter Flüge damit begonnen hatten, Computer und Mobiliar der Fluglinie zu zertrümmern. Die wütende Menge verlangte irgendeine Erklärung von Seiten der Firma. Diese behauptete, Schuld sei der Streik eines Teils der Piloten. Die Pilotengewerkschaft erklärte hingegen, Schuld an den verspäteten und abgesagten Flügen sei die Politik der Fluglinie, die Flüge hemmungslos zu überbuchen. Nachdem einer der Beschäftigten am Check-In von aufgebrachten Passagieren bedrängt wurde, legten alle KollegInnen die Arbeit nieder. Die 1990 privatisierte Aerolineas Argentinas gehört zu 95 Prozent dem spanischen Reiseveranstalter Grupo Marsans, den Rest hält der argentinische Staat. Im Zuge der Privatisierung wurde die Hälfte der vormals knapp 12.000 Beschäftigten entlassen.
Wie anfällig die Just-in-time-Ketten und die „integrierte Fabrik“ der Automobilindustrie mittlerweile für Streiks sind, zeigte sich am 14. Januar erneut in Belgien. Die Arbeiter beim Zulieferer Syncreon (vormals TDS), der das Ford-Werk in Genk mit Vorprodukten beliefert, hatten nach einer Vollversammlung von 250 Beschäftigten einen Streik beschlossen. Sie forderten einen Euro mehr Lohn pro Stunde für alle. Bereits wenige Stunden später war Ford gezwungen, die Produktion stillzulegen und eine Schicht nach Hause zu schicken. Nachdem die Firmenleitung von Syncreon auch am Folgetag kein akzeptables Angebot unterbreitet hatte, schickte Ford erneut alle Schichten nach Hause. Lediglich in einigen wenigen Abteilungen der Verwaltung wurde noch gearbeitet. Am Mittwoch traten dann auch noch die Belegschaften von zwei weiteren Zulieferfirmen in den Streik. Die ArbeiterInnen beim Sitzhersteller Lear Corporations und bei Magna Belplas, einem Zulieferer von Stoßstangen, forderten, dass ihre Arbeitsbedingungen und Löhne an die der Kollegen von Syncreon angepasst werden.
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