Zum Geleit
Holger Marcks (Redaktion Hintergrund) zur Zusammenstellung dieses Rückblicks
Zum Autor: Holger Marcks (29) ist Journalist und Mitglied der FAU Berlin. Seit 2005 bei der DA in wechselnden Ressorts (30 Ausgaben Dienstzeit). Lieblingsspeise: Rollmöpse.
AnarchistInnen von heute neigen bekanntlich dazu, sich konspirativ in staubigen Hinterzimmern zu treffen, ihre Gesichter hinter schwarzem Textilmaterial zu verbergen und in der Manier römischer Schildkrötenformationen auf Demos aufzumarschieren. Wenn sie etwas publizieren, verwenden sie gerne kryptische Kürzel als Autorennamen oder verschwinden gar gänzlich im Schatten eines Anonyms. Von Polizeistaat, Repression und Unheil ist dabei die Rede, ganz so, als mache sich der Staat sehr große Sorgen über eine anstehende anarchistische Erhebung. In Wirklichkeit ist das vor allem eines: tierisch uncool und wenig anziehend, fast schon ein Garant, dass die Bewegung übersichtlich und ungefährlich bleibt. Und es macht – ganz im Gegenteil – eine Bewegung angreifbar, weil sie sich leicht bloßstellen lässt und gängige Klischees bedient, und weil sich nun mal in undurchsichtigen Strukturen leichter wüten lässt.
Anarchosyndikalismus ist nichts, wofür man sich verstecken oder schämen müsste. Das sollte auch in dieser Zeitung zum Ausdruck kommen. Die DA hat deswegen vor geraumer Zeit beschlossen, mit derlei Schrullen bestmöglich zu brechen. Schließlich sind wir ganz „normale“ Menschen – nun ja, fast zumindest. An kauzigem Verhalten und sonderbaren Debatten hat es nicht gemangelt, wie ein Blick zurück beweist. Aber da hat sich einiges geändert. Streitigkeiten um die wortgenaue Auslegung imaginärer anarchistischer Bibeln und rigide Gebote schwarz-roter Taliban kenn’ ich nur noch vom Hörensagen. Ja, man soll angeblich – zwischen all dem bierernsten Gebaren – auch hin und wieder einen Spaß verstehen. Ich hoffe es zumindest, wo ich gerade diese Zeilen schreibe. Das Essen auf den FAU-Kongressen bleibt freilich mies. Zumindest diese Konstante durchzieht noch die Geschichte der FAU.
Trotz der Normalisierung waren aber dennoch Wehklagen zu hören. Die FAU wäre immer noch nicht richtig nahbar und die DA zu unpersönlich. Unsere sagenhafte „Kolumne Durruti“ allein reicht da wohl nicht aus. 200 Ausgaben DA sind ein guter Anlass, das zu ändern. Die Hintergrund-Redaktion hat deshalb ausgewählte GenossInnen gebeten, ihre ganz persönliche Sicht auf die DA darzulegen und Gesicht zu zeigen. Bitte schön: Die DA lässt heute die Hosen runter.
Rubbeln und kleben
Folkert Mohrhof über die DA-Produktion in der Steinzeit
Zum Autor: Folkert Mohrhof (55) ist Verlagskaufmann, und Buchhalter. 1977 Mitbegründer der DA. DA-Redakteur von 1977-1979 und 1986-1991 (39 Ausgaben Dienstzeit). Bis 2008 Mitglied der FAU Hamburg, heute beim ASK Hamburg/VAB Altona.
Als die DA-Redaktion bei unserer FAU-Gruppe in Hamburg lag – und das war viele Jahre lang der Fall –, mussten wir noch ohne Handy, PC und Internet auskommen. Heute kann sich ja keiner mehr vorstellen, unter welchen lächerlichen Bedingungen wir die DA herstellten, die damals noch monatlich erschien. Andererseits waren wir bis zu sechs GenossInnen, die in wöchentlichen Sitzungen diskutierten, die Artikel redigierten, sie „auf Spalte abtippten“ und das Klebelayout der Seiten erledigten. Die Überschriften wurden noch mit Letraset–Klebebuchstaben „gerubbelt“. Unser damals jüngster Genosse fand sogar durch die so erworbenen Kenntnisse nachher eine Anstellung bei der deutschsprachigen Zeitung in Budapest.
