„Dr. Schengber and Friends” wirft unliebsame MitarbeiterInnen raus – mit „Selbständigen” kann man es ja machen.
Dr. Ralf Schengber, Dozent an der Fachhochschule Münster, ist ein findiges Kerlchen. Als Lehrkraft in Sachen Betriebswirtschaft bemüht er sich auf vielerlei Weise, auch selber in der freien Marktwirtschaft erfolgreich zu sein, z.B. als Direktor des „Instituts für Mobile Marketing“. Schengbers Hauptprojekt aber ist die Firma DSaF – Dr. Schengber and Friends. Schon der Name lässt Schlimmes erahnen: Denn ‚Freunde’ stellt man natürlich nicht als Arbeitskräfte an, sondern man behandelt sie als gleichberechtigte ‚Partner’, als Selbständige, wie Dr. Schengber selber einer ist. Nebenbei spart er sich so Sozial-, Krankenkassen- und Rentenbeiträge (die sogenannten Lohnnebenkosten). Bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Pausen – wie etwa die gesetzlich vorgeschriebene Bildschirmpause – muss Schengber auch nicht gewähren. Eine Mindestarbeitszeit und somit ein planbares Einkommen haben die ‚Friends’ auch nicht.
DSaF bietet Dienstleistungen für große Privatsender wie RTL und VOX an: Bundesweit tätige ‚Censoren’ lesen SMS von ‚Chattern’, die für teures Geld Botschaften an die Videotexte dieser Sender schicken. Moderatoren betreuen diese Seiten. Darüber hinaus betreut DSaF diverse andere Community- Projekte. Das Grundhonorar der ‚Censoren’ beträgt 5,50 Euro, dazu gibt es Zuschläge nach Akkord. Das maximale Stundenhonorar (ohne Nacht- und Wochenendzuschlag) liegt bei 6,50 Euro. Aussagen über die Lohn- bzw. Honorarhöhe zu treffen ist allerdings schwer, denn zur Unternehmenspolitik gehört es auch, diese immer wieder individuell unter dem Mantel der Verschwiegenheit auszuhandeln.
Mit der Etablierung eines automatischen Zensors der Firma Digamé wurden vor etwa zwei Jahren zahlreiche ‚Censoren’ entlassen. Wobei „entlassen“ im juristischen Sinne der falsche Ausdruck ist, handelt es sich doch nicht um ArbeitnehmerInnen. Abfindungen oder ähnliches gab es nicht, die Dummen waren die ‚Censoren’. Bei der Einstellung oder Reduzierung von Projekten haben grundsätzlich die selbständigen MitarbeiterInnen das Nachsehen. Eine Beschäftigungsgarantie gibt es für sie bei DSaF nicht.
Verpflichtend für die ‚Censoren’ ist auch der Bereitschaftsdienst, in dem sie sich zur Verfügung halten müssen, falls mehr Arbeit anfällt oder KollegInnen ausfallen. Diesen bekommen sie nicht bezahlt. Die Forderung nach einer durchaus bescheidenen Vergütung dafür wurde brüsk zurückgewiesen – unter anderen mit dem Argument, bezahlte Schichten würden sie sich durch die Übernahme der unbezahlten Bereitschaften erst ‚verdienen’.
Anonym wurde über die Ereignisse im Internet-Forum Chefduzen berichtet. Dadurch aufmerksam gemacht, suchte die FAU Münsterland den Kontakt zu den MitarbeiterInnen und veröffentlichte im Oktober 2008 ein anonymes Interview – ohne Nennung des Firmennamens – in ihrer Lokalzeitung Interhelpo. Ein weiteres Detail, das der anonyme Mitarbeiter hier erwähnte, war die Kündigungsandrohung aufgrund von DGB-Gewerkschaftsmitgliedschaften. Auf Chefduzen wurde dieses Interview in den Diskussionsstrang zu DSaF gestellt. Nur fünf Tage später wurde drei MitarbeiterInnen die „Freundschaft“ gekündigt: Sie bekamen von heute auf morgen keine Aufträge mehr erteilt. Vermutlich vermutete DSaF, dass sie die UrheberInnen des Interviews waren, gesagt oder gar bewiesen wurde dies jedoch nicht. Die drei Gekündigten haben sich entschlossen, individuell und auf unterschiedliche Weise gegen bzw. mit dieser Behandlung umzugehen. Auch wenn die FAU Münsterland aktuell kein Mandat von Beschäftigten bei Dr. Schengber and Friends hat, wird sie doch die Firma weiterhin unter verschärfter Beobachtung halten und Missstände bekanntmachen.
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