Besetzungen, Demonstrationen, Blockaden
und Streiks sind bislang die Kampfmittel, mit denen hauptsächlich
Studierende und SchülerInnen auf die kapitalistischen Umwälzungen
in den öffentlichen Bildungsinstitutionen reagieren. Aber ihre
Betroffenheit und Wut speisen sich nicht nur aus universitäts- und
schul-internen Belangen, sondern resultieren oftmals genauso aus
ihrer gesellschaftlich-ökonomischen Situation. Der Fokus der
Proteste richtet sich insbesondere auf Themen wie die Kritik am
Bachelor/Master-Abschluss und fordert die „Demokratisierung des
Bildungssystems“ und die „soziale Öffnung der Hochschulen“.
Daneben gibt es aber auch einen starken Flügel innerhalb der
Protestbewegung, der die libertäre Forderung nach selbstbestimmtem
Leben und Lernen bzw. die Abschaffung der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse vertritt.
Einer der zentralen Punkte, gegen den
sich die Studierenden aufbäumen, ist die rigorose Umstellung der
meisten Studiengänge von Magister oder Diplom auf das
Bachelor/Master-System, das Regelstudienzeiten sowie einen sehr hohen
Leistungs- und Prüfungsdruck mit sich bringt. Für den Kapitalismus
ist diese Abwicklung des Studiums günstig, denn dadurch werden
schnell viele billige akademische Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt
gepumpt. Gleichzeitig stärkt die Umstellung auf Bachelor/Master
autoritäre Strukturen, wie sie beispielhaft an deutschen Schulen zu
finden sind. Die streng geregelte Ausbildung zum Bachelor liefert dem
Staat und der Wirtschaft die unkritischen FachidiotInnen, die nötig
sind, um die Ausbeutung der arbeitenden Klasse effizient und
widerspruchslos zu gestalten.
Daneben haben sich die SchülerInnen
und StudentInnen vor allem die „Demokratisierung des
Bildungssystems“ auf die Fahnen geschrieben; das meint
beispielsweise eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte studentischer
Gremien oder SchülerInnen-Vertretungen. Die Forderung wendet sich
aber auch gegen die zunehmende Einflussnahme äußerer Kräfte.
Änderungen in den Landeshochschulgesetzen (LHG) garantieren
neuerdings sogenannten Hochschulräten, in denen viele VertreterInnen
der Wirtschaft sitzen, mehr Möglichkeiten der Einflussnahme auf
universitätsinterne Abläufe. Bei den aktuellen Gesetzesänderungen
in Rheinland-Pfalz ist es grob gesagt so: Während der Hochschulrat
mehr Macht gewinnt, beschneiden Neuentwürfe des Hochschulgesetzes
die Mitsprachemöglichkeiten von StudentInnen, ArbeiterInnen und
wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Der Hochschulrat, den es
inzwischen an jeder Universität in der Bundesrepublik gibt, ist ein
„am Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften orientiertes
Kontrollgremium“, das von neoliberalen Think-Tanks wie der
Bertelsmann Stiftung oder dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)
erfolgreich eingefordert wurde.
Unter den vielen Themen des
Bildungsstreiks 2009 zählt das Thema „soziale Öffnung der
Hochschulen“, zu den wichtigsten. Denn Studiengebühren,
Zulassungsbeschränkungen und finanzielle Abhängigkeiten schließen
bestimmte Klassen der Gesellschaft von der universitären Bildung
tendenziell aus. Die Kritik der Protestierenden greift hier zu kurz,
denn die Forderungen sprechen lediglich Selektionsmechanismen an den
Hochschulen an, nicht aber soziale Ungleichheit, Herrschaft oder
Ausgrenzung außerhalb der Unis.
Die Organisation des Bildungsstreiks
hängt stark von den offiziellen Gremien der Studierendenschaft (AStA
bzw. StuRa) ab, ist aber letztlich dezentral und wird von
verschiedenen Bewegungen getragen. Obwohl weite Teile des
Bildungsstreiks den Kapitalismus nicht in Frage stellen, gibt es
starke Kräfte in ihm, die Änderungen auch jenseits der Universität
oder Schule einfordern. Unter denjenigen, denen es nicht ausreicht,
dass der Staat seinen Bildungsetat erhöht oder die LHG ändert,
findet sich auch eine beachtliche Anzahl libertärer Individuen, die
in den anarchosyndikalistischen Gruppierungen ASJ oder FAU
organisiert sind. Gemeinsam mit GenossInnen aus anderen kämpferischen
Bewegungen fordern sie freie Bildung in einer freien Gesellschaft
ein. Solange von den Forderungen nur wenig bis gar nichts umgesetzt
wird, bleibt zu hoffen, dass auch im Jahr 2010 weiter besetzt,
gestreikt, blockiert und demonstriert wird.