Vor einigen Monaten sorgte eine Praktikantin für Aufsehen, als sie erstmals ein Urteil gegen die Ausbeutung in Praktika erstritt und ihr Arbeitgeber zu einer Nachzahlung von 7.000 Euro verdonnert wurde (siehe DA Nr. 188). Jetzt klagt eine weitere Praktikantin in einem ähnlichen Fall auf „Sittenwidrigkeit“. Seit Ende März war diese – bei 400 Euro im Monat und 40 Stunden pro Woche – in einer Berliner Kita als Praktikantin beschäftigt, überwarf sich aber nach knapp drei Monaten mit der Chefin aufgrund der ihr abverlangten Tätigkeiten, woraufhin ihr gekündigt wurde. Zu allem Überfluss zahlte ihr die Kita noch nicht einmal ihre beiden letzten Monatsgehälter aus. Beraten von der FAU Berlin, klagte sie dann offensiv auf den branchenüblichen Lohn für ErzieherInnen, schließlich wurde sie offensichtlich als billiger Ersatz für ausgebildete Erzieher eingesetzt – ihre Arbeitstätigkeit ging in allen Punkten über den Praktikumsrahmen hinaus. Besonders pikant daran ist, dass die Praktikantenausbeutung in Berliner Kitas gang und gäbe ist, obwohl gerade diese (als öffentlich bezuschusste Einrichtungen) zur Einhaltung der arbeitsrechtlichen Standards angehalten sind. Der richterliche Vorschlag aus der Güteverhandlung wurde indes von der Klägerin abgelehnt, so dass im Januar die offizielle Verhandlung ansteht. Mit einem erfolgreichen Ergebnis könnte ein weiterer Präzedenzfall geschaffen werden, der auch andere PraktikantInnen ermutigt, ihre Rechte einzufordern. Die DA wird in der nächsten Ausgabe ausführlich berichten. (HM)
Bundesarbeitsminster Olaf Scholz gab sich zuletzt als Freund der PraktikantInnen und machte sich großmäulig für eine Verbesserung ihrer Rechte stark. Jetzt stellte sich heraus, dass durch sein eigenes Ministerium jährlich über hundert PraktikantInnen gehen, die allesamt nicht die geringste Entlohnung erhalten. Sein Ministerium ist dabei kein Sonderfall. Die rund 1.400 PraktikantInnen in den Bundesministerien erhalten i.d.R. nicht mal einen Essenszuschuss – dafür aber immerhin zum Abschluss einen regierungsamtlichen Kugelschreiber. In der Bundestagsverwaltung mit ihren ca. 500 PraktikantInnen sieht die Lage nicht anders aus. (HM)
Die Verhandlungen über eine bessere gesetzliche Regelung von Praktikumsverhältnissen (siehe DA Nr. 187) sind vorerst am Bocken der Union gescheitert. Insbesondere SPDLinke wollten einen Grundanspruch und eine Maximaldauer festlegen. Auch eine Stärkung der Position von PraktikanntInnen durch die Umkehr der Beweislast (in der Frage, ob ein richtiges Arbeits- oder ein Lernverhältnis vorliegt) war im Gespräch. Alles in allem scheint perspektivisch allenfalls die Festlegung einer Grundvergütung von 300 Euro realistisch. Und die könnte den vorherrschenden Zustand eher sogar sanktionieren; am Grundproblem der Ersetzung regulärer Kräfte durch billige PraktikantInnen ändert sich damit nichts. (HM)
Weitere Informationen, siehe auf www.keine-arbeit-ohne-lohn.de
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