Nachrichten von der Klassenfront: Von Kairo nach Wisconsin +++ Bangladesh: Haft für Gewerkschafterin +++ Polen: Sabotage bei FIAT…
Im US-Bundesstaat
Wisconsin hat sich die größte Protestwelle seit dem Vietnam-Krieg
entwickelt. Seit Mitte Februar demonstrieren mehrere zehntausend
Menschen in der Hauptstadt Madison gegen ein Sparprogramm der
republikanischen Regierung. Die Demonstranten beziehen sich dabei
bewusst auf die Aufstände in Ägypten. Getragen werden die Proteste
insbes. von den Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes, die im
Zuge des Sparprogramms in ihrem Tarifrecht beschnitten werden sollen.
Denn die Regierung will die Staatsausgaben u.a. dadurch senken, dass
die Gewerkschaften der LehrerInnen, BusfahrerInnen und
Krankenschwestern künftig nur noch Lohnerhöhungen im Ausmaß des
Preisanstiegs abschließen dürfen. Vereinbarungen, die
Gehaltssprünge über der Inflationsrate vorsehen, müssten einer
Volksbefragung unterzogen werden. Beobachter sprechen vom „größten
Angriff auf die Gewerkschaftsrechte in den USA seit Jahrzehnten“.
Inzwischen finden auch Demonstrationen in anderen Bundesstaaten
statt, die von ähnlichen Sparprogrammen betroffen sind.
Wir haben bereits
wiederholt über Kämpfe der TextilarbeiterInnen in Bangladesch
berichtet, die sich seit Jahren gegen Hungerlöhne und
menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen. Nachdem es der
Regierung und den Bossen auch durch den Einsatz von Paramilitärs,
von gekauften Totschlägern und durch die Militarisierung zentraler
Textilbetriebe nicht gelungen ist, den Widerstand dauerhaft zu
brechen, scheinen Politik und Justiz jetzt eine neue weitere Variante
zu testen. Ende 2010 wurde Moshrefa Mishu, die Vorsitzende des
Garment Workers Unity Forum (GWUF) ins Gefängnis geworfen. Der GWUF
ist eine von mehreren Gewerkschaften, in denen sich
TextilarbeiterInnen organisieren. Mishu geht es nach monatelanger
Haft körperlich sehr schlecht, sie wurde mehrfach kurzfristig vom
Knast in ein Krankenhaus und wieder zurück verlegt. Während die
Justiz einen Prozess gegen sie vorbereitet, überschlägt sich die
bürgerliche Presse und versucht Mishu zur Rädelsführerin
aufzubauen. Dabei wird ihr u.a. vorgeworfen, sie würde „Sabotage
gegen die Textilindustrie des Landes betreiben“, indem sie
„Hooligans anheuert, die Anarchie und Vandalismus in den Fabriken
verbreiten“. Ihr „niederträchtiges Ziel“ sei es, „Bangladeschs
florierenden Exportmarkt zu schädigen und so konkurrierenden
Nationen, die Bangladeschs Rolle auf dem Weltmarkt übernehmen
möchten“, in die Hände zu arbeiten. Interessant dabei ist,
welches Ausmaß die Aufstände der Belegschaften mittlerweile
angenommen haben. So spricht eine besonders unternehmernahe Zeitung
davon, dass aufgrund der Zerstörung von Fabriken durch ArbeiterInnen
und der damit im Zusammenhang stehenden „verzögerten oder
abgesagten Exportaufträge“ bereits Schäden in Höhe von mehreren
hundert Mio. Dollar entstanden seien. Für die sofortige Freilassung
von Mishu und die Einstellung aller gegen sie gerichteten
Ermittlungsverfahren ist eine internationale Kampagne angelaufen.
Nähere Informationen finden sich auf: www.labourstart.org
FIAT ist es Ende letzten
Jahres relativ erfolgreich gelungen, die Belegschaften der
italienischen Werke zu neuen, schlechteren Verträgen zu zwingen
(siehe Der Traum von der Fabrikgesellschaft). Dabei wurde unverhohlen damit gedroht, große Teile der
Produktion in das polnische Werk nach Tychy zu verlegen. Die
ArbeiterInnen dort wollen sich jedoch nicht als Lohndrücker
missbrauchen lassen und hatten deshalb einen offenen Brief an ihre
italienischen KollegInnen geschrieben. Mitte Februar kam es dann zu
einem Vorfall, der zeigt, dass es auch im polnischen Werk massive
Unzufriedenheit zu geben scheint. So haben ArbeiterInnen während
einer einzigen Schicht Sabotage an mehr als 300 frisch produzierten
Fahrzeugen betrieben. Dabei wurden den Blechen dicke Kratzer
zugefügt, Schrauben in die Motoren geworfen, Kabelbäume
zerschnitten und anderes. Die Schichtleiter und Manager suchen nun
fieberhaft nach den Saboteuren.
Die US-Bundesbehörde für
Arbeitsbeziehungen hat die Gewerkschaftswahlen bei der Fastfood-
Kette Jimmy John´s in Minneapolis (Minnesota) für rechtswidrig
erklärt. Dort hatte die den IWW angeschlossene Jimmy John´s Workers
Union (JJWU) erstmals in der US-Geschichte Gewerkschaftswahlen bei
einem Fastfood-Franchise-Unternehmen organisiert und diese knapp
verloren. Die Gewerkschaft reichte schon im Vorfeld eine Liste von
Verstößen gegen die Gewerkschaftsrechte ein, mit denen eine freie
Wahl verhindert worden sei (siehe DA Nr. 203). Das Management wurde
vom Gericht angehalten, seine gesetzeswidrigen Maßnahmen gegen die
Gewerkschaft einzustellen. Ab März dann ist die JJWU berechtigt,
erneute Wahlen durchführen zu lassen.
Ende Januar hat die
Belegschaft der Fabrik von FagorMastercook im polnischen Wroclaw eine
Lohnerhöhung gefordert und ihrer Forderung dadurch Nachdruck
verliehen, dass sie tagelang nur noch „Dienst nach Vorschrift“
machte. Obwohl die Firma glänzende Geschäfte macht, verdient die
Belegschaft im Schnitt lediglich magere 350 € pro Monat und damit
erheblich weniger als in den umliegenden Fabriken oder gar
vergleichbaren anderen europäischen Werken. FagorMastercook gehört
zum Mondragon-Konzern, eine der weltweit größten Kooperativen.
Diese genießt immer noch ein hohes Ansehen, auch bei vielen Linken,
obwohl. bereits vergangene Konflikte bei FagorMastercook in Polen und
bei Mondragon-Firmen in anderen Niederiglohn-Gegenden gezeigt haben,
dass das Image von Mondragon nur ein Mythos ist. Dabei geht es nicht
nur um Niedriglöhne – FagorMastercook wurde darüber hinaus auch
bekannt für Maßnahmen gegen gewerkschaftlich organisierte
ArbeiterInnen.
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