Kultur

Vom Ich zum Wir mal anders

Reflexionen eines Kulturaktivisten über anarchistische Kulturarbeit

Uns erreichte diese Zuschrift von Mick Mayerbeetle aus München, Anarcho-poetry Aktivist und Verfasser mehrerer Schriften zu Anarchismus und Kultur. Wir können hier leider nur den ersten Teil des Artikels abdrucken:

Anarchistische Kulturarbeit, dass klingt zunächst mal sehr spannend. Anarchie bedeutet Freiheit der Kunst, Kreativität ohne Grenzen und Event! Dazu als Vision die Aufhebung der Trennung zwischen Künstlern und Publikum. In der Theorie ein wirklich verlockender Ansatz. In der Praxis braucht es dazu erst mal die geeigneten Räumlichkeiten, gut zugänglich, kein Eintritt, kein Verzehrzwang. Dazu ist ein Konzept sehr hilfreich. Wir entschlossen uns in München dazu, eine offene Bühne für Musik, Literatur und Poetry Performance zu machen. Jede/r kann sich in eine offene Liste eintragen und hat dann eine Viertelstunde Zeit zu performen. Dieses einfache Konzept änderte sich im Laufe der Jahre. Zunächst war das Publikum von dem Open Space überfordert: Nach drei bis vier Darbietungen verließen die Leute die Location, besonders wenn es sich um Literatur handelte. „Da reicht’s dann irgendwann, und du willst nicht mehr zuhören“, so der Tenor. Dazu von Seiten der Wirtinnen der Hinweis auf die geltenden Gesetze, wonach Musikveranstaltungen der Genehmigung durch die Stadt München bedürfen und vorher angemeldet werden sollen. Ein schwieriges Unterfangen bei einer offenen Liste, da wir ja selbst nie wussten, wer kommt und wie der Abend dann verlaufen wird.

Die verschiedenen Hierarchie-Ebenen bewusst machen

Also erste Änderungen. Zunächst haben wir die Darbietungen auf vier verkürzt, um danach auch noch Raum für Austausch und Kommunikation zu haben. Auch Name und Konzept wurden verändert. Aus „open Mic“ wurde „Wort und Schall – die offene Bühne für Literatur, Kleinkunst, Poetry Performance und Lebensfreude“. Nach Nancy Pfeifer und Thomas Glatz hat zunächst ein Kollektiv die Drecksarbeit übernommen, als dann aber getreu dem Motto „Nimm du ihn, ich hab ihn sicher“ gar nichts mehr ging, ging die Drecksarbeit auf mich über… Als „Drecksarbeit“ bezeichne ich: den Kopf hinhalten, Equipment schleppen, Flyer drucken, Veranstaltungshinweise an Medien weitergeben und einen Newsletter schreiben. Mein Ziel ist es, diese Arbeit wieder mit anderen Kulturguerillas zu teilen. Dann gibt es da ja noch die Künstler und das Publikum. Also die Menge, die im anarchistischen Ansatz nicht geteilt sein sollte, im realen Leben aber nichts von ihrer Einheit weiß. Kein Eintritt bedeutet auch keine Gage, damit haben Künstler Schwierigkeiten. Kein Eintritt bedeutet keine Qualität, denkt das Publikum. Kein Verzehrzwang bedeutet kein Umsatz, denkt die Wirtin. Wieso kommt kein Schwein, denken die Veranstalter. So kabeln alle vor sich hin, und da gilt es anzusetzen. Dieser Ansatz bedeutet mühsame Kleinarbeit, Permanenz und Bescheidenheit. In unserer Welt gibt es Konsumenten und Anbieter, das sitzt ganz tief in den Köpfen. Erschwerend kommt hinzu, dass die ganze anarchistische Bewegung höchst unterschiedlich ist und teilweise auch sehr abgeschottet existiert. Was an der Propaganda der Mainstream-Medien und am eigenen Verhalten liegt. Ja, jetzt bin ich bei meinem Lieblingsthema. Da ich niemandem, der sich engagiert, zu nahe treten will, da jede Art von Engagement für anarchistische Ideen größten Respekt verdient, spreche ich hier nur von meinen eigenen Erfahrungen: Ich war lange Zeit zu sehr auf den Kampf gegen äußere Hierarchien fixiert und habe dabei vergessen, dass auch in meinem Inneren viele hierarchische Vorstellungen und Konditionierungen existieren, die mich genauso unterjochen wie äußere Einflüsse. Diesen Ansatz halte ich für zukunftsweisend.

Weitere Informationen und Arbeiten von Mick Mayerbeetle findet ihr unter: www.mayerbeetle.de

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Die Redaktion der Direkten Aktion.

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