Später – ab 1984 hatte ich meinen ersten Computer – konnten wir die Artikel besser abtippen und ohne große Probleme korrigieren. (Vorher mussten wir einzelne Textbausteine herausschneiden, neu tippen und wieder zusammenkleben.) Als dann die ersten Grafik- und Layoutprogramme kamen, speicherte ich immer die fertige Datei auf mehreren Disketten und brachte sie mit dem Wochenendticket nach Göttingen. Dort druckte dann ein Genosse die DA aus bzw. belichtete sie. Manchmal dauerte das zwei Tage, weil die verwendeten Programme nicht immer identisch waren und sich der Seitenumbruch verschoben hatte, da ich eine Schrift „einzubinden“ vergaß. Es war ein großes Rumgemurkse in den Kindertagen des PC-Layouts.
Es kam vor, dass ich erst Sonntag nachts zurückkam, um gleich am nächsten Morgen vor der Arbeit die Druckvorlage in die Druckerei zu bringen. Ein Genosse holte nach dem Druck die fertigen Zeitungen ab. Einen Nachmittag lang packten wir dann die Pakete für den Wiederverkauf. Schließlich mussten abends noch ca. weitere 500 Einzelabos in Banderolen versandfertig gemacht und zur Post gebracht werden. Und zwischendurch: Abo-Verwaltung, Buchhaltung, Abrechnungen für den FAU-Kongress …
Heute freue ich mich immer wieder, in alten DA-Ausgaben Artikel und Kommentare zu finden, die ihre Aktualität nicht verloren bzw. den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Leider hat sich das für die FAU nie ausgewirkt.
Markt der Eitelkeiten
Dörthe Steinicke über den Reifeprozess von DA und FAU
Zur Autorin: Dörthe Steinicke (42) ist IT-Arbeiterin und Mitglied der FAU Frankfurt. Immer wieder mal DA-Redakteurin zwischen 2000 und 2009 (ca. 18 Ausgaben Dienstzeit). Springt gerne in die Bresche.
Jede Organisation braucht einen gewissen Reifegrad, um sinnvoll zu funktionieren. Die Art und Weise, wie eine anarchosyndikalistische Organisation diesen Reifegrad erlangt, ist langwierig und stellt die Beteiligten vor besondere Herausforderungen. Denn mangels basisdemokratischer Tradition mussten wir im „Trial and Error“-Verfahren unsere Ansprüche mit den kleinen und großen Unzulänglichkeiten menschlichen Verhaltens abgleichen. Für die RedakteurInnen der DA galt und gilt vermutlich bis heute: Geduld, viel Geduld!
Es erforderte eiserne Nerven, Redaktionsarbeit für eine Organisation zu leisten, in der eine äußerst geteilte Meinung darüber herrschte, ob es überhaupt Redaktionen geben soll oder ob deren Existenz nicht schon das Prinzip des imperativen Mandates verletze und ob die Publikation von einer Verselbstständigung bedroht sei. In diesem Spannungsfeld bewegten sich die Redaktionen der DA, und sie sahen sich bis noch vor wenigen Jahren mit entsprechenden Ansprüchen seitens einiger FAU-Schreiberlinge konfrontiert. Der Kontakt zu ihnen verlief manchmal genauso langwierig wie wortgeladen. Handelte es sich bei den redaktionellen Korrekturen wirklich nur um Eingriffe, die der besseren Lesbarkeit und der korrekten Grammatik dienten, oder etwa um Veränderungen inhaltlicher Aussagen? Obliegt es der Redaktion, einen zu langen Artikel zu kürzen, oder ist sie verpflichtet, einen uninteressanten, jedoch von einem Syndikat vorgeschlagenen Artikel abzudrucken?
