Kinoleitung des Babylon Mitte Berlin verweigert Tarifverhandlungen
Es sind nur wenige Besucher, die an diesen warmen Sommerabenden ins Kino kommen. Erstaunt nimmt eine ältere Dame das Flugblatt entgegen, das ihr vor den Türen des Babylon in die Hand gedrückt wird. Achtung! steht dort in großen Lettern, Arbeitskampf im Babylon. „Geschäftsführung verweigert Verhandlungen?“, liest sie weiter. „Das gibt`s doch nicht.“
Doch, das gibt es. Und darum wurde Mitte Juni in Berlin der Arbeitskampf ausgerufen. Von verschiedenen Seiten übt die Belegschaft nun Druck aus. Woche um Woche kommen neue Maßnahmen dazu, werden die Schrauben noch ein Stück weiter angedreht. Streik und Boykott sind in Planung, flankiert von einer Kampagne, die Aufsehen erregt. Die Babylonier haben keine andere Wahl, sie müssen ihre Chefs zum Gespräch zwingen.
Zur Verhandlung steht ein Haustarifvertragsvorschlag, mit dem eine lange Liste von großen und kleinen Unzumutbarkeiten geklärt werden soll. Es gibt viel zu niedrige Löhne (zwischen 5,50 und 8 Euro brutto), keine Überstunden- oder Feiertagszuschläge, meist nur „mündliche“ oder befristete Verträge. Die Belegschaft wird regelmäßig ausgewechselt, weil keiner über die Probezeit hinauskommen soll, durch Schikane bei der Schichteinteilung wird sie unter Druck gesetzt.
Lange hatten die Beschäftigten auch Geduld, haben versucht, mit ihren Chefs zu reden. Sie wollten keinen Stress, schließlich arbeiten sie in einem interessanten Ambiente, mit interessantem Programm. Schließlich machen das viele von ihnen nur als Nebenjob, oder als Zwischendurch-Job. War es das wert, sich dafür zu engagieren, sich zu organisieren und anstrengenderweise gegen die Geschäftsführung zu positionieren?
Ja, entschieden die Babylonarbeiter, als das Maß voll war. Sie gründeten einen Betriebsrat, nahmen Kontakt zur FAU auf und riefen dann Anfang des Jahres die FAU-Betriebsgruppe ins Leben.
Als nächstes wurden Urlaube eingereicht und Lohnfortzahlungen bei Krankheiten in Anspruch genommen – für nicht jeden waren das selbstverständliche Vorgänge im Kino Babylon. Dann regnete es Klagen, vor allem gegen die willkürlichen Kündigungen. Aber auch die Gegenseite blieb nicht untätig. Die beiden Geschäftsführer Timmothy und Tobias – man ist sich per du im Babylon – gehen offensichtlich gerne zum Anwalt. Es hagelte Klagen in die andere Richtung, dem Betriebsrat wurden immer wieder Steine in den Weg gelegt, und es gab neue Kündigungen. Diesmal traf es besonders die Gewerkschafter.
Die FAU begleitete diese Zeit als einzige im Betrieb aktive Gewerkschaft. Sie beriet den Betriebsrat, nahm an Betriebsversammlungen teil und organisierte eine Kampagne gegen die Kündigung eines ihrer Mitglieder. Auf Gesprächsangebote gingen die Geschäftsführer zunächst ein, doch als die FAU Anfang Juni den Tarifvertragsentwurf vorlegte, verweigerten sie die Verhandlungen.
Das Babylon ist ein Traditionshaus, das besonders für sein alternatives Programm bekannt ist. Die schönen Räume, die unter Denkmalschutz stehen, werden linken Organisationen häufig zur Verfügung gestellt, wie zum Beispiel „Der Linken“.
Diese Partei schätzt offensichtlich auch das Filmprogramm des Babylon, denn aus unbekannten Gründen hat der rot-rote Berliner Senat sich entschieden, nur ein einziges freies Kino der Stadt massiv finanziell zu unterstützen: das Babylon. Ohne den satten öffentlichen Zuschuss (2006 waren es 440.000 Euro) könnte das Kino kaum existieren.
