Nachrichten von der Klassenfront, diesmal u.a.: Griechenland – Streikbrecher Militär, Busfahrerstreik in Südafrika, Wanderarbeiter in Malaysia, Erhöhung des Renteneintrittsalters in Frankreich
Ende Juli wurden in Griechenland großflächig Tankstellen und andere Einrichtungen der Treibstoff-Infrastruktur bestreikt. Hintergrund für den Arbeitskampf war die Spar- und Privatisierungspolitik, mit der die griechische Regierung versucht, die Forderungen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) durchzusetzen. Der Streik war derart erfolgreich, dass es nach einigen Tagen in weiten Teilen des Landes zu stundenlangen Staus an den Zapfsäulen kam, weil immer mehr Tankstellen schließen mussten. Auch die Flughäfen waren betroffen, weil das Flugbenzin auszugehen drohte.
Die Regierung versuchte von Beginn des Arbeitskampfes an, die Streikenden massiv unter Druck zu setzen. So wurde eine Demonstration der Streikenden in Athen brutal von der Polizei angegriffen. Als die Lage an den Zapfsäulen in der letzten Juliwoche eskalierte, brachte die Regierung ein Gesetz aus der Zeit der Militärdiktatur gegen die Streikenden zum Einsatz: Sie verfügte für die Streikenden die „Zivil-Einberufung“. Für die ArbeiterInnen bedeutete das eine Zwangsverpflichtung, verbunden mit der Drohung, sie im Falle einer Weigerung dem Militärrecht zu unterwerfen.
Trotz des enormen Drohpotentials ging der Streik zunächst weiter. Schließlich begann die Regierung damit, eine Reihe von zentralen Tankstellen überall im Land sowie an den Flughäfen von Tankzügen beliefern zu lassen, für die das griechische Militär die Fahrer stellte. In dieser Situation des militarisierten Streikbruchs beschloss die Gewerkschaft in der ersten Augustwoche, den Streik zunächst auszusetzen und ein Verhandlungsangebot der Regierung anzunehmen.
Mitte August streikten in der Verwaltungsgemeinschaft Tshwane im Norden der Republik Südafrika die Busfahrer. Der gesamte öffentliche Nahverkehr in der Region mit 2,2 Millionen BewohnerInnen kam dadurch zum Erliegen. Die Regionalregierung qualifizierte den von der Gewerkschaft South African Municipal Workers’ Union (SAMWU) unterstützen Streik als „illegal“ und ließ ihn durch die Polizei beobachten. Die zweite im Betrieb vertretene Gewerkschaft, IMATU, betätigte sich zunächst als Streikbrecher, forderte aber im Verlauf des Streiks ihre Mitglieder auf, nicht mehr zu arbeiten, weil die Lage für sie „nicht sicher sei“.
Es ist in Tshwane bereits der dritte Streik der in der SAMWU organisierten Busfahrer in diesem Jahr. Bei allen drei Arbeitskämpfen ging es um die Festanstellung von zuvor outgesourcten Fahrern. 2008 hatte sich die kommunale Firma dazu verpflichtet, keine Verträge mit Subunternehmern mehr zu verlängern und stattdessen die Fahrer in Festanstellung zu übernehmen. Die Gewerkschaft wirft der Regionalverwaltung vor, dennoch weiterhin Subunternehmer einzusetzen.
Im August wurde eine Feuerwache in Bloomfield für einige Tage geschlossen, nachdem sich ein Großteil der Belegschaft krank gemeldet hatte. Bloomfield ist ein Ort mit knapp 50.000 EinwohnerInnen im Norden von New Jersey. Die Gemeinde hat sich, wie viele andere in den USA, im Zuge der Krise einem rigiden Spardiktat unterworfen. Gespart wird u.a. bei der lokalen Feuerwehr. Diese hat eine Sollstärke von 90 Mann. Seit einiger Zeit aber müssen nur 79 Feuerwehrleute die gesamte Arbeit erledigen. Die Folge ist, dass die Belegschaft ständig überlastet ist und viele KollegInnen sich krank zur Arbeit schleppen.