Derartige Fragen mussten in teilweise endlosen, natürlich nächtlichen Telefonaten diskutiert werden. Eitelkeiten der AutorInnen, aber auch Schrullen der Redaktionsmitglieder spielten dabei keine geringe Rolle. Häufig stellte ich mir im Anschluss derartiger Diskussionen, wo es gar um einzelne Worte ging, die Frage: steht der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen? Das Schöne ist: Meine Antwort hat sich mit den Jahren geändert. Früher hätte ich sie klar mit Nein beantwortet; nach 200 Ausgaben kann ich sagen, wir haben gelernt, unsere Ansprüche mit dem Sinnvollen und Machbaren abzugleichen. Ja, die DA ist gemeinsam mit der FAU professioneller geworden und hat sich sowohl organisatorisch als auch inhaltlich gemausert.
Damals in der Szene
Geigerzähler über Müsli und Klassenkampf in der Subkultur
Zum Autor: Geigerzähler (31) ist Musiker und Aktivist. Zwei Drittel Masse des Duos „Berlinska Droha“ und die kleinere Hälfte von „Atze Wellblech“. Mitglied der FAU Berlin. Drückt sich ständig vor Beiträgen für die DA.
Als ich noch jung und hübsch war, wohnte ich in einem (ex-)besetzten Haus. Die BewohnerInnen waren eher punkig, politischen Aktionen aber nicht abgeneigt. Im Nachbarhaus hatte sich eher die Hippiefraktion einquartiert. Das Verhältnis zu denen war nicht immer entspannt. Wir waren ihnen zu laut und sie uns zu müslihaft. Einige von ihnen betrieben im Erdgeschoss gar einen Bioladen mit Food-Coop. Wir gingen lieber zu Bolle klauen, solange bis Bolle zu Extra wurde und Extra wegen Unwirtschaftlichkeit Lidl Platz machte.
Im Bioladen klauten wir nicht. Konnten wir ja nicht bringen. Ich ging trotzdem manchmal hinein, denn dort lag diese Zeitung, die mich interessierte, und zwar in großen Stapeln. Ich vermute, es war die Phase, wo die Auflage in einem Anfall von Größenwahn auf 10.000 erhöht werden sollte. Ich begann bald, den Stapel etwas zu verkleinern, indem ich ein paar Exemplare in den umliegenden Besetzerkneipen verteilte. Doch in der „Szene“ interessierte sich niemand so richtig für Arbeitskämpfe. Nahm man Worte wie „Klassenkampf“ oder „Gewerkschaft“ in den Mund, lief man Gefahr, ausgelacht zu werden. Mich frustrierte das sehr, weil ich gerade ein paar Scheißjobs hinter mir und parallel dazu diese dicke Durruti-Biographie gelesen hatte. Die DA zeigte mir damals, dass ich nicht gänzlich allein war und Arbeiteranarchismus sogar recht hübsch gelayoutet sein konnte. Zugleich spiegelte sie auch die Schwäche der Bewegung wieder. Einige Artikel waren schlicht unlesbar, andere ließen die DA wirken wie ein Organ zur Wahrung glorreicher Historie – ohne Bezug zum Hier und Jetzt.
Nach 15 Jahren hat sich einiges verändert. Heute darf ich in der „Szene“ von Klassenkämpfen reden, ohne ausgelacht zu werden, und die FAU ist auf dem besten Weg von einer reinen Ideenorganisation zu einer Gewerkschaft. Die DA hat, trotz mancher Qualitätsschwankungen, einen großen Anteil daran. Allein die Tatsache, dass alle zwei Monate eine Zeitung erscheint, die sich jenseits subkultureller Selbstbezüglichkeit eines Gros der anarchistischen Szene am realen kapitalistischen Alltag orientiert, ist nicht zu unterschätzen. Und ich meine, die DA wird zusammen mit der FAU an den Arbeitskämpfen, die sie begleitet, wachsen und gedeihen.
Sonnenstrahl durch die Gitterstäbe
Thomas Meyer-Falk über die DA und Knastarbeit
Zum Autor: Thomas Meyer-Falk (39) ist Gefangener in der JVA Bruchsal (1996 wegen Bankraubs verurteilt). Schreibt gelegentlich für die DA. Gerade erschien sein Buch „Nachrichten aus dem Strafvollzug“ im Blaulicht-Verlag.
