„Deutsch-Amerikanische Freundschaft“ wieder auf Tournee. Ein Interview mit Sänger Gabi Delgado
Deutsch-Amerikansiche Freundschaft (DAF) sind seit 1978 aktiv, und waren damals erst recht nicht musikalisch einzuordnen, da Musikrichtungen wie „Electropunk“ zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierten. Vielmehr wurden „DAF“ bald der aufkommenden Neuen Deutschen Welle zugeordnet. In einem gegenseitigen Wechselverhältnis beeinflussten sich die Band und die entstehende Techno Bewegung. Anfang der 80er Jahre lösten sich „DAF“ vorübergehend auf, was sie nach der Neugründung 1986 wiederholten; die DAF-Eckpfeiler Gabi Delgado und Robert Görl gingen ihre eigenen musikalischen Wege. Umso überraschender kam dann im Jahr 2008 die erneute „Wiedervereinigung“. Auf die Tour 2009 sind daher nicht bloß Punk und New Wave Veteranen der frühen 80er Jahre gespannt.
Welchen Sinn haben eure Songs heute?
Gabi Delgado: Für 90 Prozent der Texte gilt, dass sie nichts von ihrer Bedeutung verloren haben. Ein paar Stücke sind von der Geschichte überholt worden wie z.B. „Kebabträume“, weil es die DDR nicht mehr gibt. Kebabträume in der Mauerstadt/Türk-Kültür hinter Stacheldraht/ Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei, das passt nicht mehr. Es gibt heute keinen Stacheldraht mehr um Berlin. Deshalb wird dann so ein Stück meistens aus dem Programm genommen.
Der Song „Tanz den Mussolini“ hat ja totalitäre Ideologien dechiffriert ….
Gabi Delgado: „… genau, tanz den Adolf Hitler, tanz den Kommunismus, und nicht zu vergessen, tanz den Jesus Christus. Es ging da um die Austauschbarkeit von Denkmälern, egal in welche Richtung sie wirken. Auf der anderen Seite war das auch ein Tabubruch, weil es wichtig ist, Denkmäler umzustoßen, auch negative. Im Prinzip stehen die Denkmäler von damals noch heute.
Punk als Lebenshaltung, ok, aber woher kommt heute noch die Kraft zur Provokation, wenn das System den Protest sofort integriert?
Gabi Delgado: Es gibt noch genau so viele Tabus wie damals. Im Prinzip stellt ein Tabubruch oder eine Provokation eine gesellschaftliche Konvention, eine Übereinkunft der Gesellschaft in Frage. Solange die Gesellschaft ihre Konventionen und Abmachungen hat, gibt es auch Provokationen. Der Kapitalismus ist wie die Borg, kann alles assimilieren. Der Kapitalismus hat eine sehr hohe Integrationskraft, er kann aus dem Protest von gestern das Produkt von morgen machen. Aber wie George Bataille richtig bemerkt hat, stellen alle Prozesse, die dem Kapitalismus entgegenstehen, Tod, Verrücktheit, Krankheit ein riesiges Tabu dar. Die Gesellschaft ist nicht freier, sie ist permissiver geworden, sie erlaubt mehr. Das liegt daran, dass Kirche und Staat an Macht verloren haben. Ich kann einen Geldschein am Kreuz abdrucken, vor 500 Jahren wäre man dafür verbrannt worden. Heute gibt es vielleicht ein bisschen Aufregung. Aber die Kirche verbrennt keine Menschen mehr. Das liegt nur da dran, dass die Kirche Macht verloren hat. Hätte die Kirche heute noch die gleiche Macht wie vor 500 Jahren, würde sie die sogenannten Ketzer auch heute noch verbrennen. Die vermeintliche Freiheit ist eher das Resultat des Machtverlustes der tragenden Institutionen von Staat und Kirche.
Welche Bedeutung hatte Punk für Dich „damals“ – und heute?
Gabi Delgado: Nach wie vor, Punk ist eine der energetischsten Ausdrucksformen, die es überhaupt gibt. Auch da hat sich wenig geändert. Das freie Umgehen mit Musikstrukturen, mit Texten, dass man nicht unbedingt eine musikalische Ausbildung braucht, um Musik zu machen. Diese ganzen Sachen, die damals wirklich neu waren, gelten heute noch immer. Hast du ein Stück, und du kannst keine Gitarre spielen, egal, lern drei Akkorde, sag deine Message, dann hast du ein Musikstück. Hast du kein Label, egal, gründe selbst eins. Dieser freche Approach, diese selbstbewusste und freche Herangehensweise an Kunst und Musik und an die Vermarktung finde ich nach wie vor sehr korrekt und sehr wichtig.
Auf eurer Internetseite ist ein Clip zu sehen, in dem ihr in typischem Guerilla-Sprech zur Zerstörung der deutschen Kultur, zum Widerstand gegen den US-amerikanischen Pop-Imperialismus aufruft. Zugleich betont ihr, dass DAF eine Punkband sei, allerdings eine ohne Gitarren…. Das zwingt zu der Frage, ob es sich dabei um ein ernsthaft-politisches, oder ein Dada-künstlerisches Manifest handelt?
Gabi Delgado: Es ist ein Dada-politisches Manifest, es ist Kunst, es parodiert quasi das politische Manifest, aber es ist eine Parodie.
Obwohl sich die gesellschaftlich-wirtschaftlichen Widersprüche verschärfen, ist es hier in den Städten relativ ruhig auf den Straßen. Zeichen von punkig-ästhetischem Widerstand sind kaum zu sehen…
Gabi Delgado: Das stimmt, diese Beobachtung trifft zu für Länder wie Deutschland, Frankreich oder England. Aber ich sehe das dialektisch. Auf eine rebellische Jugendbewegung folgt eine angepasste wie jetzt hier. Demzufolge müsste die nächste wieder eine rebellische sein. Aber hier ist es relativ langweilig. Aber in Ländern wie Spanien oder Griechenland oder in Lateinamerika sieht man eine ganz große Unzufriedenheit, Unruhe und Lust, etwas gegen das System zu machen.
Einer eurer Songtexte heißt „Verschwende Deine Jugend“ – hast du dich danach gerichtet?
Gabi Delgado: Ich habe sie verschwendet und dadurch optimal ausgenutzt und das hat sich gelohnt. Das kann man auch wirklich nur empfehlen…
Das Interview führten Jorinde Reznikoff & Klaus-Peter Flügel
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