Über die Ausbeutung von PraktikanntInnen im Rahmen von schulischen Ausbildungen
„Wer eine Berufsausbildung beginnt, der wird auch dafür bezahlt, und zwar von Anfang an.“ So könnte ein spontaner Gedankengang von angehenden Azubis und deren Eltern lauten. Es handelt sich schließlich um eine vermeintlich allgemein anerkannte Selbstverständlichkeit: Auszubildende haben einen rechtlichen und moralischen Anspruch auf Lohn für ihre Arbeit, selbst wenn sie anfangs kaum mehr als einige Botengänge und einfache Handgriffe verrichten können.
Gesetz und Moral sind in unserer Gesellschaft jedoch äußerst flexible Faktoren, und so finden sich auch im Ausbildungsbereich einige Hintertüren, über die private wie staatliche Unternehmen auf praktisch kostenlose Arbeitskräfte zugreifen können. Einige fachspezifische Schulformen – im hauswirtschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen, technischen und anderen Bereichen – dürfen nur angetreten werden, wenn zuvor ein längeres Berufspraktikum im jeweiligen Fachbereich abgeschlossen wurde. Dass die SchülerInnen für diese Praktika keinerlei Vergütung erhalten, versteht sich für die Behörden offenbar von selbst. In manchen Bundesländern ist eine freiwillige Vergütung durch die Unternehmen sogar laut Schulordnung untersagt.
Zusätzlich scheint man noch etwas „moralische Aufklärungsarbeit“ unter den SchülerInnen leisten zu wollen, um sicherzustellen, dass jene nicht auf falsche Gedanken im Bezug auf eine eventuelle Bezahlung kommen. So erfahren z.B. die SchülerInnen der ,,Höheren Berufsfachschule Sozialassistenz“, einer staatlichen Berufsschule in Rheinland- Pfalz, bei ihrer Einschulung, dass sie ihren jeweiligen Praktikumsbetrieben dankbar für die Ableistung des unentgeltlichen Praktikums sein dürfen, denn jene würden das ganze kostenfrei ,,für sie“ durchführen. Die SchülerInnen würden die Betriebe viel Zeit und Geld kosten. Traurigerweise werden solche Frechheiten von der Schülerschaft in der Regel bisher ohne nennenswerte Proteste hingenommen. Zur Abschlussprüfung zugelassen wurden nur diejenigen SchülerInnen, welche nach zwei Schuljahren 800 unentgeltliche Arbeitsstunden in sozialen Einrichtungen vorweisen konnten.
Ein weiteres deutliches Beispiel aus dem sozialen Bereich ist der Umgang mit SchülerInnen an den saarländischen Fachoberschulen (FOS). In der Klassenstufe 11 dieses Bildungsganges muss jeder Schüler drei Wochentage in einer staatlichen oder privaten sozialen Einrichtung arbeiten. Während der Ferien, wenn die Schulen geschlossen sind, wird auch während der restlichen beiden Tage am Arbeitsplatz angetreten. Es handelt sich hierbei beinahe um das gleiche Arbeit-Schule- Verhältnis wie bei einem Auszubildenden im ersten Jahr. Nur mit dem Unterschied, dass die SchülerInnen der FOS laut Schulordnung weder Anspruch auf Vergütung noch auf Urlaub haben. Eine positive Bewertung des Praktikumsbetriebes ist die Voraussetzung für die Versetzung in die nächst höhere Klassenstufe – ein Abhängigkeitsverhältnis, das Aufbegehren sehr erschwert.
Es ist jedoch nicht so, dass nur staatliche Sozialeinrichtungen von den kostenlosen Arbeitskräften profitieren. Das Unternehmen ,,Sparkasse“ wirbt z.B. auf einer Internetseite aktiv um FOS-PraktikantInnen der Fachrichtung ,,Wirtschaft und Verwaltung“. Eine umfassende Bewerbung sowie die Teilnahme an einem Auswahlverfahren sind hier Pflicht. Auch das Angebot eines Entgeltes zur Dekkung der Fahrtkosten ändert kaum etwas an der Tatsache, dass hier Schüler als bereitwillige, nahezu kostenfreie Aushilfskräfte genutzt werden.
Der Abschluss dieser schulischen Ausbildungen eröffnet oder verbessert, je nach Schulform, die Möglichkeit einer Berufsausbildung in der entsprechenden Fachrichtung, führt zum Erlangen der fachrichtungsgebundenen Fachhochschulreife oder – bei entsprechendem Notenschnitt – auch zur Chance, die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung zu erlangen. Diese Mixtur aus Möglichkeiten hat zur Folge, dass sich in den Bildungsgängen ein bunter Haufen mit völlig unterschiedlichen Motivationen einfindet. Ein Teil dieser SchülerInnen hat überhaupt kein Interesse an einer Berufsausbildung in dem jeweiligen Fachbereich, da sie im Endeffekt nur das Abitur anstreben. Das Praktikum hat also für diese SchülerInnen weder einen finanziellen Wert, noch sammeln sie Erfahrungen für den späteren Berufsweg.
Das Problem der Schulpraktika ist weit gefächert, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland und lässt sich auf zahlreiche Fachrichtungen übertragen. Wichtig ist, dass die Betroffenen sich informieren, selbst zu Wort melden, organisieren und gemeinsam Konzepte entwickeln, wie man gegen diese Form der Ausbeutung vorgehen kann.
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