In diesem Sommer nun mussten wiederholt Feuerwachen geschlossen werden, weil sich viele Beschäftigte gleichzeitig krank meldeten. Ein Sprecher der Lokalverwaltung bezeichnete das als „unverantwortlichen wilden Streik“ und beschuldigte die Beschäftigten, dass sie „das Privileg der Krankmeldung“ missbrauchen würden. Gleichzeitig aber scheint Bewegung in die Sache zu kommen, eine Zeitung berichtete, dass die Gemeinde zusätzliche Gelder bereitstellen wolle, um das Personal der Feuerwachen auf ein normales Maß aufzustocken. Gemeinschaftliches Krankmelden als Arbeitskampfform nennt man übrigens „Sick-Out“. Als kollektive Kampfmethode wird es gelegentlich von ArbeiterInnen angewandt, die keine Möglichkeit haben, einen Streik auszurufen.
Mitte August kam es zum Aufstand von rund 5.000 WanderarbeiterInnen in der malaysischen Industriestadt Johar Baru. Auslöser war der Tod eines nepalesischen Arbeiters, der trotz hohen Fiebers gezwungen wurde, weiterzuarbeiten. Als die Firma ihn schließlich in ein Krankenhaus bringen ließ, starb er dort nach wenigen Stunden. Daraufhin griffen 5.000 Arbeiter die Fabrik an, die Elektronik-Komponenten für den Weltmarkt herstellt, und zerstörten u.a. einen Wachturm auf dem Werksgelände. Der Polizei, die sofort mit mehreren Hundertschaften anrückte, gelang es erst nach mehr als sieben Stunden, die Lage unter Kontrolle zu bringen.
Nach dem Aufstand im Werk hat das Management inzwischen zugesichert, mit den Arbeitern über die Errichtung einer Gesundheitsstation auf dem riesigen Werksgelände und über Lohnerhöhungen zu verhandeln. Mehr als 20 Prozent der ArbeiterInnen in den Weltmarktfabriken Malaysias – wo ein großer Prozentsatz des weltweiten Bedarfs an Speicherchips und anderen elektronischen Komponenten hergestellt wird – sind migrantische Wanderarbeiter, u.a. aus Nepal, Myanmar, Vietnam, Bangladesh und Indien. Ihre Löhne und Arbeitsbedingungen gehören zu den schlechtesten weltweit.
In Frankreich soll das Renteneintrittsalter von 60 auf 67 Jahre erhöht werden. Die Gewerkschaften sehen darin ein reines Rentenkürzungsprogramm, denn 63% der Lohnabhängigen über 55 Jahre sind erwerbslos. Die Lebenserwartung von Arbeitern liegt 7 Jahre unter der leitender Angestellter. Die CNT verweist darauf, dass das demografische Problem durch Produktivitätssteigerungen mehr als wettgemacht wird.
Bisher gaben Rentenreformen immer Anlass zu großen Mobilisierungen, z.B. 1995 zum größten Generalstreik seit 1968. Seither aber mussten die Lehrkräfte (2003) und Eisenbahner (2007) herbe Niederlagen einstecken. Neue Proteste sind für den 7. September angekündigt. Doch seit den Aktionstagen 2009 sitzen Enttäuschung und Misstrauen tief. (AE)
Beim größten Autohersteller Italiens, Fiat, läuft derzeit ein offener Machtkampf zwischen Management und Gewerkschaften. Anlass ist die Entlassung dreier Gewerkschafter, die bei einem Streik im Juli das Werk in Melfi mit Sabotage-Akten lahmgelegt haben sollen. Grund für den Konflikt ist derweil der Versuch des Fiat-Chefs Marchionne, die Produktivität in den italienischen Werken zu steigern und von den Gewerkschaften Überstundenzusagen und eine Friedenspflicht zu erlangen – im Gegenzug bietet der Konzern Investitionen von 20 Mrd. Euro. Obwohl im August ein Gericht die Kündigungen kassierte, verweigert Fiat drei Arbeitern die Wiedereinstellung. (AE)
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