Betrieb & Gesellschaft

Prekäre Vorführung

Miese Arbeitsbedingungen in der Kinobranche. Der Fall einer Service-Kraft im Berliner Kino Babylon zeigt: Gegenwehr lohnt sich

Am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz ist noch ein Hauch vergangener Tage zu spüren, hier mischt sich noch Kultur mit linker Politik. Auch das Kino Babylon Mitte ist hier beheimatet, gegenüber der Volksbühne, nur wenige Schritte vom Karl-Liebknecht-Haus entfernt. Sicherlich eins der schönsten und programmatisch interessantesten Kinos der Hauptstadt, in dem von Antifa bis Linkspartei auch alles, was sich links wähnt, gern zu Veranstaltungen und Filmreihen lädt.

In der Kinobranche ist das Babylon nicht unumstritten: Die Vergabe des kommunalen Kinos an den jetzigen Betreiber roch seinerzeit doch sehr nach PDS-Seilschaften. Der damalige Kultursenator Flierl hatte 2005 am zuständigen Gremium vorbei der jetzigen „Neue Babylon Berlin GmbH“ von Timothy Grossman und Tobias Hackel das Traditionshaus zugeschanzt. Dennoch konnte das Kino in den vergangenen Jahren bei Cineasten durch ein im Vergleich zu früheren Tagen wesentlich engagierteres Programm punkten und nahm den KritikerInnen damit den Wind aus den Segeln.

Babylonische Realität

Erst eine Klage der Service-Kraft Jason Kirkpatrick vor dem Arbeitsgericht im Juli dieses Jahres brachte die Betreiber wieder in die Kritik. Kirkpatrick hatte gegen seine Kündigung geklagt: „Mir wurde ohne Angaben von Gründen fristlos gekündigt. Das einzige was ich mir vorzuwerfen hatte, war, dass ich ein besseres Feedback-System für die Beschäftigten vorgeschlagen hatte und gefragt habe, ob Dienstversammlungen mit Anwesenheitspflicht nicht bezahlt werden sollten.“ Andere Beschäftigte bestätigten der Presse gegenüber, dass diese Hire-and-Fire-Methoden gängige Praxis im Babylon seien und es auch sonst nicht rosig um die Arbeitsatmosphäre und -bedingungen stehe.

Dass die Berliner Kinolandschaft alles andere als großes Kino für die dort Arbeitenden ist, ergab bereits eine Untersuchung, die das Kultursyndikat der FAU Berlin vor einigen Jahren durchgeführt hat. „10 Euro Stundenlohn sind schon seltene Ausnahmen, die Regel sind 5, 6 Euro mit starker Tendenz nach unten“, berichtete ein Aktivist damals. Das Personal rekrutiere sich aus 50-100% Studierenden und SchülerInnen, bezahlter Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seien meist Fremdworte.

Das Kino Babylon ist da keine Ausnahme. Die Belegschaft besteht größtenteils aus Aushilfen, die für einen Stundenlohn von 5,50 bis 7 Euro arbeiten. Bei der Schichteinteilung geht es zu wie auf dem Tagelöhnermarkt. Grundlegende Rechte werden den Beschäftigten vorenthalten und so manches Festival wird in der unbezahlten Freizeit organisiert. Oder gleich von Praktikanten erledigt. „Vom Praktikanten zum eigenen Festival“ heißt dann auch sinnigerweise eine Jobannonce auf der Website des Kinos.

Kleiner Erfolg, neue Perspektiven

Kirkpatrick war der erste, der sich gegen diese Gepflogenheiten zur Wehr gesetzt und seinen Fall massiv öffentlich gemacht hat. Nachdem ein offener Brief an die Geschäftsleitung ohne Resonanz blieb, besorgte er sich nach Beratung mit der FAU einen Anwalt und zog vor Gericht. Der Prozess endete schließlich mit einem Vergleich. Das Kino Babylon muss ihm zwei Monate Lohn nachzahlen.

Ein bescheidener Erfolg, ein individueller zudem, der aber andeutet, was möglich wäre. Bereits diese kleine juristische Auseinandersetzung provozierte eine ganze Reihe von kritischen Presseberichten, die die Geschäftsleitung des Babylons erheblich unter Druck setzte. „Die Geschäftsführer entwerfen schon das Drohszenario, dass das Babylon demnächst schließen muss und alle ihren Job verlieren, weil Jason geklagt hat“, weiß ein noch dort Arbeitender zu berichten.

Pikanterweise wird das Babylon nämlich mit mindestens 320.000 Euro pro Jahr vom rot-roten Senat subventioniert. Mehr noch als andere Kinos ist es damit durch öffentlichen Druck angreifbar.

Dafür bedarf es natürlich einer entschlossenen Belegschaft. Dass dieser aktuelle Fall, wie es ein Sprecher des Berliner Mayday Bündnisses in einer Presseerklärung ausdrückte, zeige, „dass eine Vernetzung von Prekarisierten sinnvoll ist und zum Erfolg führen kann“, verfehlt nämlich leider ein wenig die Realität. Die Prekarisierten im Babylon begannen zumindest erst nach dem Prozess sich zaghaft zu bewegen. Bis dato arrangierten sie sich – wie so oft in solchen Beschäftigungsverhältnissen – mit der Situation oder suchten sich einen neuen Job.

Inzwischen wird immerhin über die Gründung eines Betriebsrats diskutiert. Mal schauen, vielleicht reicht es ja auch für eine kämpferische Gewerkschaft.

Hansi Oostinga

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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