Auf den Hundt gekommen

Dossier: Ausgewählte Artikel zum Thema

Zur geplanten „Tarifeinheit“:

Zum Thema Einheitsgewerkschaft:

Dass Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter nicht zwangsläufig an
verschiedenen Strängen ziehen, zeigte zuletzt die Einigkeit von BDA und
DGB-Führung in Sachen Tarifeinheit. Beide schritten Hand in Hand für
eine gesetzliche Neuregelung seit dem richtungsweisenden Urteil des
Bundesarbeitsgerichtes im Juni letzten Jahres. Darin werteten die
Arbeitsrichter den bis dahin gültigen Grundsatz, dass in einem Betrieb
nur ein Tarifvertrag zu gelten habe, als einen Verstoß gegen die
grundgesetzliche Koalitionsfreiheit und eine Benachteiligung kleinerer
Gewerkschaften.

Die Bundesregierung reagierte zunächst wohlwollend auf
den Vorstoß von DGB und BDA, die gekippte Tarifeinheit gesetzlich
wiederherzustellen. Gleich vier Ministerien sollen im
Koalitionsausschuss über Konzepte dazu beraten haben. Auf der letzten
Sitzung im April wurde die Entscheidung jedoch erneut vertagt. Und es
gibt einige Andeutungen, dass die kriselnde Regierung vorerst kein
weiteres Konfliktfeld eröffnen möchte.

In der Zwischenzeit hatte auch der Unmut an der DGB-Basis zugenommen. Verschiedene ver.di-Landesbezirke positionieren sich gegen die Pläne; der NRW-Verband sogar in Anwesenheit des Vorsitzenden Frank Bsirske, der als Initiator der Pläne gilt. Auch verschiedene Delegiertenversammlungen der IG Metall wehrten sich erfolgreich gegen ihre Ortsverwaltungen und deren Anträge für die Tarifeinheit.

Seit März existiert nun auch eine gewerkschaftsübergreifende Gegeninitiative: „Hände weg vom Streikrecht“. Diese betont, dass die DGB-Führung gemeinsam mit dem BDA eine Beschneidung des Streikrechts und des Koalitionsrechts betreibe, die nicht zu akzeptieren sei. An dem Bündnis beteiligt sind neben DGB-GewerkschafterInnen auch AktivistInnen der GDL sowie der FAU, die bereits im Oktober die Initiative als „Vorstoß eines Tarifkartells gegen missliebige Gewerkschaften“ verurteilt hatte.

Willi Hajek vom Komitee für Gewerkschaftsfreiheit sieht in der Auseinandersetzung auch Chancen: „Durch die öffentliche Aufmerksamkeit ist den Machern klar geworden, dass sie dies nicht so einfach durchziehen können. Es ist eine sehr günstige Gelegenheit die basisorientierte kämpferische Gewerkschaftsbewegung voranzubringen.“ Tatsächlich macht sich der Druck von unten bemerkbar: Mitte April gestand BDA-Chef Dieter Hundt der Stuttgarter Zeitung, der DGB-Vorsitzende Michael Sommer habe signalisiert, seine Position im DGB nicht mehr lange halten zu können.

Rückendeckung erhalten Kritiker der Initiative nun auch durch ein RWI-Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums: „Für diesen massiven Eingriff in die Koalitionsfreiheit eine Rechtfertigung zu finden, dürfte sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus ökonomischer Sicht äußerst schwer sein“. Zugleich warnen die Verfasser vor einer Politik „auf Zuruf starker Interessensverbände“. Unter keinem denkbaren Blickwinkel sei daher ein Handlungsbedarf zu erkennen. Dies sieht laut einer Emnid-Umfrage auch die Mehrheit der Bevölkerung so: 56% befürworten die Tarifpluralität, 75% lehnen Streikverbote für bestimmte Berufsgruppen ab.

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