Zu den Hintergründen des Hungerstreiks bei VWN Hannover-Stöcken
Wie kam es zu der Aktion?
Viele LeiharbeiterInnen wären mit der anstehenden Verlängerung ihres Vertrages in die Stammbelegschaft übernommen worden. Da hat VW die Krise genutzt und die Verträge auslaufen lassen. Damit sie aber in der Öffentlichkeit gut dastehen, haben sie uns für drei Monate in Fortbildungen zusammengefasst – bezahlt vom Arbeitsamt, versteht sich. Dort sind wir zum ersten Mal mit den anderen LeiharbeiterInnen zusammen getroffen. Vorher waren alle vereinzelt in unterschiedlichen Bereichen mit Leuten aus der Stammbelegschaft eingesetzt. Jetzt konnten wir uns zum ersten Mal austauschen. Schnell wurde beschlossen, sich gegen den Rausschmiss zu wehren.
Was sind eure Forderungen?
Viele der LeiharbeiterInnen haben Familie. Sie brauchen Geld und wollen auch dafür arbeiten. Daher ist die erste Forderung die nach Weiterbeschäftigung. Es geht uns aber nicht um Arbeit zu jedem Preis. Das Angebot, in Ingolstadt für 7,36 Euro brutto die Stunde zu arbeiten, haben viele abgelehnt. Nicht nur wegen der Entfernung – auch, weil nicht gesagt werden konnte, wie lange der Vertrag in Ingolstadt gelten würde. Drei Monte, ein Jahr? – keine Auskunft! Es geht aber auch nicht nur um Weiterbeschäftigung. Wir fordern auch die Abschaffung der Leiharbeit überhaupt. Schließlich ist Leiharbeit moderne Sklaverei! Gut ein Drittel weniger verdienen LeiharbeiterInnen gegenüber der Stammbelegschaft für die gleiche Arbeit. Viele LeiharbeiterInnen machen selten krank, denn sie wollen in die Stammbelegschaft übernommen werden.
Viele von euch sind oder waren bei der IG Metall – wie stehen Gewerkschaft und Betriebsrat zu euch?
Zu Beginn gab es keine Unterstützung durch die IG Metall und ihren Betriebsrat. Die wollten nicht mit uns reden und haben den Werkschutz gerufen, als wir uns das Recht genommen hatten, mit ihnen – unseren VertreterInnen – zu sprechen. Die IG Metall hat dann auch erstmal die Lüge der Konzernleitung aufgegriffen, dass wir nicht gesprächsbereit seien. Seitdem aber immer mehr Medien – von der lokalen Presse über das NDR-Fernsehen, das Neue Deutschland, die FR bis hin zu Arte – über unsere Aktion berichteten, hat sich alles verändert. Der Betriebsrat ist gekommen und hat mit uns geredet. Schließlich richtet sich der Streik nicht gegen die IG Metall. Aber wenn die Gewerkschaft und ihr Betriebsrat die Interessen der Lohnabhängigen nicht unterstützen, wird das von uns auch so benannt.
Wie steht die Stammbelegschaft zu eurer Aktion?
Seitens der Stammbelegschaft kommt häufig nur Kopfschütteln. Das Schicksal der LeiharbeiterInnen interessiert die fast gar nicht. Zu uns kommen nur Wenige. Meistens sind das KollegInnen von früher. Seitdem bei Mercedes die ersten Gerüchte die Runde machten, dass auch die Stammbelegschaft abgebaut werden soll, scheinen aber einige nachdenklicher geworden zu sein. „Heute wir – morgen ihr!?“ ist ja eine Parole von uns – Jetzt merken die KollegInnen aus der Stammbelegschaft, da könnte vielleicht was dran sein!
Wie sieht es denn mit der Solidarität allgemein aus, wenn von der Stammbelegschaft wenig kommt?
Neben unseren Familien gibt es einige, die uns unterstützen. Ohne Ibrahim Badan vom unabhängigen Betriebsrat wäre die Aktion mit Sicherheit nicht so schnell zustande gekommen. Auch die ATIF hat uns von Anfang mit Material und Rat und Tat unterstützt. Seit die Medien über die Aktionen berichten, kommen immer mehr Leute vorbei. Es gab sogar Leute, die auf ihrem Weg in den Urlaub von der Aktion im Radio gehört hatten und spontan noch mal vorbeischauten. Die Landtagsfraktion der LINKEN in Niedersachsen hat es sich natürlich auch nicht nehmen lassen, mal medienwirksam vorbei zu kommen. Am Rande hatte deren Fraktionsvorsitzende einige von uns allerdings für ihre deutlichen Worte gegen die IG Metall und ihren Betriebsrat kritisiert. Letztlich freuen wir uns aber über alle, die kommen und ihre Solidarität zeigen.
Wie lange wollt ihr noch weiter machen?
Die Hungerstreikenden sind entschlossen, solange weiter zu machen, bis unsere Forderungen erfüllt werden. Einer der Streikenden ist bereits kollabiert und wurde ins Krankenhaus gebracht. Alle anderen machen weiter. Was haben wir auch noch zu verlieren? Wenig. Aber VW gerät immer mehr unter Druck. Bereits zwei Drittel der entlassenen LeiharbeiterInnen wurde wieder eingestellt und arbeitet jetzt in Wolfsburg natürlich bei einer anderen VW-eigenen LeiharbeiterInnenfirma, zu schlechteren Konditionen und einem Arbeitsweg von anderthalb bis zwei Stunden (für eine Strecke!). Es gäbe natürlich Alternativen: Wenn VW die Arbeit in Stöcken auf 25 Wochenstunden kürzen und einen Teil der Vorstandsgehälter und der Dividende umlegen würde, könnten auch alle Leute in Hannover arbeiten, zu einem korrekten Lohn. Aber das wäre ja fast schon Revolution! Ja, wenn die Leute hier doch nur halb so entschlossen wären wie in Frankreich…
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