Der Kampf um die Rechte von MigrantInnen und die Notwendigkeit von Antirassismus im antikapitalistischen Kampf
Mit vielfältigen Aktionen versuchen AntirassistInnen und MigrantInnen in Deutschland in diesem Sommer, die Wichtigkeit der Kämpfe um gleiche Rechte und für das Recht zu bleiben deutlich zu machen. Mit einer 4.000-köpfigen Abschlussdemonstration der defence!-Kampagne wurde Anfang Juli versucht, an die Blockade des Bundestags in Bonn 1993 anlässlich der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl (§16 GG) anzuschließen. Ende August wurde erneut zum antirassistischen Campen gerufen – erstmals gemeinsam mit KlimaschützerInnen in Hamburg. Und nicht zuletzt rief die Bürengruppe Paderborn zum 30. August zu einem dezentralen Aktionstag auf, der den Abschiebebetrieb wirksam stören und so zu einem „Tag ohne Abschiebungen“ werden sollte.
Parallel dazu gelingt es Flüchtlingsinitiativen immer wieder, die Wut über die Sammelunterbringungen in baufälligen Lagern, ihre weitgehende Rechtlosigkeit und die unwürdige Behandlung seitens der Behörden in Proteste und Streiks mit teilweise beachtlichem Medieninteresse zu lenken. Unterstützt vom Flüchtlingsforum „The Voice“ traten zuletzt die BewohnerInnen von Lagern in Gehlberg und Katzhütte (beide Thüringen) mit offenen Briefen und Demonstrationen an die Öffentlichkeit.
Wagt man den Blick über die Grenzen, bieten sich noch ganz andere Perspektiven: dort sind es vor allem Einwanderer ohne Papiere, die durch Demonstrationen und Streiks in den USA, Spanien und Frankreich Druck auf die Regierungen ausüben und Teilerfolge erringen konnten.
Wie immer, wenn Betroffene sich selbst organisieren und ihren Forderungen Nachdruck verleihen, versuchten Gewerkschaften und linke Parteien dort, von den Kämpfen zu profitieren und sie zu lenken. Um als Verhandlungsmacht von der Regierung akzeptiert zu werden, mussten sie dabei gewährleisten, dass die Streiks nach einer Einigung auch wirklich beendet werden. So gelingt es immer wieder, die Protestierenden zu spalten, indem einigen ein Bleiberecht eingeräumt wird, um dann mit umso härterer Hand gegen alle anderen vorzugehen.
In Deutschland stellt sich die Situation noch etwas anders dar. Selbst die großen Gewerkschaften und (linke) Parteien tun sich – von Einzelpersonen abgesehen – vielfach schwer mit den aufkeimenden Protesten oder gar einer Organisierung von streikenden MigrantInnen. Zu groß sind Ressentiments und rassistische Vorurteile gegenüber ZuwandererInnen, die allzu oft einzig als unliebsame Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt gesehen werden. Lafontaines Reden von den „Fremdarbeitern“ war diesbezüglich kein Ausrutscher, sondern hat vielen aus der Seele gesprochen. Die Kampagne „Ohne Regeln geht es nicht!“ der IG Bau gegen Lohndumping und illegale Beschäftigung wies genauso in diese Richtung, indem dazu aufgefordert wurde, illegal Beschäftigte zu „denunzieren“. Paradoxerweise sind es dann manchmal UnternehmerInnen, die gewissermaßen als FürsprecherInnen der MigrantInnen auftreten, da sie nicht auf ihre billigen Arbeitskräfte verzichten möchten und sich so bedingt für ihre Angestellten einsetzen.
An dieser Stelle werden die Gefahren einer verkürzten Interessenpolitik deutlich: Ökonomische Kämpfe und Auseinandersetzungen um die „soziale Frage“, ohne das Problem des Rassismus im Blick zu haben und es in die Praxis einzubeziehen, bergen das Risiko, die soziale zu einer nationalen Frage zu machen und bei einem regressiven und autoritären Protest gegen „die da oben“ zu landen. Andersherum führt antirassistischer Protest um seiner selbst willen, ohne eine Anbindung an reale Kämpfe und ohne eine Einbeziehung ökonomischer Zusammenhänge dazu, MigrantInnen zu Opfern zu machen, sowie zu einer Staatsfixierung, wie sie derzeit wieder bei den Debatten um „globale soziale Rechte“ durchscheint.
Stattdessen müsste es gelingen, die vielfältigen Spaltungen und Grenzlinien zu überwinden, die zu einem wesentlichen Funktionsmerkmal des Kapitalismus gehören und Garantien für seine Fortexistenz darstellen. Staatliche Migrationsregulierung ist weder eine Ein-zu-eins-Umsetzung von Kapitalforderungen, noch ausschließlich rassistische Abschottung, sondern immer Ergebnis eines Aushandlungsprozesses verschiedener Akteure, auch der MigrantInnen und ihrer UnterstützerInnen. Durch die Aufsplitterung in Staaten, Nationalitäten, Regionen, Gemeinschaften, Branchen, Lohngruppen usw. gelingt es immer wieder, die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen als quasi natürlich festzuschreiben und zu organisieren. Je stärker antirassistische und andere Kämpfe werden, desto größer ist die Chance, diese Spaltungen zu überbrücken. Und genauso wie die Wurzeln des Rassismus nur durch eine Überwindung des Kapitalismus beseitigt werden können, kann der Kapitalismus nur mit einem konsequenten Antirassismus überwunden werden.
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