Weitere Infos: www.freedom-for-thomas.de
Es mag an die zehn Jahre her sein, dass die Justizvollzugsanstalt Bruchsal ein Exemplar der DA als „vollzugsfeindlich“ einstufte und mir vorenthielt. Auch wenn heute solche Eingriffe in die Presse- und Meinungsfreiheit – zumindest in der JVA Bruchsal – die Ausnahme sind, bedeutet dies nicht, dass sich die Situation hinter Gittern und Mauern, wo die DA auch gerne gelesen wird, verbessert hätte. Gefangene leiden unter den sich verschärfenden wirtschaftlichen Verhältnissen ebenso wie ArbeiterInnen außerhalb der Knastmauern. Sie müssen das letzte, was ihnen verblieben ist, ihre Arbeitskraft, zu Bedingungen verkaufen, die ihnen die Justiz diktiert.
In dieser Hinsicht ist die DA wie ein Sonnenstrahl, der durch die Fenstergitter bricht: Sie bietet qualifizierte Information, historische Rückblicke, eine politische Alternative zum etablierten System und Anregungen, sich zur Wehr zu setzen. Bei allem Enthusiasmus ist jedoch festzuhalten, dass die Bereitschaft, gegen die Arbeitsbedingungen vorzugehen, noch unterentwickelt ist, mögen die Lohnkürzungen, die den Gefangenen verordnet werden, auch noch so radikal sein.
200 Ausgaben der DA haben gezeigt, wie wichtig es ist, den ArbeiterInnen eine Stimme zu geben – auch denen, die im Gefängnis sitzen. Gratulation an alle, die in den vielen Jahren die DA geschaffen und erhalten haben. Für eine kraftvolle Alternative!
Aber politisch korrekt, bitte!
Julia Hohmann über weltbewegende Diskussionen in der DA-Redaktion
Zur Autorin: Julia Hohmann (29) ist Studentin. und Mitglied der FAU Lich. 2004 bis 2005 BuG-Redakteurin für die FAU Frankfurt (sechs Ausgaben Dienstzeit). Großstadtflüchtling, bevorzugt die hessische Landluft.
Eine Einigung unter Redaktionsmitgliedern ist grundsätzlich nicht einfach. Aber schwierig und fast brenzlig wird es, wenn nicht nur auf den Inhalt oder auf den richtigen Satzbau geachtet werden muss. Die größten Diskussionen entstanden zu meiner Zeit bei der DA, wenn es um die politisch korrekte Schreibweise ging. Nehmen wir als Beispiel das Binnen-I:
Der eingegangene Text wird vorgelesen. Aber Halt! Schon beim ersten Satz kommt es zu einer Wortmeldung: Wieso steht dort „die Gewerkschafter“, ohne eventuelle Frauen in der Gewerkschaftsgruppe zu berücksichtigen? Eine große Diskussion kommt zustande. Buntes Treiben entsteht – während mir ganz schwummrig vor den Augen wird. Was geht hier vor sich? Die Köpfe der Anwesenden verfärben sich mal von rot zu grün – von weiß zu dunkelrot. Schließlich großes Aufatmen – wir einigen uns auf die gesegnete Endung „Innen“, welches sämtliches aufgekommenes Adrenalin wieder zur Normalisierung und alle RedakteurInnen wieder zur Beruhigung bringt.
Doch der Artikel ist damit noch lange nicht zu Ende besprochen. Sämtliche Passagen ohne Binnen-I werden auf einen gestellten Antrag hin geändert. Beiläufig wird noch eine Debatte geführt, ob der „AutoR“ nicht auf Vorträge über politisch korrekte Schreibweisen hingewiesen werden sollte. Dieser Punkt wird aber vertagt, da über die Korrektheit der Antragsstellung erst noch einmal abgestimmt werden muss.
