Es waren von jeher die 9er Jahre, die unser Leben prägten. Man denke nur an die Gründung der Weimarer Republik 1919, den schwarzen Freitag 1929, den Weltkriegsbeginn 1939 oder die Zweistaatenlösung 1949. Von der Mondlandung 1969 oder der Reichssüdfrüchtenacht 1989 will ich hier gar nicht erst anfangen. Die „9“ ist eine Schicksalszahl, und insofern war ich äußerst gespannt, was uns das Jahr 2009 bescheren würde. Weltkrieg? Revolution? Marslandung? Aber nichts dergleichen. Auf den ersten Blick wirkt das Jahr 2009, nun da es vorbei ist, so aufregend wie Damenunterwäsche vom Kik-Verbrauchermarkt und so spannend wie ein Curling-Turnier. Sieht man aber genauer hin, so ist es ein Jahr des Abschieds gewesen – des Abschieds von lieb gewonnenen Traditionen und Sicherheiten. Man nehme nur das Nobelpreiskomitee, das (ausgerechnet im Darwin-Jahr) endgültig die Aufklärung zu Grabe trug, indem es Präsident Obama den Friedensnobelpreis verabreichte und so den Weg freimachte für die im kommenden Jahr anstehende Verleihung des Biologienobelpreises an Papst Benedikt XVI. Und das ist gut so. Denn – wie uns wenig später der SPIEGEL ausführte – „Islam und Christentum werden die prägenden Kräfte bleiben, auch wenn kein Schulkind mehr weiß, wer Marx und Nietzsche gewesen sind.“ Und das wird sicher schon bald der Fall sein. Unsere aus Twitter- und Facebook-Seiten digital herausdestillierte neue Familienministerin weiß es sicher heute schon nicht mehr. Dafür weiß unser neuer Außenminister, dass „in Deutschland deutsch (und nur deutsch) gesprochen wird“ und vollzog so gleich den Abschied von der Weltgemeinschaft, ganz ohne Schützenhilfe von Erika Steinbach und ihrem Mentor Horst Seehofer, deren geplanter Abschied von der Oder-Neiße-Grenze in diesem Jahr leider nicht mehr stattfinden konnte. Dafür verabschiedete sich die Deutsche Bahn endlich von ihrem Kerngeschäft, der Personenbeförderung. Für ihr neues Tätigkeitsfeld der höchsttechnisierten High-End-Sterbehilfe konnten bedeutende Werbeträger wie Ratiopharm-Gründer Adolf Merckle oder Nationaltorhüter Robert Enke gewonnen werden. Nur Michael Jackson durfte die Hilfe der Bahn nicht in Anspruch nehmen. Der wurde in Kalifornien totgespritzt, und das, obwohl man ihm den jahrzehntelangen Missbrauch von Kindern nicht letztgültig nachweisen konnte. Darüber hätten wir beinahe auch Abschied von unserer geliebten Popkultur der achtziger Jahre nehmen müssen. Aber Dave Gahan überstand seinen mit dem jahrelangen Tragen hautenger Latex-Unterwäsche ehrlich erarbeiteten Hodenkrebs ebenso souverän, wie Madonna die Anzeigen wegen Kindesentführung und Menschenhandel. Dafür wurde Ex-Verteidiger Franz-Josef Jung samt Generalinspekteur und Staatssekretär verabschiedet. Warum genau, konnte zwar noch nicht vollständig ermittelt werden, aber es soll wohl mit der erschütternden Entdeckung zu tun haben, dass im Krieg Menschen sterben, auch wenn man sich weigert, ihn Krieg zu nennen. Von der Wucht dieser Erkenntnis getroffen, nahm dann auch Neu-Verteidiger Karl-Theodor von und zu Guttenberg postwendend Abschied von der Vorstellung, man könne in Afghanistan eine Demokratie errichten. Zum einen, so Guttenberg, weil es ein paar folkloristische Eigenarten (wie Burkas und Steinigungen) schon braucht, um einen Volkskörper zusammenzuhalten. Zum anderen, weil es ja früher auch hierzulande andere erfolgreiche Gesellschaftsmodelle gab. Von und zu Guttenberg: „Dafür stehe ich mit meinem Namen!“ Apropos „stehen“: Auch von der amüsanten Vorstellung, Oskar Lafontaine habe Sarah Wagenknecht gepoppt, mussten wir uns leider verabschieden. Der Grund für Lafos plötzliches mediales Abtauchen war wohl eher gegenteilig – nämlich Prostatakrebs. Schade. Ähnlich schade, wie der nunmehr endgültige Abschied von Kündigungsschutz, Rente, Mindestlohn und einer possierlichen Ex-Volkspartei namens SPD. Doch immerhin: Das Instrument ihrer verdienten Verabschiedung, die Agenda 2010, können wir nun gleichfalls verabschieden. Und auch wenn nicht alle Ziele der Agenda erreicht wurden, so doch immerhin das wichtigste: Endlich werden wir wieder von CDU und FDP regiert, wie es sich für Deutsche gehört. Artgerechte Bodenhaltung sozusagen. Danke 2009!
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