Maskulisten jammern im Netz über den Feminismus. Ein Internetspaziergang
Vergesst Kriege, Ausbeutung und Massenverarmung! Das große Problem unserer Zeit lautet: die Unterdrückung des Mannes. Das meinen zumindest die Maskulisten. Und deshalb sollte Ende Oktober in der Schweiz das 1. Antifeminismus-Treffen stattfinden. Mit von der Partie waren auch Vertreter aus der deutschen „Männerbewegung“. Ob das Treffen, das wegen einer linken Gegenkampagne an einen geheimen Veranstaltungsort verlegt werden musste, wirklich stattfand, war zum Redaktionsschluss noch nicht ausgemacht. So oder so – es wurde sicher viel gejammert.
Das beklagte Übel der Maskulisten ist der Feminismus, gegen den sie ihren „Kreuzzug“ ausfechten. Es ist vor allem ein virtueller Kampf. Zornig sitzen sie hinter Computern und kommentieren im Internet, was das Zeug hält. Wird im Netz ein relevantes Thema ausgemacht, schieben sie sich den Link zu und stürzen sich im Rudel auf den Kommentarbereich. Und wenn irgendwo die Kommentar-Funktion geschlossen wird, weil die SeitenbetreiberInnen das hysterische Gespamme und autistische Gebrabbel aus Verschwörungstheorien und Pseudo-Wissenschaft leid sind, vermuten sie dahinter gleich die „Frauenlobby“. „Bloß nicht zulassen, dass die Wahrheit vom Bürger ausgesprochen wird“, weiß ein Maskulist derlei Maßnahmen zu bewerten.
In seinem verschwörungstheoretischen Wahn geht manch Jammerlappen so weit, von einer „Femokratie“ zu sprechen. Die Gesellschaft sei derart feminisiert, dass Männer mittlerweile benachteiligt seien. Lohngefälle zwischen Männern und Frauen? Unsinn! Frauen kassierten doch massenhaft Unterhalt. Dass knapp 90% der Alleinerziehenden nun mal Frauen sind, scheint keine Rolle zu spielen, ebenso wenig die Frage, was die einzelne Frau von solchen Transferleistungen hat, wenn ihr in der Arbeitswelt bestimmte Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt werden. Gleichzeitig weißt man anklagend darauf hin, dass der Löwenanteil der Steuerzahlungen von Männern aufgebracht werde. Ein Indiz für die ökonomische Ausgrenzung von Frauen mag man darin natürlich nicht sehen. Auch das Thema häusliche Gewalt hat es den Maskulisten angetan. Es seien heute mehrheitlich Frauen, die solche Gewalt ausübten, während Männer, die das öffentlich machten, verspottet würden.
Die Maskulisten sind empört: Jeder, der diese „Wahrheiten“ ausspreche, werde gleich mit „Denkverboten“ bestraft, so etwa, indem man sie mit dem Etikett „rechts“ belege. Vor allem gegen den Autor einer Expertise der Friedrich-Ebert-Stiftung erheben sie Vorwürfe. Pauschal würde er die Männerbewegung, der es doch nur um Gerechtigkeit gehe – und „das hat mit links und rechts doch gar nichts zu tun“ – in die Nazi-Ecke rücken. Das tut dieser zwar gar nicht, sondern verweist vielmehr auf Überschneidungen mit rechten Denkstrukturen, solch analytischer Weitblick scheint den Möchtegern-Al-Bundys aber zu hoch zu sein. „Ich habe den Eindruck, hier versuchen feministische IdeologInnen sich gegen Kritik zu immunisieren, indem sie alle ihre Kritiker einfach als „rechts“ etikettieren“, mutmaßt ein aufgebrachter Maskulist.
Dabei ist die Expertise noch recht zurückhaltend. Denn dieselben, die sich über derlei Etikettierung beschweren, mischen gleich im nächsten Thread zum Thema Sarrazin munter mit. Auch der spreche natürlich nur die „Wahrheit“ aus. Man muss kein großer Diskursanalytiker sein, um die rechten Affinitäten zu erkennen: das Gejammer, der Minderwertigkeitskomplex, die Verschwörungstheorien, der Autismus in der sozialen Wahrnehmung, die biologistische Kategorisierungen, der Mangel an identitärer Reflexion… Es ist schon absurd, dass man heutigen Sexisten und Rassisten erklären muss, was Sexismus und Rassismus ist.
Eine Gefahr sind die Maskulisten dennoch nicht – auch wenn sie das gerne wären. Sprachlich und inhaltlich befinden sie sich ganz auf einem vorpubertären Igitt-Mädchen-Niveau. Sie vermitteln dabei weniger ein Bild von protzigen Machos als von gescheiterten und kläglichen Persönlichkeiten, die ihre Freizeit hinter einer Modelleisenbahn verbringen und ihre Wäsche bei Mutti waschen lassen. Sofern sie Beziehungen haben, landen sie sicher bei Partnerinnen, die ganz ihrer eigenen Kläglichkeit entsprechen – derlei ist nämlich geschlechtsunabhängig. Schlechte persönliche Erfahrungen und ihr sozialer Autismus treiben sie dann wohl dazu, ihre eigene Jämmerlichkeit in der Projektion auf alltagstaugliche Feindbilder zu kompensieren. Manchen dient dafür „der Ausländer“, anderen „der Sozialschmarotzer“ und den Maskulisten eben „die Frau“ – oder alle drei.
Holger Marcks
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