Nach zwei Stunden ist man/frau am Ende des Textes angekommen, wo der AutoR ganz beiläufig erwähnt, alle Männer seien bei der geschilderten Aktion festgenommen worden. Was!? Ein Aufschrei hallt durch den Raum. Keiner sitzt mehr auf seinem Platz, wilde Gestikulationen wirbeln die stickige Luft durcheinander und ein zarter Durchzug entsteht – angenehm, kann ich nicht bestreiten. Doch die hervorquellenden Augen hätten mir erspart bleiben können. Bevor es nun zu einer weiteren heftigen Diskussion kommen kann, stellt ein/e MitgliedIn den Antrag, den Text abzulehnen. Dieser wird einstimmig angenommen und man/frau widmet sich dem nächsten Artikel.
Professionalität, igitt!
Hansi Oostinga über den Neuaufbruch in der DA
Zum Autor: Hansi Oostinga (38) ist Kinoarbeiter und Diplom-Politologe. Mitglied der FAU Berlin. Mitglied der DA-Schlussredaktion von 2003 bis 2005 (12 Ausgaben Dienstzeit). Beteiligt an der letzten DA-Blattreform. Friese (trockener Humor und undiplomatischer Kritikstil).
Sommer 2003: Langsam wurde klar, dass der Hartz nicht nur ein deutsches Mittelgebirge ist und dass Dosenpfand die innovative und ökologische Einkommensquelle der Zukunft sein könnte. Demgegenüber stand eine DA, die die besseren Zeiten hinter sich hatte. Wer beim FAU-Kongress nicht rechtzeitig aufs Klo verschwand, bekam eine Funktion in der DA aufgedrückt. Die verschiedenen Teilredaktionen funktionierten dementsprechend auch eher als Briefkästen. Alle zwei Monate wurden die angesammelten Artikel an das Layout geschickt, welches das Ganze dann zusammenklatschte. Gute Artikel und Ausgaben mit weniger als 30 Fehlern pro Seite gab es auch zu dieser Zeit, aber eben nur als Kollateraleffekt einer lustlosen Produktionsweise.
Einige Berliner GenossInnen wollten dies ändern und übernahmen große Teile der DA-Redaktion und -Produktion. Eine Schlussredaktion wurde eingeführt, das Blatt mit neuen Rubriken aufgelockert, die einzelnen Nummern wurden (wieder) in regelmäßigen Redaktionssitzungen geplant, neue AutorInnen wurden gewonnen, eine Werbeoffensive gestartet, mehrere Beilagen mit Auflagen von bis zu 100.000 Exemplaren produziert und einiges mehr.
Wir wollten eine Zeitung, die wir wieder Lust hätten, selbst zu lesen – und zu verkaufen. Tatsächlich verdoppelten sich die Abo-Zahlen und die Aufmerksamkeit für die DA stieg – bis hin zur B.Z., die gegen das „Chaotenblatt“ wetterte. Aber Veränderungen führen wie in jeder Organisation auch bei der FAU zu Widerständen. Berliner Zentralismus, autoritäres Verhalten, Intransparenz und sogar Professionalität (!) wurde uns wahlweise vorgeworfen. Auch aus heutiger Sicht würde ich keinem dieser Vorwürfe zustimmen – leider auch nicht letzterem –, sie kosteten uns aber die Hälfte unserer Zeit. Aber es hat sich gelohnt. Die DA ist zu keinem Zeitpunkt wieder auf das Niveau von davor abgesunken. Im Gegenteil, sie entwickelt sich langsam aber stetig zu dem, was wir brauchen: zu einer ernstzunehmenden kämpferischen Gewerkschaftszeitung.
Bayerischer Eigensinn
Roman Danyluk über eine kleine Schwester der DA und ungehobelte Familienbande
Zum Autor: Roman Danyluk (48) ist Transportarbeiter und Mitglied der FAU München und Redakteur der DAM (erscheint ein bis zwei Mal im Jahr, Auflage: 1.000 Exemplare, Umfang: acht Seiten; kostenlos). Autor von Büchern über die Geschichte der FAU, der Ukraine und des bayerischen Tischtennissports (letzteres nie veröffentlicht).
