Die tödliche Asbest-Industrie floriert weiter. Besonders im Fokus steht Kanada, das große Mengen in Entwicklungsländer exportiert.
In Gedenken an die Opfer der Arbeit findet weltweit am 28. April erneut der Workers’ Memorial Day statt. Seit seiner erstmaligen Begehung in den 1980ern gehören die mörderischen Auswirkungen von Asbest zu dessen vorrangigen Themen. Immerhin sind Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge 125 Mio. Menschen am Arbeitsplatz dieser Substanz ausgesetzt; über 100.000 Menschen sterben jährlich an ihren Folgen. Insbes. die Verwendung von Chrysotil-Asbest verursacht Lungenkrebs, Asbestose und andere schwere Erkrankungen der Atemwege. In Anbetracht dessen fordern die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der UNO und viele andere internationale Institutionen die Abschaffung von Asbest. 55 Regierungen haben bereits vollständig Asbest verboten.
Doch trotz aller Befunde behauptet die Asbest-Industrie, dass Chrysotil gefahrlos sei und nur innerhalb sicherer Schranken Anwendung fände. Sie setzt sich weiter für die Verwendung von Asbest in den Entwicklungsländern ein und verfolgt eine aggressive Marketing-Kampagne, sich stützend auf die Propaganda des Chrysotil-Instituts im kanadischen Quebec. Mit Erfolg: So exportiert zynischerweise Kanada, wo die Verwendung von Asbest selbst verboten ist, jährlich Hunderttausende Tonnen Chrysotil. Gegenwärtig plant sogar die Regionalregierung von Quebec, eine Bürgschaft von 58 Mio. Dollar für die Jeffrey Mine Inc. zu übernehmen, mit der die Eröffnung einer neuen Asbestmine ermöglicht werden soll. Mit diesem will das Unternehmen 200.000 Tonnen Asbest pro Jahr in asiatische Entwicklungsländer exportieren – für die nächsten 25 bis 50 Jahre.
Die Gewerkschaftsbewegung ist gefordert zu handeln, um asbestbedingten Krankheiten ein Ende zu setzen. So setzt sich etwa die Bau- und Holzarbeiter-Internationale (BHI) seit 1989 aktiv für ein weltweites Verbot aller Arten von Asbest ein, v.a. in Zementprodukten für Baustoffe. Zu diesem Zweck organisiert sie Konferenzen, Tagungen, Schulungen, Kampagnen, Kundgebungen und Demonstrationen. Dabei arbeitet sie mit Asbestopfer-Gruppen und NGOs zusammen, aber auch mit nationalen Behörden, insbes. des Gesundheitsbereichs, und stattet GewerkschafterInnen in asbestproduzierenden und -nutzenden Ländern mit Informationen aus.
Fortschritte gab es im Jahr 2010 auf den Philippinen zu vermelden. Dort stieß die Gewerkschaft ein Programm zur Beseitigung von asbestbedingten Krankheiten an. Die beteiligten Institutionen übernahmen dabei die inhaltlichen Prioritäten der GewerkschafterInnen trotz des Versuchs der von der Asbestindustrie finanzierten Chrysotil Association, Diskussionen über das Thema zu vereiteln. Zudem liegen sowohl dem Senat und dem Kongress Gesetzentwürfe vor, die ein absolutes Verbot von Asbest vorsehen. Begleitet werden die Gesetzeseingaben u.a. mit Email- und Briefkampagnen. Bereits im August hatte die BHI in Indonesien eine Asbest-Konferenz organisiert, an der Baugewerkschaften aus Indonesien, den Philippinen, Kambodscha, Malaysia, Australien und Osttimor teilnahmen. Die Konferenz bot den Anwesenden die Gelegenheit, von den Erfahrungen aus Gewerkschaften und Anti-Asbest-Netzwerken anderer Länder zu lernen. Darüber hinaus entwickelte die Konferenz eine subregionale Kampagnenstrategie mit speziellen Aktionsplänen für jedes Land und bereitete die Gründung eines Anti-Asbest-Netzwerkes für Indonesien vor, die im Oktober vollzogen wurde. Neben verschiedenen Gewerkschaften gehören dem Netzwerk ebenso Umweltgruppen und NGOs an.
Noch im Dezember hatte sich die BHI dem Asian Ban Asbestos Network angeschlossen. Zuvor hatte eine Delegation des Netzwerks die kanadische Provinz Quebec besucht, um sich bei der Regionalregierung über die besagte Investition in die Jeffrey Mine zu beschweren und stattdessen für die betroffenen Gemeinden ein Programm für sichere, gesunde und nachhaltige Beschäftigung vorzuschlagen. Die Delegation hielt Pressekonferenzen und öffentliche Versammlungen ab, traf sich mit GewerkschafterInnen und PolitikerInnen und führte eine Demonstration vor dem Chrysotil-Institut in Montreal durch.
Der Besuch der Delegation erregte viel Aufmerksamkeit in den Medien und hatte ausführliche Berichte zur Folge, wobei auch die Unterstützung durch kanadische und internationale Ärzte (z.B. durch Anti-Asbest-Artikel in Fachzeitschriften) hilfreich war. Zeitgleich zu dem Besuch wurden Solidaritätsaktionen in anderen Ländern durchgeführt, insbes. vor kanadischen Konsulaten und Handelsbüros in Japan, Südkorea, Philippinen, Frankreich, Indien, Hongkong und England. Auch in Indien selbst versuchen GewerkschaftsaktivistInnen, den massiven Import und die Verwendung von Asbest aus Kanada zu unterbinden. So versuchten Anfang Februar Gewerkschaften, Gesundheits- und Umweltgruppen, eine Handelsdelegation aus Quebec unter Druck zu setzen, um von der Finanzierung der Jeffrey Mine abzurücken.
Der anstehende Workers’ Memorial Day Ende April, an dem das Verbot von Asbest schon immer ein zentrales Thema war, wird der nächste wichtige Anlass für Anti-Asbest-Aktivitäten sein. Die BHI ihrerseits wird in dutzenden Ländern an Demonstrationen teilnehmen und von der kanadischen Regierung fordern, ihre aggressive Vermarktung und Verbreitung von Asbest in Entwicklungsländern zu beenden.
Die Autorin ist Arbeitsschutzbeauftragte der BHI, einem globalen Gewerkschaftsbund, dem mehr als 300 (reformistische) Baugewerkschaften angeschlossen sind.
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