Bei VW Navarra wehrt sich die Belegschaft gegen uferlose Mehrarbeit
Die Umweltprämie hat die Nachfrage nach Kleinwagen erheblich gesteigert. Da passt der neue Polo von Volkswagen genau ins Konzept des Großkonzerns. Doch wie sieht es mit den Bedingungen aus, zu denen der neue Kleinwagen produziert wird?
Die fünfte Generation des Polo wird in den Werken Spanien, Südafrika sowie als modifizierte Version in Russland gefertigt. Die jeweiligen Fertigungen befinden sich im Anlauf. Mit Hochdruck wird an Qualität und Stückzahl gefeilt, um beides gleichermaßen zu steigern.
Im spanischen VW-Werk leisten die 4.400 Beschäftigten seit Anlaufbeginn Mehrarbeit in Form von Überstunden. Bis auf die Nachtschicht zum Sonntag laufen die Bänder rund um die Uhr.
Volkswagen hat für diese Überstunden schon 3 Mio. Euro bezahlt, ein Ende der Mehrarbeit ist nicht abzusehen. Liegt es nur an der starken Nachfrage, ist das Werk voll ausgelastet und produziert über seine Kapazitäten hinaus – oder wie erklärt sich dieser Mehrarbeits-Wahnsinn?
Ende September besuchte das obere VW-Management den Standort, um festzustellen, dass Qualitäts- und Ablaufprobleme den Produktionsprozess des Polo behindern. Diesen Zustand bemängeln die ArbeiterInnen schon lange bei der Geschäftsleitung des Werkes, die die Probleme allerdings bislang unter den Teppich kehrte. Ihre Lösung war und ist die Kompensation durch zusätzliche Arbeitsleistung der Belegschaft.
Volkswagen Navarra stellte zusätzliche 1500 LeiharbeiterInnen ein, die in Presswerk und Karosseriebau die Stückzahlen sichern sollen. Sowohl die von der Belegschaft geleisteten Überstunden als auch zusätzliche MitarbeiterInnen sorgen zwar halbwegs für das Erreichen der geplanten Stückzahl von 1200 Fahrzeugen pro Tag; dass der Prozessablauf im Ergebnis aber immer noch schlecht läuft, diagnostizierte selbst der hohe Besuch aus Wolfsburg. Er legte der Leitung nahe, weniger Polos zu bauen, um die Qualität in den Griff zu bekommen und auf teure Nacharbeit zu verzichten.
Die Produktionsprobleme im Karosseriebau sind so gravierend, dass es zeitweise zum Stillstand der Bänder kommt. Das hat Auswirkungen auf die gesamte Fabrik, so dass die Montagelinien am Ende der Fertigung vergeblich auf Karosserien warten. Die Produktionsausfälle sorgten bislang für einen Verlust von 9000 Fahrzeugen.
Eigentlich sind Probleme normal für einen neuen Fahrzeuganlauf. Da müssen Geometrien angepasst, Schweißprozesse optimiert und der ganze Fertigungsfluss nach und nach in Gang gebracht werden. Treten schwerwiegende Fehler auf, so steht die Produktion bis zu deren Behebung still. Das Werk Pamplona versucht hingegen mit aller Macht, fertige Produkte rechtzeitig auszuliefern. Und das zu Lasten der ArbeiterInnen.
Die basisdemokratische Gewerkschaft Confederación General del Trabajo (CGT) rief jeweils Ende September sowie Anfang Oktober zum Streik auf. Während die im Betrieb agierenden Mehrheitsgewerkschaften Comisiones Obreras (CCOO) und Union General del Trabajo (UGT) von Anfang an die Entscheidungen zur Mehrarbeit und Einstellung von zusätzlichen Leiharbeitskräften mit trugen, kritisiert die CGT, dass grundlegende Qualitätsmängel nicht durch mehr Arbeitskräfte zu beseitigen sind. Die ArbeiterInnen müssen in der Nacharbeit die Produktionsfehler beheben. Das ist keine Ursachenbekämpfung oder Vermeidung dieser Fehler. Der Werksleitung sowie den ihr wohlgesonnenen Gewerkschaften geht es einzig und allein um das Erreichen der Stückzahlen, koste es, was es wolle. Denn Nachfrage gibt es für den Polo dank der Umweltprämie zur Genüge.
Neben der Forderung nach einer Rücknahme der Mehrarbeit erstattet die CGT auch regelmäßig Anzeige bei Arbeitsschutzbehörden. Doch statt einer Einstellung der Arbeitsbelastung werden, wenn überhaupt, die verhängten Strafen von der VW-Geschäftsleitung gezahlt.
Aufgrund dieser Zustände sieht sich die CGT zum Arbeitskampf verpflichtet, denn sie zweifelt nicht daran, dass ein Ende der Überstunden auch ein Ende des Leidens in der Fabrik bedeutet. Mit dem Ende der Mehrarbeit müsste das Unternehmen beginnen, die organisatorischen Probleme zu lösen.
Mit dem Streik am 26. September, der trotz Streikbrecher-Einsatz die Produktion um 25% drosselte, sowie dem nachfolgenden Streik am 03. Oktober drückte die Belegschaft ihren Unmut über diese Bedingungen aus und forderte ein Ende der Überstunden-Anhäufung sowie “die Krankheit anzugreifen, und nicht die Symptome zu lindern”.
Es ist nicht das erste Mal, dass die CGT gegen Überstunden mobilisiert. Anfang dieses Jahres hatte die Betriebsgruppe der CGT eine Kampagne gegen Überstunden in die Öffentlichkeit getragen. AktivistInnen verteilten an den freiwilligen Arbeits-Samstagen zahlreiche Flugblätter in der Fabrik sowie vor den Werkstoren. Die Gewerkschaft veranstaltete zusammen mit der baskischen Gewerkschaft Languille Abertzale Bartzrdeak (LAB) Kundgebungen in Pamplona/Iruña sowie eine Vollversammlung in der Fabrik.
Bezugnehmend auf die LeiharbeiterInnen lobt die Regierung von Navarra Volkswagen “für die neu geschaffenen Arbeitsplätze”. Dass es sich dabei um prekäre Arbeitsverhältnisse handelt, bleibt unerwähnt. Darüber hinaus dürfte die Regierung mit ihrem standortpolitischen Blick nicht darüber erfreut sein, dass von den eingestellten Leiharbeitern ein Teil aus Deutschland kommt, was zumindest keine Arbeitsplätze in Pamplona schafft.
Die Arbeitsüberlastung der Belegschaft sowie der LeiharbeiterInnen im Volkswagenwerk ist nicht hinnehmbar. Die Basisgewerkschaft CGT wird deshalb weiterhin mit Arbeitskämpfen versuchen, die Bedingungen zu Gunsten der ArbeiterInnen am Standort Pamplona zu ändern.
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