Ralf, 36: Ich liebäugele schon länger mit der FAU und möchte dazustoßen, habe aber Angst, dass meine Gewerkschaft dann nicht groß genug ist. Wie groß sollte die Gewerkschaft sein? Und wie kann ich meine Interessen wirklich befriedigen?
Dr. Haller: Größe, aber auch Einstellung zählt!
Mein selbsternannter Doktorkollege von einer deutschen Jugendzeitung behauptet zwar immer wieder, dass es nicht auf die Größe ankommt. Diese Antwort bleibt aber einem kleinbürgerlichen Individualismus verhaftet – und der kann deine Interessen nicht wirklich befriedigen. Aber es kommt nicht nur auf die Größe an, sondern auch auf die Einstellung. Nimm das Berliner Kino Babylon Mitte! Total tote Hose bei ver.di, und dass bei so vielen Mitgliedern. Da haben die FAU-GenossInnen die Chefs schon mehr erregt, aber total befriedigend war es noch nicht. Eine gewisse Größe braucht es also schon. Aber wenn alle, die sich dieselbe Frage stellen wie du, zusammenkommen, wäre das schon eine beachtliche Größe!
Maike, 29: Ich habe neulich meinen Boss gesehen, in seinem protzigen Wagen und seinem teuren Anzug. Da stieg in mir große Wut auf. Heißt das jetzt, dass ich eine Anarchistin bin? Ich traue mich nicht, mit jemanden darüber zu reden.
Dr. Haller: Suche Gleichgesinnte!
Nein. Du kannst auch wütend sein, ohne Anarchistin zu sein. Wenn du es herausfinden willst, solltest du dir ein paar Fragen stellen: Magst du Hierarchien wirklich gar nicht? Wird dir beim Anblick von Deutschlandfahnen schlecht? Findest du, dass kein Gewerkschaftssekretär dir vorschreiben darf, ob du beim Streik mitmachst? Dann bist du vielleicht Anarchistin. Im Zweifelsfall solltest du mal zur FAU gehen. Da triffst du Leute, denen es ähnlich geht wie dir. Einige von ihnen sind AnarchistInnen, und andere meinen, dass sie keine sind, und finden das mit der Basisgewerkschaft trotzdem super. Vielleicht stellst du dann ja fest, dass du Anarchosyndikalistin sein willst. Am Besten lässt sich Wut mit Gleichgesinnten in konstruktive Bahnen lenken.
Bernd, 24: Meine Kollegen, die in der FAU organisiert sind, haben viel coolere Streikwesten als wir vom DGB. Auch ihre Fahnen sind viel imposanter. Ich würde gerne dazugehören, habe aber Angst, dass ich ihnen nicht cool genug bin.
Dr. Haller: Cool wirst du in der FAU!
Viele deiner Kollegen, die jetzt bei der FAU sind, waren früher auch nicht besonders cool, sondern eher total frustriert, weil sie alleine waren, oder total nervig, weil sie zu viel gelesen haben und alle KollegInnen erst einmal mit revolutionären Theorien volltexten mussten. Das hat sich erst bei der FAU geändert. Die FAU macht einfach cool. Also nix wie hin!
Tine, 17: Ich wohne noch bei meinen Eltern. Jetzt habe ich mir die DA abonniert. Als meine Eltern sie gesehen haben, sind sie ausgerastet und haben mir verboten, sie zu lesen. Was ist bloß los mit ihnen? Ich verstehe sie nicht.
Dr. Haller: Habe Geduld mit ihnen!
Die meisten Eltern werden total komisch, wenn sie bemerken, dass ihre Kinder nicht mehr mit dem zufrieden sind, was alle anderen auch getan haben. Meistens hilft es, Geduld mit ihnen zu zeigen und sie wie erwachsene Menschen zu behandeln, auch wenn es völlig pubertär klingt, was sie sagen. Ihre Probleme sind womöglich auch deine. Und vielleicht schämen sie sich ja nur, weil sie selbst nicht den Mut gehabt haben, mal auszubrechen. Wenn du aber lieber nicht mit ihnen streiten willst, kannst du die DA natürlich auch heimlich im nächsten Infoladen kaufen, oder treffe dich mit Leuten von der ASJ und rede mit ihnen darüber, wie sie damit umgehen.
Guido, 48: Ich bin Vorsitzender einer Partei. Leider geht es aber mit der rasant bergab und ich befürchte, arbeitslos zu werden. Jetzt finde ich das doch nicht mehr so dekadent. Kann ich als Erwerbloser auch in der FAU aktiv sein?
Dr. Haller: Gemeinsam ein Feuer machen!
Ja! Denn ob du einen stupiden, unsicheren oder schlecht bezahlten Job hast (mindestens zwei Dinge davon dürften auf Parteivorsitzende zutreffen) oder gar keinen – das sind bloß zwei Seiten ein und derselben Medaille. Und die fällt meistens auf Kopf oder Zahl und bleibt gar nicht so selten auf dem Rand stehen. Leider ist die Erwerbslosigkeit dann doch nicht so eine dekadente Dauerparty wie du dir das vorgestellt hast. Es kann im Handumdrehen passieren, dass du als Erwerbsloser genauso stupide Dinge tun musst wie als Politiker, bspw. älteren MitbürgerInnen Märchen erzählen oder in der Fußgängerzone um Spenden betteln. Wenn aber beide Seiten der Medaille gleich doof sind, sollten sich alle zusammentun und schon mal ein Feuer anzünden, um sie einzuschmelzen.
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