Betrieb & Gesellschaft

Mit Direkter Aktion zum Erfolg

Gerade Gatronomie-Betriebe drücken den Lohn der Beschäftigten. Die betroffenen KelnerInnen und KöchInnen wehren sich mit einer solidarischen Gewerkschaft und direkter Aktion.

Berlin Alexanderplatz, 24. Oktober 2016: Rund 40 FAU-GewerkschafterInnen versammeln sich mit Fahnen und Informationsmaterial in der Fußgängerzone vor dem Restaurant Cancún und rufen lautstark „Kein Lohn, keine Ruhe!“ und „Cancún, pay your workers!“. Viele der Protestierenden haben selbst Erfahrung mit Arbeit in der Gastronomie und kommen aus dem Ausland. An diesem Tag geht es um Luca, Barmann des Cancún, der mit einem sogenannten Null-Stunden-Vetrag beschäftigt und dem Lohn in vierstelliger Höhe vorenthalten wurde. Nach gescheiterten Verhandlungen hatte sich die FAU Berlin zur direkten Aktion entschlossen – mit vollem Erfolg: Nach

Demo vor dem Betrieb – eine Stunde später gab es Lohn

nicht einmal einer Stunde Protest lässt die Restaurantleitung einen Umschlag mit der fehlenden Summe in bar übergeben.

Es ist einer von acht Arbeitskonflikten, den die FAU Berlin allein im Jahr 2016 in der Gastronomiebranche ausgetragen hat, sieben davon erfolgreich und immerhin drei ohne den Umweg übers Arbeitsgericht. Auch in anderen Städten konnte die FAU in letzter Zeit Rechte für Gastronomie-ArbeiterInnen einfordern und erfolgreich Löhne eintreiben. Die Probleme sind überall ähnlich, wie die Lohnspiegel der FAU Hamburg und Dresden zeigen: Die Löhne sind beschämend, regelmäßig wird der Mindestlohn unterboten. Nach den Ergebnissen des Lohnspiegels der Hamburger FAU erhalten über 80 % der Beschäftigten weder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch bezahlten Urlaub. Rund ein Drittel sieht sich zu unbezahlten Putz- oder Bereitschaftsdiensten gezwungen. Häufig gilt: je „familiärer“ das Kleinunternehmen, desto willkürlicher der Umgang mit den Beschäftigten. Es existieren keine schriftlichen Verträge, die Kündigung wird ins Gesicht geschrien, der Lohn wird gedrückt, wo es nur geht.

Systematischer Lohnbetrug und patriarchale Willkür

„In der Gastronomie-Branche arbeiten viele migrantische ArbeiterInnen. Das heißt, Sprachbarrieren und fehlendes Wissen um bestehende Rechte machen es den Chefs einfacher, ihre Beschäftigten auszubeuten. Und das in einer ohnehin schon prekären Branche“, so Jana, ehemalige FAU-Sekretärin für gewerkchaftliche Aktivitäten in Berlin. Dass auch in Minijobs Anspruch auf Urlaubsentgelt besteht und bei einem mündlichen Vertrag von einer unbefristeten Beschäftigung auszugehen ist, bei der Kündigungsfristen einzuhalten sind – davon wissen auch viele deutschsprachige KollegInnen nicht. „Wir mussten feststellen, dass die Chefs in den Restaurants häufig davon ausgehen, sie könnten machen, was sie wollen. Da wird Lohnbetrug schon vorher einkalkuliert“, so Jana weiter. Vor Gericht zu gehen sei dabei nicht optimal, da bei kleineren Summen die vorgeschriebenen Anwaltsund Gerichtskosten oft höher sind. Zudem verstreicht auf diesem Weg sehr viel Zeit, bis das Geld tatsächlich bei den Betroffenen ankommt.

Die direkte gewerkschaftliche Aktion wie vorm Cancún am Alexanderplatz ist effektiver. Durch direkte Verhandlungen einer Gewerkschaftsdelegation im Büro das Chefs, durch Anrufe, Öffentlichkeitsarbeit oder durch Kundgebungen, Blockaden und Streiks lässt sich in kurzer Zeit sehr viel erreichen. Unter Umständen kann auch schon ein Schreiben des FAU-Sekretariats die Chefs auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Im Falle des veganen Restaurants YoyoFoodworld im hippen Berliner Stadtteil Neukölln brachte der Besuch von GewerkschafterInnen im gut besuchten Lokal den Chef dazu, seine Schulden bei seinem Ex-Beschäftigten zu begleichen. 2014 streikte ein Teil der Belegschaft der Dresdner Kneipe „Trotzdem“ fast zwei Monate, um gegen unrechtmäßige Kündigung und für bessere Arbeitsbedingungen für Kellner zu protestieren, bis die Unternehmensseite schließlich vor Gericht nachgab. Und im Fall der Neuköllner Pizzeria Sfi zy Veg gelang es mit einer Kombination juristischer und direkter Aktionen, den drei um Lohn und Urlaubsgeld geprellten Beschäftigten zu ihrem Recht zu verhelfen.

Union Busting geht nach hinten los

Ein besonders harter Fall für die FAU wurde 2016 das Restaurant Barist am Hackeschen Markt in Berlin. Nach unterschlagenen Leistungen an ein Gewerkschaftsmitglied reagierte das Unternehmen der DEVI Gastro GmbH auf die gewerkschaftlichen Forderungen mit einer Widerklage auf Schadensersatz und einer einstweiligen Verfügung, die es der FAU Berlin u.a. untersagte, den Restaurantnamen zu nennen. Die FAU ließ diesen Versuch des Betriebs, gegen kritische Öffentlichkeit vorzugehen und das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit einzuschränken, nicht unbeantwortet. Sie organisierte Kundgebungen und setzte alle Forderungen schließlich im gerichtlichen Vergleich durch. Das Restaurant und die bestehenden Verhältnisse dürfen seitdem wieder beim Namen genannt werden. Gestärkt durch diese positiven Erfahrungen steht nun auch in Berlin die Gründung einer eigenen mit der FAU föderierten Branchenorganisation an, wie sie mit der Basisgewerkschaft Nahrung und Gastronomie (BNG) in Dresden bereits existiert.

Arbeitgeber, die weiter auf Ausbeutung setzen wollen, sollten die Zeit bis dahin besser nutzen, sich mit dem Konzept der Direkten Aktion auseinander zu setzen.

Einen Gastro-Lohnspiegel gibt es bei der FAU Dresden.

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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