Staatsanwalt fordert jetzt Verurteilung wegen „Erzeugung einer öffentlichen Gefahr“ statt „internationalem Terrorismus“
Wie wir in der Direkten Aktion Nr. 198 berichteten, wurden die sechs serbischen AnarchistInnen, die als „Belgrad 6“ bekannt geworden sind, am 17. Februar gegen Kaution freigelassen. Zuvor hatten sie aufgrund einer Anklage wegen „internationalem Terrorismus“ mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft verbracht. Zur Last gelegt wird ihnen ein Brandanschlag auf die griechische Botschaft in Belgrad, bei der ein Sachschaden in Höhe von 18 Euro (sic!) entstanden war. Am 23. März fand der zweite Verhandlungstag statt, bei dem die erneut zahlreich erschienene Öffentlichkeit nicht zugelassen wurde. Dafür erfuhren die Beklagten und ihre Anwälte, dass die Anschuldigung nun nicht mehr auf „internationalen Terrorismus“ sondern auf „Erzeugung einer öffentlichen Gefahr“ lauten würde. Ein entsprechender Änderungsbescheid der Staatsanwaltschaft war erst am Vortag des zweiten Prozesstages dem Gericht zugestellt worden. Die Akten zu diesem geänderten Verfahren sind im wesentlichen mit denen des ursprünglichen identisch. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Aufgrund des öffentlichen Drucks hat sich der Chefankläger entschieden, den Vorwurf, der Anschlag sei von der „Anarcho-syndikalistischen Initiative“ (ASI-IAA) ausgeführt worden, fallenzulassen. Der nächste Verhandlungstag wurde auf den 23. April festgesetzt.
Neben der Herabstufung des möglichen Strafmaßes im Falle einer Verurteilung gibt es allerdings wenig Positives zur Situation der serbischen GenossInnen zu berichten. Die kleine, anarcho-syndikalistische Bewegung des Landes steht im Zusammenhang mit dem Verfahren nach wie vor unter strenger Beobachtung von Polizei und Geheimdiensten und ist vielfachen Repressalien ausgesetzt. So wurden beispielsweise bereits im Oktober 2009 drei Mitglieder der ASI aus Vršac mit einem Verfahren überzogen, weil sie Plakate mit der Forderung nach Freilassung der Inhaftierten geklebt haben sollen. Zum Einsatz kam dabei erstmals ein neuer Paragraph des serbischen Strafrechts, das die „Behinderung der Justiz“ unter Strafe stellt. Eine Anklage wegen des gleichen umstrittenen Paragraphen wurde auch gegen zwei AktivistInnen erhoben, die während des ersten Prozesstages ein Schild mit der Aufschrift „Anarchismus ist nicht Terrorismus“ gezeigt hatten. Beide, eine Genossin mit serbischem Pass und Wohnsitz in Wien und ein kroatischer Genosse, wurden zunächst in Untersuchungshaft gehalten und dann freigelassen. Allerdings wurden ihre Pässe eingezogen und es wurde ihnen verboten, bis zu ihrem Prozess Serbien zu verlassen.
Als nach Freilassung der ASI-GewerkschafterInnen bekannt wurde, dass einige der Inhaftierten im Knast verprügelt oder gefoltert worden waren, haben verschiedene Medien des Landes ausführlich über diese Vorfälle berichtet. Die Justiz prüft derzeit angeblich, ob sie Verfahren einleiten soll. Allerdings haben verschiedene Stellen die Vorgänge bereits dadurch zu relativieren versucht, dass man darauf verwies, dass diese nicht über das „übliche Maß“ an Gewalt in serbischen Haftanstalten hinausgegangen seien.
Die FAU und die „Anarcho-Syndikalistische Jugend“ (ASJ) haben in der BRD mittlerweile eine ganze Reihe von Solidaritätsaktionen für die serbischen GewerkschafterInnen organisiert. Zeitgleich wurde Geld zur Unterstützung der GenossInnen gesammelt und bis Anfang April fast 1.000€ übergeben. Die Aktionen wurden nach der Freilassung der „Belgrad 6“ gegen Kaution zunächst ausgesetzt. Es finden jedoch weiter Informationsveranstaltungen zur Situation in Serbien in verschiedenen Städten statt.
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