Kleine Geschwister sind häufig trotzig, provozierend und naiv-selbstbewusst, auch wenn ihnen noch die Rotze aus der Nase läuft und sie – natürlich nur dem kleinen Wuchs geschuldet – zu den Älteren aufschauen. „Mir san mir!“ hallt es denn auch der DA aus der bayrischen Landeshauptstadt entgegen, wenn ich als Repräsentant der Direkten Aktion München (DAM) und damit als quengeliger Nachwuchs aufgefordert werde, mich zu unserer älteren Schwester zu verhalten.
In jungen Jahren geht der Nachwuchs oft eigene Wege. Die DAM zumindest bildet sich ein, offensiver, direkter und agitatorischer als ihre große abgeklärte Schwester zu sein. Es hat aus der DA-Redaktion durchaus schon Stimmen gegeben, die den bayerischen „Sonderfall“ kritisch hinterfragten, besonders wenn sie merkten, dass für uns in München das Lokalblatt eine höhere Priorität hat, als für die bundesweite DA zu schreiben. Immerhin habe ich schon auf den Gängen libertärer Veranstaltungsorte Geraune aufgeschnappt, die DAM sei „ja besser als die DA“. Ob dabei Alkoholika im Spiel waren, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Mangelndes Selbstbewusstsein kann uns wohl nicht nachgesagt werden, eher schon ein typisch bayerischer Eigensinn, den die Menschen im hohen Norden, im wilden Westen und im weiten Osten (bei uns alles mit dem Begriff „Preußen“ zusammengefasst) nicht immer verstehen. Aber bei der aktuellen Ausgabe der DAM ereilte uns doch noch der Sündenfall. Nachdem bisher immer sehr diskret geklaut wurde, ist erstmals der Artikel eines Berliner DA-Redakteurs ganz abgedruckt worden. Ein erster Hinweis zur Fusion? Keine Sorge, der rotzfreche Balg geht seinen Weg weiter, nimmt beleidigt brummelnd manchmal Hilfe in Anspruch und hält sich trotzdem für unwiderstehlich. Schließlich kam ja auch die Idee zu einem Buch über die Geschichte der FAU aus der DAM-Redaktion, das dann folgerichtig von einem ihrer Mitglieder geschrieben wurde.
Als neurotischer „Jubiläumsautor“ gratuliere ich der DA und wünsche ihr noch mindestens 200 weitere Ausgaben – auch wenn dann die DAM ihre große Schwester an Einfluss, Auflage und Qualität längst überflügelt haben wird. Es bleibt ja in der Familie.
Notorischer Spielverderber
Patrick Lohner über das Leben in und mit der Abogruft
Zum Autor: Patrick Lohner (23) ist auszubildender Koch und Mitglied der FAU München. Aboverwalter der DA seit 2008 (12 Ausgaben Dienstzeit). Freizeitlos, verabscheut klandestine Marotten und lange Texte.
Nein, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Eigentlich wollte ich vor zwei Jahren nur den scheinbar urbajuwarischen Drang, sein eigenes Süppchen zu kochen, durchbrechen und als erster aus meiner lokalen Gruppe eine bundesweite Aufgabe in der FAU übernehmen. Eine kleine Aufgabe sollte es sein, nebenher zu erledigen. Als dann der Umzugswagen vorfuhr und mit einem Karton nach dem anderen meine geliebten 30 Quadratmeter in die berüchtigte Abogruft verwandelt wurden, war mir klar, dass da irgendetwas in meinem Vorhaben gewaltig schief gelaufen war.
Spätestens beim Starten der zur Aboverwaltung gehörigen Software wurde es aber dramatisch. Was dort über den Bildschirm flimmerte, war nichts geringeres als Microsoft’s Works 3.0., eine Zumutung, die ich bereits auf meinem ersten Computer 1992 für Dreck befunden hatte. So manches Grauen verfolgt einen eben relativ hartnäckig. Die Daten wurden in unzähligen Nachtschichten manuell in eine brauchbare Umgebung gehackt. Seitdem hat sich viel getan. Wir trotzen tapfer sämtlichen Trends in der Landschaft der Print-Medien. So haben wir konstant steigende Abozahlen, einen kostenlosen Zugang zum Online-Archiv unserer Zeitung und seit Jahren greifen wir nicht noch tiefer in die Taschen unserer LeserInnen, im Gegenteil: ab dieser Ausgabe ist das Abo für unsere LeserInnen im Ausland sogar günstiger!
