Das Streikverbot in Tendenzbetrieben gerät ins Wanken.
Im Kampf gegen das Streikverbot für kircheneigene Betriebe hat die Gewerkschaft ver.di einen ersten Teilerfolg erzielt. Nachdem zunächst das Arbeitsgericht Bielefeld der Klage der Evangelischen Kirche gegen einen Streikaufruf von ver.di stattgegeben hatte, widerrief nun das Landesarbeitsgericht Hamm dieses Urteil. Der Rechtsstreit wird jetzt wohl vor dem Bundesarbeitsgericht fortgesetzt.
Hintergrund ist der Umstand, dass in Deutschland Mitbestimmungsrechte für Beschäftigte in sogenannten „Tendenzbetrieben“ gar nicht oder nur eingeschränkt gelten. Bei Tendenzbetrieben handelt es sich zwar um private, aber nicht gewinnorientierte Unternehmen, die einem politischen oder weltanschaulichen Zweck dienen. Dazu gehören etwa Wohlfahrtsverbände, gewerkschaftseigene Betriebe wie Verlage und angeschlossene Druckereien oder auch Parteizentralen. Für Unternehmen der Kirchen, wie dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche oder der katholischen Caritas, gelten darüber hinaus besondere Privilegien, die den Arbeitnehmerschutz beinahe vollständig umgehen. So gilt für Angestellte der Kirche in der Regel ein Streikverbot, Betriebsräte sind nicht zugelassen und das Lohnniveau liegt deutlich unter vergleichbaren Tarifverträgen.
Tendenzbetriebe stellen keine Randerscheinung dar. Vielmehr sind Hunderttausende, die in Pflegeberufen, Kinderbetreuung oder Bildung tätig sind, davon betroffen. Tendenzbetriebe wie etwa das Deutsche Rote Kreuz unterhalten Krankenhäuser, Kirchen Pflegeheime, Gewerkschaften Bildungseinrichtungen, gemeinnützige Vereine Kindergärten. Mit knapp 900.000 MitarbeiterInnen sind schließlich Caritas und Diakonie die beiden größten privaten Arbeitgeber in Deutschland. Für alle in diesem Sektor tätigen ArbeiterInnen herrschen verschärfte Bedingungen bei Arbeitskämpfen, die ob der gravierenden Benachteiligung gegenüber KollegInnen im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft um so dringlicher erscheinen.
Unternehmen von Religionsgemeinschaften sind von den sonst durch das Grundgesetz abgesicherten Arbeitnehmerrechten weitgehend ausgenommen, für sie gilt vielmehr ein eigenes Kirchenarbeitsrecht, das durch das „Kirchliche Selbstbestimmungsrecht“ bestimmt wird und seit der Weimarer Republik existiert; hier kollidiert die Religionsfreiheit mit der Koalitionsfreiheit. Nach bisheriger Lage können die Kirchen als Arbeitgeber selbst definieren, welche Rechte sie ihren Beschäftigten zugestehen, so dass diese folglich meist spürbar geringer ausfallen als in anderen Betrieben. Da allerdings die Koalitionsfreiheit durch die Religionsfreiheit auch nicht völlig ausgehebelt werden darf, ist unter JuristInnen umstritten, ob Kirchen ein derart grundlegendes Gut wie das Streikrecht in ihren Unternehmen pauschal verbieten können. Diese halten Streiks ihrer Angestellten freilich für unmoralisch, da somit ein höheres Ziel – die Nächstenliebe – untergraben würde.
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