Die FAU Berlin gewinnt Prozess um Gewerkschaftsfreiheit. Ein Interview mit der „Verbots-AG“
Gratulation zunächst einmal. Hat sich mit diesem Erfolg auch die Verbots-AG selbst abgeschafft?
Rob: Verbots-AG ist tatsächlich die formell korrekte Bezeichnung. Cool Kids nennen uns jedoch das „Anti-Prohibition Team“. Aber ja, wir werten derzeit nur noch unsere Arbeit aus und erledigen die letzten Aufgaben. Das Mandat der Arbeitsgruppe war zeitlich begrenzt auf den Zeitpunkt, bis das Verbot gekippt wurde. Wir haben unseren Beitrag zur Mission erfüllt.
Worin bestand euer Mandat genau?
Benny: Wir waren dafür zuständig, das Verfahren politisch zu flankieren. Mit der einstweiligen Verfügung gegen die FAU Berlin wurde endgültig klar, dass der Konflikt eine andere Ebene erreicht hatte, die über den betrieblichen Kampf im Babylon Mitte hinausging. Das machte ein arbeitsteiliges Konzept notwendig. Neben der betrieblichen Arbeit unserer Betriebsgruppe im Kino, kümmerte sich unser Sekretariat um die juristische Betreuung und wir uns halt um die politische Dimension der Angelegenheit. Das Ganze geschah in engen Absprachen. Die strategischen Leitlinien unserer AG und die personelle Besetzung wurden dabei auf Vollversammlungen festgelegt.
Die da wären?
Pablo: Erstmal ging es darum, den Fall zu skandalisieren sowie Öffentlichkeit und Solidarität herzustellen. Ein weiteres Ziel war es, die Prozesse so zu nutzen, dass wir öffentlichen Druck auf die Geschäftsführung des Kinos zurückleiten, um unsere Leute im Betrieb zu stärken, aber auch, dass wir unserer Organisation Rückenwind verschaffen. Für die damit verbundenen Aufgaben wurden vier bis fünf verantwortliche Personen in die AG gewählt. Andere, wie zum Beispiel ich, arbeiteten unverbindlich mit.
Wie sahen die Aufgaben konkret aus?
Jens: Da gab es verschiedene Felder, z.B. die Informationspolitik: Materialien erstellen, die Webpräsenz pflegen und die Korrespondenz mit zahlreichen Gruppen im In- und Ausland. Dann machten wir noch aktive Bündnisarbeit und waren auch für die aktionistischen Sachen zuständig. So organisierten wir Aktionen in Berlin, wie die Demonstration im Februar, oder bereiteten den internationalen Aktionstag vor. Es lässt sich gar nicht alles aufzählen, was wir im letzten halben Jahr gemacht haben.
Seid ihr zufrieden mit eurer Arbeit?
Florian: Man hätte sicherlich einiges besser machen können, auch wenn wir uns den Arsch nur in unserer Freizeit aufreißen. Mit der öffentlichen Resonanz sind wir relativ zufrieden, und die internationale Solidarität war überwältigend. Das Echo und die Solidarisierung in Deutschland waren dagegen etwas enttäuschend. Gut, dass wir da auf die Bundes-FAU und die ASJ zählen können. Auch dem Soli-Komitee für Gewerkschaftsfreiheit und der NEA sind wir zu Dank verpflichtet. Im Großen und Ganzen scheinen sich hierzulande noch zu wenige über die Bedeutung gewerkschaftlicher Kämpfe bewusst zu sein. Aber der Klassenkampf von oben und positive Beispiele der Gegenwehr von unten werden wohl auch in Deutschland zu einer Trendwende führen. Wir sind zuversichtlich, dass wir alle zukünftig auf mehr Unterstützung in einer stärker werdenden Bewegung zählen können.
Wie heikel war es, auf die Gerichte zu vertrauen?
