Globales

Ein Trikot für den Scab

Streiks, Aussperrungen, verschleppte Verhandlungen – auch im internationalen Profisport werden Arbeitskämpfe geführt

Selbstder höchstbezahlte Profifußballer ist immer noch abhängig beschäftigt und hat so seine Probleme mit den Arbeitsbedingungen.Die Ziele von Spielergewerkschaften, wie etwa der VDV in Deutschland (siehe Dribbeln, flanken, organisieren), sind allerdings etwas anders gelagert als die von klassischen Gewerkschaften. Während Fortschritte wie Zahlungsverpflichtungen für Urlaubsgeld und die Berücksichtigung von Prämien im Krankheitsfall eher unspektakulär am Verhandlungstisch erreicht wurden, schaffte es insbes. das Bosman-Urteil von 1995, auch außerhalb der Sportressorts Schlagzeilen zu machen (siehe Wettbewerb total).

Ein echter Arbeitskampf mit dem klassischen Mittel des Streiks steht jedoch in den meisten europäischen Ländern noch aus. In Spanien wurde im April 2010 ein angedrohter dreitägiger Ausstand in der Primera División abgewendet – dabei ging es um die Zahlung ausstehender Gehälter. In Italien drohte man im Dezember 2010 damit, einen Spieltag der Serie A zu bestreiken, weil die Liga in den neuen Kollektivvertrag zwei Klauseln aufnehmen wollte: Erstens sollten Spieler ohne Einspruchsrecht transferiert werden können, wenn sie beim neuen Verein keine finanziellen Einbußen in Kauf nehmen müssten und mindestens vergleichbare Aussicht auf Erfolg haben würden. Zweitens sollte das Training von Stammspielern und Ergänzungsspielern getrennt werden. Die Liga lenkte auch hier rechtzeitig ein.

Und doch ist der letzte Fußballstreik in Europa nicht lange her: Im Mai 2011 wurde in der ersten norwegischen Liga der 9. Spieltag nicht angepfiffen – die Profis kämpften u.a. um einen besseren Kündigungsschutz und das Recht auf freie Schuhwahl. Dass der Kicker-Ausstand international kaum wahrgenommen wurde, hatte keinen Einfluss auf den Erfolg des Streiks: Nach dem ausgefallenen Spieltag kam es zu einer schnellen Einigung.

Konterspiel im Arbeitskampf

Ganz anders sieht es in den USA aus, wo die vier professionellen Sportligen mit ihren Clubs als regelrechte Wirtschaftsunternehmen operieren und die Spieler seit den 1950er Jahren in Gewerkschaften organisiert sind.Kam es in den 1970er oder 80er Jahren zu einem Arbeitskampf, handelte es sich fast immer um einen Streik, später wurden die Spieler zumeist ausgesperrt. Denn durch eine Gesetzesänderung können Arbeitgeber seit geraumer Zeit sehr einfach Streikbrecher (scabs) einstellen – solange es sich nicht um einen Streik wegen „unfairer Arbeitspraktiken“ handelt. Unter dieses Stichwort fällt zwar auch die Weigerung eines Arbeitgebers, mit der zuständigen Gewerkschaft zu verhandeln, aber um dies zu umgehen, genügt es ja schon, an Verhandlungen teilzunehmen und nur kleine Zugeständnisse anzubieten.

Aus diesem Grund sind viele US-Gewerkschaften dazu übergegangen, sich nicht zu einem Streik provozieren zu lassen und stattdessen sog. Slowdowns, eine „weiche“ Form des Streiks, einzusetzen: Die Beschäftigten machen nur das, wozu sie verpflichtet sind („Dienst nach Vorschrift“), Überstunden werden verweigert und die Produktivität wird durch besonders intensive Befolgung etwa von Sicherheitsbestimmungen gesenkt. Die Gewerkschaften versuchen so, dem Arbeitgeber eine Reaktion zu entlocken: im Idealfall eine ernsthafte Verhandlungsaufnahme – oder aber eine Aussperrung. Denn wenn die Beschäftigten ausgesperrt sind, besteht für sie Arbeitsplatzsicherheit und sie können die sozialen Leistungen für Arbeitslose in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund versucht jede Seite, die Gegenseite dazu zu bringen, als erste zu handeln.

Im American Football, der Sportart mit den größten Einschaltquoten in den USA, gab es den ersten Streik im Jahr 1982. Er dauerte 57 Tage und hatte zur Folge, dass die Saison von 16 auf neun Spiele pro Team zusammengestrichen werden musste. Zudem wurde der Superbowl Champion durch ein geändertes Playoff-System ermittelt. Die Spielergewerkschaft NFLPA erstritt damit eine Erhöhung des Spieleranteils an den Einnahmen der Clubs.

Sechs Jahre Nachspielzeit

War der Streik von 1982 noch erfolgreich, kehrten sich 1987 die Vorzeichen um. Der Streik wirkte auf Gewerkschaftsseite völlig ungeplant. So wurde es versäumt, eine Streikkasse einzurichten. Viele Spieler streikten zwar, doch die Liga ließ die Spiele einfach mit einigen Streikbrechern und billigen, neu verpflichteten Ersatzspielern austragen. Trotz des vier Wochen andauernden Streiks fiel so nur ein einziger Spieltag aus. Die Fernsehsender übertrugen diese Spiele und versuchten alles, um den Eindruck zu erwecken, die Qualität des Spiels hätte dadurch nicht sehr gelitten. Letztlich musste die Gewerkschaft einlenken und der Streik wurde beendet. Zugleich legte die NFLPA ihren Gewerkschaftsstatus ab. Denn aufgrund einer Besonderheit im US-Recht sind kartellrechtliche Klagen einzelner Spieler zulässig, wenn keine Gewerkschaft für sie existiert. Es sollte bis 1993 dauern, bis die kartellrechtlichen Klagen so weit fortgeschritten waren, dass man sich wieder an den Verhandlungstisch setzte. Es wurde ein neuer Kollektivvertrag abgeschlossen, der u.a. Spielern bedingt die Möglichkeit bot, bei abgelaufenen Verträgen zu einem anderen Team zu wechseln.

Nach diesem Streik mit seinen sechs Jahren andauernden Klagen fühlte man sich auf beiden Seiten als Verlierer. Und so sollte es bis ins Jahr 2011 dauern, dass wieder ein Arbeitskampf entbrannte. Dieses Mal legte die NFLPA gleich zu Beginn den Status einer Gewerkschaft ab, was die Liga mit einer Aussperrung beantwortete. Zur Zeit laufen verschiedene Klagen gegeneinander, der Ausgang ist noch ungewiss.

Für einen europäischen Fan, bei dem schon die Drohung genügt, einen einzigen Spieltag zu bestreiken, damit er sich große Sorgen um seine Lieblingssportart macht, mag das schon drastisch klingen.Doch im Eishockey, in der NHL, fiel 2004/2005 sogardie komplette Saison einem Spielerausschluss zum Opfer. Und in der NBA, der Basketball-Liga schlechthin, gab es 1998/1999 eine Aussperrung, die zu einer Saisonverkürzung auf 50 Spieltage führte. Die Popularität der Liga nahm dadurch deutlich ab, die Zuschauerzahlen sanken dauerhaft um einige Prozentpunkte. Trotzdem wird schon jetzt befürchtet, dass es zur nächsten Saison erneut zu einem Streik oder einer Aussperrung kommen wird – die Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag stehen an.

Weitere Artikel zum Thema Sportökonomie: siehe das Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe.

Boris Mayer & Elke Wittich and Redaktion

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