Während der irischen Agrarkrise im vorletzten Jahrhundert war Hauptmann Charles Cunningham Boycott Verwalter der Ländereien von Lord Earne in der Grafschaft Mayo. Als 1879 die Pächter von ihren Grundherren mit unzumutbaren Abgaben belegt wurden, rief der Führer der irischen Radikalen die „Landliga“ dazu auf, die habgierigen Herren wie Aussätzige zu isolieren. Das erste Opfer wurde Hauptmann Boycott: Die Tagelöhner verweigerten ihm die Arbeit, die Briefträger brachten ihm keine Post mehr usw.
Hierbei geht es darum, ArbeitnehmerInnen davon abzuhalten, in einem bestimmten Betrieb zu arbeiten. Diese Aufforderung kann beispielsweise an StreikbrecherInnen gehen. Oder es können z.B. auch alle BauarbeiterInnen aufgerufen werden, auf einer bestimmten Baustelle nicht zu arbeiten, da die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Form des Boykotts als zulässig erklärt, da es sich hierbei um ein historisches Kampfmittel handelt, mit dem der Unternehmer gezwungen werden soll, einen Tarifvertrag abzuschließen oder sein Verhalten zu ändern.
Daneben gibt es noch den Warenboykott zu dem z.B. ein Verbraucherverband aufruft, auch als „Konsumentenstreik“ bezeichnet.
Im Arbeitskampfrecht wird mit „Boykott“ der Versuch bezeichnet, die gegnerische Partei (Arbeitgeberseite) vom wirtschaftlichen Verkehr abzuschneiden. Ziele können u.a. sein: der Abschluss von Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder deren Einhaltung. Der Boykott als Arbeitskampfmaßnahme soll hier genauer besprochen werden.
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu folgendes ausgeführt:
BAG Az: 1 AZR 611/75
Ein schuldrechtlicher Vorvertrag zum Abschluss eines genau bestimmten Tarifvertrages ist zulässig und bedarf nicht der Schriftform des § 1 Abs. 2 TVG i. V. m. § 126 BGB. Die Anfechtung eines derartigen Vorvertrages unterliegt den Regeln des BGB und hat also Rückwirkung. Boykottmaßnahmen und damit auch der Boykottaufruf stellen gegenüber dem Boykottierten nicht ohne weiteres eine widerrechtliche Handlung in Form einer Drohung dar, da Boykottmaßnahmen zu den rechtlich zulässigen Arbeitskampfmitteln gehören.
(TVG § 1 Abs. 2, BGB § 123 Abs. 1, BGB § 126, BGB § 142 Abs. 1, GG Art. 9 Abs. 3)
BAG Urteil zu Art. 9 Abs. 3 GG
Die gewerkschaftlich organisierte Boykottmaßnahme von HafenarbeitnehmerInnen gegen einen ausländischen Billigflaggen-Reeder ist ein grundsätzlich zulässiges Arbeitskampfmittel.
(Arbeitsgericht Bremen, 7. 10. 1999 — 9 Ga 79/99 [rechtskräftig])
Aber auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dem Boykott im Allgemeinen beschäftigt:
Das Lüth Urteil: BVerfG, Urteil vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51
Erich Lüth war Hamburger Senatsdirektor und rief über einen offenen Brief in der Presse deutlich und direkt dazu auf, dass deutsche Filmhäuser den damals aktuellen Film von Veit Harlan boykottieren sollten. Dieser ist bis heute als Regisseur des „Films“ mit dem Titel „Jud Süß“ bekannt – für Lüth war es unvorstellbar, ausgerechnet Harlan als „Vertreter des deutschen Films“ zu sehen, was er in seinem Brief auch darlegte. Es kam (natürlich) zum Streit mit der Produktionsfirma.
Ergebnis: Die „allgemeinen Gesetze“ (welche die Meinungsfreiheit beschränken können – etwa solche des Zivilrechts) müssen im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts … ausgelegt werden. [Ein Boykottaufruf] kann bei Abwägung aller Umstände des Falles … gerechtfertigt sein.
Die Entscheidung kann nur aus einer Gesamtanschauung des Einzelfalles unter Beachtung aller wesentlichen Umstände getroffen werden. Für eine Demokratie ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 GG) „schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist.“
Der Boykottaufruf ist auch im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf rechtlich zulässig. Allerdings gilt es, jeden Einzelfall detailliert vorzubereiten. Außerdem wollen die Gerichte wie beim Streik, so auch beim Boykott ein „Ultima Ratio“-Prinzip erkennen: Die proletarischen Kampfmittel sollen erst dann zum Einsatz kommen, wenn Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen oder wenn die Gegenseite nach mehrmaligen schriftlichen Aufforderungen nicht bereit ist, Verhandlungen aufzunehmen.
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