Holger: Natürlich darf man sich da keine Illusionen machen. Aber selbst wenn wir chancenlos wären, auch die alten AnarchistInnen wussten schon, dass man Prozesse politisch nutzen muss. Diese nicht zu führen, bedeutet also auch, darauf zu verzichten, unsere Organisation und unsere Kämpfe bekannter zu machen. Das lässt sich nicht mit Geld bezahlen.
Aber hätte man das nicht im Betrieb durchsetzen können oder sollen?
Pablo: Zur Betriebsarbeit steht das nicht im Widerspruch, allein schon weil das Öffentliche eine wichtige Rolle spielt bei einem Kampf in einer halbkommunalen Einrichtung. Da führen wir ja auch Druck zurück. Natürlich wäre es uns lieber, wir würden die Bosse direkt zu unserer Anerkennung zwingen. Aber da sind die Kräftekonstellationen andere. Unsere Betriebsgruppen gehen schon so weit wie so können.
Rob: Was hätte es genutzt, bestimmte radikale Aktionen durchführen, wir aber die Konsequenzen nicht auffangen können? Außerdem bedarf es ja auch der Leute, die dazu willig sind und die Gefahren kennen. Dieses Selbstbewusstsein entsteht in den Kämpfen und Organisierungsprozessen. Das müssen wir aufbauen, das kann man nicht herbeireden. Bestimmte Entwicklungsstufen werden wir nicht überspringen, indem wir am lautesten die radikalsten Phrasen schreien.
Was hat das dann mit direkter Aktion zu tun?
Holger: Man muss eben schauen, wie weit man momentan gehen kann. Umso größer wir sind, umso mehr Risiken können wir auffangen. Klar, das Ziel muss in den Mitteln enthalten sein. Damit meinen wir erstmal unsere basisdemokratische Organisation. Nicht jede Aktion muss aber gleich alles in Frage stellen. Die Mittel heilig zu sprechen, bringt uns ebenso wenig wie das Prinzip des „Mittels zum Zweck“. Das wäre ja Fundamentalismus. Das bringt uns zwar Pluspunkte beim heiligen Bakunin, führt uns aber nicht aus dem Elend. Was hat der unbefleckte Anarchosyndikalist von seinen Idealen, wenn er allein bleibt und nirgends Wirkungsmacht entfaltet? Im Endeffekt bewirkt er dann noch weniger als ein Reformist. Da müssen wir uns wieder den gesunden Pragmatismus des alten Anarchosyndikalismus aneignen und ihn auf die heutigen Bedingungen anwenden. In anderen Kämpfen mögen die Bedingungen schon wieder anders ausschauen und werden wir größere Schritte gehen können.
Also, was steht an?
Jens: Weiterhin gilt es, unsere Betriebsgruppe im Babylon zu unterstützen. Unsere Präsenz in anderen Betrieben bauen wir gerade aus. Die FAU Berlin ist auf einem guten Weg und wird sicherlich mit weiteren Konflikten von sich reden machen. Das jetzige Urteil war wichtig, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch die Frage der Tariffähigkeit im Raum steht. Im Babylon zumindest sind uns die Hände weitestgehend gebunden. Unsere Rechte als Gewerkschaft müssen wir uns Stück für Stück erkämpfen. Und wir lernen noch – aber schnell.
Und für die Zukunft?
Florian: Organisierung bleibt die Voraussetzung gesellschaftlichen Wandels. Unsere Organisation ist da noch ein zartes Pflänzchen. Babylon ist ein erster wichtiger Schritt, er sollte aber nicht überschätzt werden. Da gilt es, am Ball zu bleiben. Es gibt einflussreiche gesellschaftliche Kräfte, die kein Interesse daran haben, dass sich eine syndikalistische Gewerkschaft auch hierzulande etabliert. Dies durchzusetzen, wird kein Selbstläufer sein. Aber ich denke, die Notwendigkeit, auf ein solches Werkzeug zurückzugreifen, wird immer offensichtlicher.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Weitere Informationen: www.fau.org/verbot
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