Da stutzt man, wenn man den Wahlkampfslogan hört, den die Linkspartei zur Zeit besonders gern und laut hinausposaunt: „10 Euro Mindestlohn!“. Warum erwarten sie nicht Mindestlohn und Tarifvertrag für die Zuteilung einer derart hohen Kulturförderung? Warum unterstützen sie nicht den Kampf im Babylon? Nach den Gründen könnte man suchen. Vielleicht am Rosa-Luxemburg-Platz, wo das Karl-Liebknecht-Haus der Linken nur einen Steinwurf entfernt vom Traditionskino Babylon steht. Ausgerechnet im Babylon verabschiedete die Partei übrigens im Dezember 2008 auf einer Wahlkonferenz folgendes: „Die Linke will Mindeststandards zur Armutsverweigerung, beispielsweise einen Mindestlohn, der tarifliche Vereinbarungen nicht in Frage stellt.“
Für die Kinoarbeiter und ihre Gewerkschaft stehen jetzt alle Zeichen auf Erfolg: der Organisierungsgrad innerhalb der Belegschaft wächst stetig, und von außen kommt einhellige Zustimmung. „Unsere Erfahrung vom Flugblattverteilen ist, dass das viele als eine große Unverschämtheit empfinden“, berichtet Lars Röhm, Sekretär der FAU Berlin. „Die sagen: das ist doch ein Laden, bei dem wir gedacht hätten, das ist engagiert, da wird engagiertes Kino gezeigt. Das kann doch nicht sein, dass die Beschäftigten da so behandelt werden.“
Der Arbeitskampf baut Druck von verschiedenen Seiten auf. Das Babylonpublikum bekommt Gelegenheiten, nach fairem Filmgenuss zu verlangen. Die FAU sucht den Dialog mit der Berliner Politik, um hier Erklärungen und konsequentes Verhalten einzufordern. Und die breit angelegte Kampagne hat großes Interesse bei der Presse ausgelöst. Sie erkennt die Bedeutung dieses „kleinen“ Kampfes, der exemplarisch für viele weitere im Prekariat stehen könnte.
Schließlich gibt es natürlich den Druck von innen. Von den Filmvorführern und Kartenabreißern, die die Leinwände vielleicht bald schwarz lassen.
Unterdessen betreiben die Chefs „Arbeitskampf von oben“. Ein nobles Anwaltsbüro mit Topadresse am Pariser Platz wird von Timmothy Grossmann und Tobias Hackel eifrig konsultiert. Es gibt Unterlassungsklagen gegen Gruppen, die sich mit den Babyloniern solidarisieren, auch eine Unterlassungsklage gegen die FAU. Dann gibt es geschickterweise eine zweite Firma, die „Kino und Konzerte GmbH“, mit den gleichen Geschäftsführern und einem ähnlichen Aufgabenfeld. Munter werden Beschäftigte zwischen den beiden Firmen „verliehen“, vermutlich um auf diesem Weg die Kompetenzen des Betriebsrats zu behindern.
Bei so vielen neuen Kampfschauplätzen, die die beiden aufmachen, könnte man fast glauben, es wäre ihnen wichtiger, ihre Beschäftigten zu ärgern als mit ihnen über die Inhalte ihres Arbeitsvertrages zu sprechen.
Doch unter den Babylonarbeitern führt so etwas höchstens zu noch mehr Entschlossenheit. „Ich bin optimistisch“, sagt einer von ihnen. „Und wenn die Geschäftsführung nicht einlenken will, werden wir das Kino eben in einem Jahr in Selbstverwaltung betreiben.“
Milena Baisch
Unterstützung fürs Babylon
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Telefon:
030 – 24727-801 (Babylon)
030 – 24727-802 (Babylon)
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Verwendungszweck: Babylon-Soli
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