In Deutschland wird der Arbeitskampf traditionell als Tarifauseinandersetzung gedacht. In diesem Rahmen treten die gewerkschaftlichen Vertreter des Arbeitskampfes einerseits extrem verbalradikal auf, indem sie zum Beispiel behaupten, nicht unter bestimmte Forderungen zu gehen, oder dadurch dass sie mit „französischen Zuständen“ drohen. Andererseits wird selbst der klassische Streik, das „Rausgehen“ bis zum letzten Moment hinausgezögert und wenn möglich gar ganz vermieden. Das Ganze ist der Ideologie geschuldet, wonach ein offener Arbeitskampf nur die „ultima ratio“ und eben nicht das naheliegendste Mittel der Arbeiterschaft wäre. Auf der anderen Seite können auch die Bosse und ihre Verbände einen Arbeitskampf führen. In den „heißen Phasen“ ist ihr gerichtlich anerkanntes Instrument die sogenannte Aussperrung.
Jenseits von Verhandlung, Schlichtung, Streik und Aussperrung gibt es jedoch zahlreiche weitere Methoden des Arbeitskampfes. So verstehen sich die Bosse sehr gut darauf, das Kampfterrain kurzerhand zu verlegen: raus aus dem Betrieb, hinein in die Gerichte. Oftmals hagelt es förmlich Klagen vor den verschiedensten Gerichten und auch einstweilige Verfügungen mit den wahnwitzigsten Inhalten sind ihr Begehr. Den kämpfenden Belegschaften und ihren Organisationen soll und wird so nur allzu oft eine langwierige und kräftezehrende Spiegelfechterei vor angeblich neutralen Gerichten und auf Grundlage ebensolcher Gesetze aufgezwungen. Weitere Mittel, um klassische Arbeitskampfmaßnahmen der ArbeiterInnen zu sabotieren, sind zum Beispiel die Befristung von Verträgen, mit der Gefahr, dass diese vor, während oder nach einem Arbeitskampf einfach nicht verlängert werden, oder auch die Gestaltung des Dienstplanes und die (Nicht-)Zuweisung von Schichten.
Zum Glück ist die Arbeiterschaft aber nicht machtlos. So können sowohl die in Gewerkschaften organisierten als auch die sog. unorganisierten Beschäftigten auf einen weit größeren Fundus an Maßnahmen zurückgreifen, als gemeinhin angenommen wird. Einige dieser Maßnahmen sind so spektakulär, dass sie es bis in die Mainstream-Medien schaffen. Dazu gehört zum Beispiel das sog. „Bossnapping“, das wir aus Frankreich kennen. Andere Maßnahmen scheinen weniger spektakulär, sind in Zeiten sich verschärfender Auseinandersetzungen aber vielleicht insgesamt richtungsweisend. In diese Kategorie fallen zum Beispiel eine Reihe von Betriebsbesetzungen, die es in den letzten Jahren wieder verstärkt in Europa und sogar Deutschland gegeben hat. Betriebsbesetzungen verhindern zum Beispiel den Einsatz von Streikbrechern, und sie bieten sogar die Perspektive einer selbstorganisierten Produktion. Kämpferische Gewerkschaften setzen auch schon mal auf Boykott. „Dienst nach Vorschrift“ und „Bummeln“ sind ebenfalls Taktiken sowohl des alltäglichen betrieblichen Guerillakampfes als auch im „heißen Arbeitskampf“. All diese Maßnahmen werden besonders dann ergriffen, einzeln oder in Kombination, wenn ein offener Streik nur wenig Aussichten auf Erfolg hat. So kann das gezielte Bummeln, kollektiv angewendet, einen erheblichen Druck auf den Boss ausüben, ohne dass er dabei Einzelnen etwas vorwerfen könnte.
In den 1980/90er Jahren rieten die „glücklichen Arbeitslosen“ ihren lohnarbeitenden KollegInnen in einer Broschüre, dass sie „Lieber krank feiern als gesund schuften“ sollten. Leider wurde dieser Rat in Deutschland wohl noch nie kollektiv und systematisch eingesetzt. Nicht nur, dass die Gewerkschaft damit von der Zahlung des Streikgeldes befreit wäre, da ja der Boss im Krankheitsfall die Löhne weiterzahlen muss; damit entstehen dem Boss sogar zusätzliche Kosten, da er ja für die Zeit neue Leute als Vertretung einstellen muss.
In diesem Sinne: „Wenn sie nur so tun als würden sie uns bezahlen, tun wir nur so als würden wir arbeiten!“