Individualisierte Arbeit und solidarischer Widerstand sind kein Widerspruch. FAU Berlin unterstützt gefeuerte IT-ArbeiterInnen
„Panfu ist eine freundliche, virtuelle Welt, in der Kinder Onlinespiele spielen, Spaß haben, spielend Englisch lernen und Freundschaften schließen können“ – so stellt die Berliner Firma Young Internet GmbH ihr virtuelles Online-Spiel vor. Was Kinder und auch ihre Eltern ebenso lernen können, ist, wie Kapitalismus funktioniert. Die Oberfläche ist freundlich und bunt, aber im Hintergrund arbeiten Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen ohne Vertrag und werden, falls sie nicht mehr rentabel erscheinen, von einer Minute auf die andere vor die Tür gesetzt.
Das junge Unternehmen ging Ende 2007 mit seinem Spiel „Panfu“ online. Schon vier Monate später waren nach Firmenangaben über eine Million User registriert. Täglich sollen 10.000 Neumitglieder hinzukommen. „Panfu“ gibt es auch in Frankreich, Spanien, Großbritannien, Polen, den Niederlanden und in Skandinavien.
Ende August wurden 19 MitarbeiterInnen, die die skandinavischen Seiten betreuten, per E-Mail informiert, dass sie mit einer Frist von drei Tagen gekündigt seien. Als Grund wurden zu wenige Neuregistrierungen auf den von ihnen betreuten Seiten angegeben. Die Chefs Moritz Hohl und Kay Kühne wussten scheinbar über das hiesige Arbeitsrecht nicht Bescheid und dachten sich, wenn sie den über ganz Europa in Homeoffices verteilt arbeitenden MitarbeiterInnen schon keine schriftlichen Arbeitsverträge geben, könnten sie diese auch einfach so wieder vor die Tür setzen.
Anarchosyndikalistische Gegenwehr ist aber nun mal flexibel und kann schnell reagieren. Mit Unterstützung der IT-Sektion der FAU Berlin und durch entschlossenes, vor allem aber geschlossenes Auftreten der Gefeuerten ist es binnen zwei Wochen gelungen, das Gehalt bis einschließlich September ausgehändigt zu bekommen. Viele der 19 Entlassenen waren in 400-Euro-Minijobs angestellt und extra dafür nach Deutschland gekommen. Von heute auf morgen völlig ohne Geld dazustehen, hätte für viele einen zu großen Einbruch bedeutet.
Interessant in diesem Arbeitskampf war sicher die Organisationsform. Individualisierte Arbeitsverhältnisse sorgen in Gewerkschaften schon länger für Kopfzerbrechen. Wie sind Menschen zu organisieren, die sich an verschiedenen Orten befinden, sich nie gesehen haben und sich nur über E-Mails oder Chats kennen? Einen Masterplan gibt es sicher nicht, da sich der Arbeitskampf immer an der jeweiligen Situation und vor allem an der Arbeitsform orientieren muss. In der Young Internet GmbH arbeiten fast alle MitarbeiterInnen von zu Hause aus. Es gibt einen Schichtplan, einen/eine KoordinatorIn für eine Gruppe und eine ständige Onlinekorrespondenz. Die KoordinatorInnen kümmern sich um das Verteilen der Aufgaben, die sie vom eigentlichen Firmensitz in Berlin gestellt bekommen. Die Chefs in Berlin kümmern sich nicht darum, wie Aufgaben bearbeitet werden, dafür sind die KoordinatorInnen und die MitarbeiterInnen selbst verantwortlich.
Im Arbeitskampf lässt sich aber genau diese Form der Arbeit ebenso erfolgreich einsetzen. Reale Treffen zwischen den um ihren Lohn Kämpfenden gab es zwar, die hauptsächliche Arbeit spielte sich aber über das Internet ab. Gemeinsam wurden die Aufgaben verteilt (z.B. Forderungen formulieren, Kampagne vorbereiten und ehem. KollegInnen informieren). Ergebnisse von Diskussionen und Aufgaben wurden von dem/der KoordinatorIn zusammengefasst. Diese Methode funktionierte sehr schnell und brachte schließlich das erwünschte Ergebnis. Die Menschen organisierten sich in der gleichen Weise, in der sie es gewohnt waren, täglich zu arbeiten.
Für eine Gewerkschaft hat dieser Weg, sich zu organisieren, Vorbildcharakter. Versuche mit virtuellen Betriebsgruppen könnten in einigen Branchen für Erfolge sorgen.
Sektion IT der FAU Berlin
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