Pünktlich zum Jahresbeginn möchten wir an dieser Stelle einige neue Bücher vorstellen. Besonders hervorzuheben ist dabei das „Counter-Power“-Projekt von Lucien van der Walt und Michael Schmidt, das einen wichtigen Beitrag zur syndikalistischen Theoriebildung darstellt. Die zentrale Annahme des Buches – die die Autoren historisch zu belegen versuchen – ist, dass es die „Klassenpolitik“ insbessondere des Syndikalismus war, die einst den Anarchismus hat zu einer Massenbewegung werden lassen. Demgemäß bezeichnen sie den Klassenkampfansatz als „Zündstoff der schwarzen Flamme“. Dabei entwerfen sie u.a. eine Systematik für die taktischen, strategischen und methodischen Fragen in der Arbeiterbewegung, um zu einem besseren Verständnis konzeptioneller Differenzen jenseits der meist nur identitären Selbstzuschreibungen (kommunistisch, marxistisch, kollektivistisch usw.) zu kommen, welche falsche Trennlinien schaffen und reelle Trennlinien oftmals verdecken. Das daraus resultierende Anarchismus-Verständnis mag für viele provozierend sein, es darf dabei aber nicht unterschätzt werden, dass es auf einer fundierten Systematik beruht, dass es eine Typologie der Bewegungskonzepte ebenso enthält wie eine Genealogie der Bewegungen und Strömungen.
Besondere Beachtung verdient ihr Versuch, die Perspektiven eines klassenkämpferischen Anarchismus anhand der Entwicklung der historischen und politischen Systeme sowie der globalen Arbeiterklasse auszuloten. Die Bedeutung der anarchistischen bzw. syndikalistischen Konzeption wird hier v.a. im Kontext kapitalistischer Akkumulationszyklen und Krisen sowie systemischer Hegemonien (über den Ost-West-Konflikt und den Neokolonialismus hin zum Neoliberalismus) zu verstehen versucht. Das Urteil ist für die Autoren klar: Zum einen weist die gegenwärtige neoliberale Phase wesentliche Gemeinsamkeiten mit jener Phase auf, in der der Syndikalismus seinen Aufstieg erlebte, zum anderen war die Ausbeutungs- und Proletarisierungsrate auf der Welt noch nie so hoch wie heute, was die Aktualität des Klassenkampfes verdeutlicht.
Nicht zuletzt wird dem Anarchismus/Syndikalismus ein großes Potential als Alternative zu gescheiterten politisch-ökonomischen Konzepten (insbesondere der zentralen Planwirtschaft) attestiert. Es sind v.a. diese Punkte, die es spannend machen, das Buch in Verbindung mit anderen Neuveröffentlichungen zu setzen.
Dazu gehört zum einen Karl Heinz Roths Bilanzierung der aktuellen Krise (in Verbindung mit vergangenen Krisenentwicklungen), die eine Hintergrundfolie für seinen bald folgenden Band über globale Proletarisierung darstellt.
Im Weiteren von Interesse ist der von Roth und van der Linden herausgegebene Sammelband Über Marx hinaus, der einen Beitrag zu einem Neuverständnis des Klassenbegriffs und damit auch der Widerstandsmöglichkeiten bieten möchte.
Die Hintergrund-Redaktion hofft, den LeserInnen ein paar spannende Lektüreanreize geben zu können. Denn ohne Zweifel bieten sich diese Neuveröffentlichungen bestens als geistiges Rüstzeug für ein möglicherweise heißes Jahr 2010 an.
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