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Griechisch für Anfänger

Eine kritische Betrachtung zum „Festival der direkten Demokratie“ in Thessaloniki

Ein Beitrag zum Aufbau einer gesellschaftlichen Gegenmacht von unten, jenseits von Aufständen, sollte das „Festival der direkten Demokratie“ sein, das Anfang September in Thessaloniki stattfand. Auf Einladung u.a. der „Antiautoritären Bewegung“ (AK) aus der nordgriechischen Metropole sollten über drei Tage hinweg Abgesandte diverser Bewegungen aus aller Welt unterschiedliche Konzepte und Kampferfahrungen diskutieren.

In Anbetracht der ökonomischen Krise und des Versuchs der Herrschenden, die eigene Haut auf Kosten des Rests der Gesellschaft zu retten – wenn nötig unter Einsatz staatlicher Gewalt –, ließe sich annehmen, dass solch ein Kongress von Menschen und erregten Diskussionen nur so summen müsste. Dies gilt umso mehr in einem Land, das mittlerweile durch den sozialen Ausschluss ganzer Bevölkerungsschichten gekennzeichnet ist. Denn trotz heftiger Streiks und breiten Widerstands verschlechtert sich die Lage vieler von Tag zu Tag – durch Lohnkürzungen, Hungerrenten, Privatisierungen und Entlassungen bei gleichzeitigen Preissteigerungen.

Frontalunterricht

In dieser Situation „kommt der Ansatz der direkten Demokratie“, wie die antiautoritäre Monatszeitung Babylonía schreibt, „nicht nur als Kritik am Bestehenden daher, sondern um es einzureißen!“ Und weiter: „Es handelt sich nicht mehr nur um eine bestimmte Art, Entscheidungen zu treffen, sondern um einen Akt der Selbstermächtigung zur Erlangung der individuellen und kollektiven Autonomie.“ Mit der Realität auf dem Kongress hatte das leider wenig zu tun.

Eine Liste „wichtiger“ Persönlichkeiten – darunter etwa der Alt-Situationist Raoul Vaneigem, Peter Bohmer vom Z-Net oder der iranische Soziologe Behrouz Safdari – ersetzt eben keine lebendige und gesellschaftlich verankerte Bewegung mit genug Selbstbewusstsein zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Tatsächlich war es auffällig, dass sich die Zuhörerschaft – in ihrem Wortsinne – sehr passiv verhielt. Regelrecht hilflos ließ man die ermüdend langatmigen Monologe der Podiumsredner über sich ergehen. Diese schienen ihrerseits oft nicht im Geringsten an einem Gedankenaustausch interessiert zu sein. So nahmen sie auch keinerlei Rücksicht auf die Arbeit der Übersetzerin – sofern es eine gab –, um auch den GenossInnen aus dem Ausland einen Einblick in ihr Gedankengerüst zu ermöglichen. Der AK ist dabei vorzuhalten, zahlreiche Menschen aus anderen Ländern eingeladen zu haben, ohne eine Übersetzung griechischer Referate zumindest ins Englische gewährleistet zu haben.

Problematisch erscheint auch die Tatsache, dass in Thessaloniki Bewegungen und Organisationen aus aller Welt vorstellig wurden, wichtige Teile der vor Ort kämpfenden AktivistInnen jedoch fehlten. Wie sinnvoll ist z.B. die Anwesenheit der eingeladenen FAU, wenn die griechischen AnarchosyndikalistInnen der ESE und die Basisgewerkschaften nicht präsent sind? Was bringt die Anreise spanischer HausbesetzerInnen, wenn fast alle Besetzerkollektive der Stadt durch Abwesenheit glänzen? Zu den nächtlichen Umsonst-Konzerten im Rahmen des „Festivals“ – das insofern seinem Namen alle Ehre machte – erschienen nicht nur sie dagegen zu Tausenden.

Transferleistung mangelhaft

„Heute ist es offensichtlich, dass die arbeitende Bevölkerung die Systemkrise mit Kämpfen, die auf den Umsturz abzielen, vertiefen muss“, heißt es in einem Artikel in der Babylonía. Denn „der katastrophale Durchmarsch von Staat und Kapital“ sei „nur durch den frontalen Zusammenstoß zwischen Herrschenden und Beherrschten“ aufzuhalten, so der Autor Theodorópoulos weiter. Gleichzeitig erklärte das Plenum zur Vorbereitung des „Blocks der direkten Demokratie“ auf der Großdemo gegen die Regierung, die einen Tag nach dem Festival stattfand: „Wir machen keine Protestdemo, sondern gehen mit Vorschlägen an die Gesellschaft auf die Straße.“

Wenn es so ist, wie es diese beiden Zitate aufzeigen, warum wurde dann nicht die Chance ergriffen, eine gemeinsame Demo mit den Basisgewerkschaften, der ESE, den besetzten Häusern und anderen libertären Gruppen zu organisieren? Wie soll eine „Gegenmacht von unten“ entstehen, wenn nicht einmal jetzt, während des brutalsten staatlichen Angriffs seit dem Ende der Militärdiktatur, die Organisationen zusammenarbeiten, die sich inhaltlich nahe stehen? Insgesamt scheint hier eine Gelegenheit zu Diskussionen mit Menschen aus anderen Ländern und Bewegungen verpasst worden zu sein. Auch die Chance, sich inhaltlich und organisatorisch zu stärken, um in den kommenden Kämpfen mit (neuen) Bündnispartnern intensiver in die Gesellschaft zu intervenieren, blieb ungenutzt.

Die breite Berichterstattung der bürgerlichen Tagespresse über den Kongress ist ein Indiz dafür, dass Alternativen dringend gesucht werden. In dieser Phase heftiger sozialer Kämpfe, in der Teile der Gesellschaft bereit, ja teilweise begierig sind, unsere Meinungen und Vorschläge zu hören, ist das ein Rückschlag. Denn solange es dem revolutionären Teil der gegen die kapitalistischen Zumutungen aufbegehrenden Bevölkerung nicht gelingt, eine über die eigene Organisation hinausgehende Basis zu finden, ist das System in Griechenland nicht in Gefahr. Kommende soziale Eruptionen sind mit staatlicher Gewalt einfach niederzuschlagen.

Ralf Dreis

Der Autor lebte länger in Thessaloniki und beteiligte sich dort an den sozialen Kämpfen. Eine erste Fassung dieses Beitrags erschien in der Babylonía, Nr. 70.

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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