Guttenberg und Köhler bestätigen ökonomisch motivierte Kriege
„Die Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen sind ohne Zweifel unter militärischen und globalstrategischen Gesichtspunkten zu betrachten“, so Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Anfang November in seiner Eröffnungsrede der „Berliner Sicherheitskonferenz“, der deutschlandweit größten Konferenz zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der frühere Bundespräsident Horst Köhler hatte wegen einer vergleichbaren Äußerung noch herbe Kritik einstecken müssen, in deren Folge er zurücktrat. Kritik an der Aussage zu Guttenberg wird hingegen kaum von den Medien aufgenommen. Warum auch? Die militärische Rohstoffsicherung wurde bereits 1992 vom damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) in den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ festgeschrieben: „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“ gehören zu den vitalen Sicherheitsinteressen Deutschlands, heißt es in den Richtlinien. Im aktuellen strategischen Konzept der Bundeswehr, dem „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr 2006“ heißt es ebenfalls: „Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Interesse an internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. Wie viele andere Länder ist es in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig […]. Verwerfungen im internationalen Beziehungsgefüge, Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten Welt nicht ohne Auswirkungen auf nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.“
Warum gab es bei Köhler also einen solchen Aufschrei und bei zu Guttenberg nicht? Es liegt wohl vor allem daran, dass die militärische Rohstoffsicherung zwar schon lange in den Konzepten der Bundeswehr steht, diese bisher aber nie als offizieller Grund für Militärinterventionen eingebracht wurde – offiziell ging es immer nur um humanitäre Hilfe, den Kampf gegen Piraterie oder höchstens noch um den allgemeinen Kampf gegen den Terror. Horst Köhler sprach den wahren Grund für viele heutige Bundeswehr-Auslandseinsätze aus und schockte die deutsche Gesellschaft. Nachdem sich Köhler nahezu „geopfert“ hat, ist nun Medienstar zu Guttenberg an der Reihe, die deutsche Bevölkerung an die deutsche Wirtschaftskriegsführung zu gewöhnen – und das sehr erfolgreich.
Wer der Bundesrepublik seine Rohstoffe nicht geben will oder den Zugang zu Rohstoffen erschwert, muss damit rechnen militärisch angegangen zu werden. Dies wurde sogar bereits praktiziert: Im Dezember 2008 startete am Horn von Afrika die EU-Militärmission „Atalanta“ unter deutscher Beteiligung. Das Militär soll dort (somalische) Piraten daran, hindern (westliche) Schiffe zu kapern – der Handelsweg soll sicher gemacht werden. Das Problem liegt aber woanders und die Piraten sind nur ein Symptom: Seit Jahrzehnten plündern große Fischtrawler das Meer vor Somalia. Die Trawler kommen aus den USA, der EU und auch China und werden teilweise sogar von den Staaten subventioniert. Zudem wurde die Meeresregion durch die großen Schiffe stark verschmutzt, was den Fischbestand ebenfalls verringerte. Die einheimischen Küstenfischer konnten mit den High-Tech-Trawlern nicht mithalten und fingen immer weniger Fisch. Dies ging so weit, bis sie sich und ihre Familien nicht mehr ernähren konnten. So suchten sie einen anderen Weg der Geldbeschaffung und wurden in die Piraterie gedrängt. Die Militärmission „Atalanta“ bekämpft also nur ein selbst provoziertes Symptom der (besonders westlichen) Politik. Die Kriegsführung um Rohstoffquellen und Handelswege zementiert die Ungleichheit zwischen reichen und armen Nationen.
Michael Schulze von Glaßer
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