Zusätzlich habe ich die Rolle des notorischen Spielverderbers inne: Ich haue der Redaktion auf die Finger, wenn sie zu teure Ideen hat, und kappe säumigen BezieherInnen ihr Wiederverkaufsabo, frei nach der Feststellung des Soziologen Max Weber: „Herrschaft ist im Alltag primär: Verwaltung“. Dem kann auch ich mich in der täglichen Praxis nicht restlos entziehen. Aber für solche Fälle haben wir ja die gute alte Ämterrotation. Stellenprofil für die Nachfolgersuche: „Geile, aber anstrengende Stelle an Perfektionistin abzugeben.“ Perfektionismus muss sein. Dieser Beitrag zumindest dürfte der wohl einzige auf dieser Seite sein, der die Vorgabe der Redaktion von 2.000 Zeichen exakt erfüllt.
Spätpubertäre Phase
Felix Zimmermann über die DA-Produktion in Zeiten von Web 2.0
Zum Autor: Felix Zimmermann (24) ist Student der Geschichte und Informatik. Mitglied der FAU Kiel. Layouter für die DA seit 2008 (12 Ausgaben Dienstzeit). Besondere Vorliebe für Katzen, nicht nur schwarze.
Eigentlich layoute ich gar nicht gerne. Die letzten zwei Jahre haben es mir vor Augen geführt. Wie jede mechanische Arbeit wird auch das DA-Layout einem früher oder später langweilig. Zum Großteil ist es immer das Gleiche. Jeder Artikel besteht aus einem Text plus wahlweise Bilder. Diese müssen dann irgendwie zueinander angeordnet werden. Dabei spielt es für den Layouter schon bald keine Rolle mehr, was in den Texten eigentlich drin steht, zählt für ihn doch „berufsbedingt“ nur deren Form. Und so habe ich seitdem keine Ausgabe mehr bewusst gelesen. Als ich 2008 das Mandat auf dem FAU-Kongress übernahm, war das eigentlich nicht so geplant.
Neu im Redaktionskollektiv, fiel mir auf, dass das größte Problem immer die fiese Zeitplanung war. Die Spätschicht für das Layout war praktisch schon einkalkuliert, denn damals war es üblich, in der letzten Nacht die Korrekturen an der fertigen Druckdatei vorzunehmen. Ächz. Das hat sich aber zum Glück mittlerweile geändert (jetzt gibt es eine Phase für das Lektorat), wie vieles andere übrigens auch. Denn die DA hat in den letzten Jahren wichtige Schritte auf dem Weg zu einer erwachsenen Zeitung gemacht.
Endlich hat sich die DA auch von der Print-Steinzeit emanzipiert und kann mit einem ordentlichen und schönen Web-Archiv aufwarten. Auch halten „neue“ Technologien wie z.B. Telefonkonferenzen innerhalb der Redaktion langsam Einzug. Bei einer Zeitung mit derzeit 18 ständig rotierenden Redaktionsmitgliedern, die über das ganze Land verstreut sind, braucht es auch eine gute Organisationsstruktur, damit alles funktioniert. Auf jeden Fall verlangt es von den Beteiligten immer ein gutes Stück Arbeit, zweimonatlich die DA herzustellen: obwohl die Zeitung seit langem in gleichem Rhythmus und Umfang erscheint, scheint der zur Produktion nötige workload immer weiter zuzunehmen. Die Umstellung auf einen kürzeren Erscheinungszyklus wird sicher noch etwas auf sich warten lassen. Denn so lange die FAU bezahlte Posten ablehnt, wird sie auch in Zukunft in den eigenen Reihen ihrem Kampagnenmotto „Keine Arbeit ohne Lohn!“ nicht entsprechen können.