Kontrolle, Überwachung, Einschüchterung – diesmal: Handy-Erfassung bei Dresdner Demo +++ Big-Brother-Awards für Zoll und Daimler +++ Studie: Videoüberwachung nutzlos
Auch in diesem Jahr verlieh der in Datenschutz-Kreisen renommierte Verein FoeBuD wieder die „Big Brother Awards“ an Institutionen, „die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen“. Im Bereich Arbeitswelt standen der Zoll (Finanzministerium) und die Daimler AG im Rampenlicht. In der Laudatio heißt es, das vom Zoll „angepriesene Zertifizierungsverfahren für Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte“ (kurz: AEO) empfehle Unternehmen, die in die USA exportieren, den „Abgleich mit dortigen Antiterrorlisten“. Eine Rechtsgrundlage gemäß dem Bundesdatenschutzgesetz fehle für dieses Vorgehen jedoch. Der Stuttgarter Autobauer wurde seinerseits stellvertretend für eine Reihe weiterer Großunternehmen ausgezeichnet: Von 2004 bis 2009 habe Daimler von allen BewerberInnen Blutproben verlangt – heute betreffe dies noch immer alle KandidatInnen für den Produktionsbereich. Flächendeckend sei diese „freiwillige“ Praxis auch bei der BASF, bei der Deutschen Börse, bei K+S, Linde, bei Salzgitter Stahl und ThyssenKrupp sowie bei zahlreichen Landesrundfunkanstalten der ARD nicht unbekannt. (AE)
Im Rahmen der Proteste gegen die Nazidemo am 19. Februar 2011 in Dresden wurden ausgehende und eingehende Handy-Anrufe sowie versendete SMS-Texte umfassend ausgespäht. Das berichtete die taz. Ingesamt seien über eine Million Daten erfasst und gespeichert worden, darunter auch die Positionen der Handy-BesitzerInnen, die sich innerhalb eines Gebiets in der Dresdner Südvorstadt aufhielten. Ein solche sog. „Funkzellenauswertung“ war ursprünglich zur „Aufklärung von schwerem Landfriedensbruch“ vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft Dresden prüfe das Vorgehen der Polizei derzeit noch, vermute aber, so die taz, einen Rechtsbruch. (AL)
Einer Studie im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zufolge bringt die Videoüberwachung keinen zusätzlichen Nutzen bei der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten in der U-Bahn. In dem Untersuchungszeitraum sei die Anzahl der Straftaten leicht angestiegen, die Erfolgsquote sei aufgrund der geringen Wiedererkennbarkeit von Personen und der zeitaufwändigen Sichtung des Materials gering. Die Studie, die vom Berliner Büro für angewandte Statistik durchgeführt wurde, erfolgte im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluation der Videoüberwachung, die ihre Auswirkungen untersuchen und so die Verhältnismäßigkeit garantieren soll. Als Reaktion auf die Vorlage eines Zwischenberichtes der Wissenschaftler kündigte das Unternehmen den Forschungsauftrag. Waren die Forschungsergebnisse dem Auftraggeber nicht genehm? Der Humanistischen Union zufolge wurde die Studie erst auf ihren Druck hin veröffentlicht, die BVG habe vorher versucht, das Dokument zurückzuhalten. Ungeachtet der Erkenntnisse dieser Untersuchung plant die BVG eine weitere Ausweitung der Videoüberwachung. Unter anderem begründet sie das mit mehreren Fällen schwerer Körperverletzung in den letzten Monaten, durch die sie die Bevölkerung offener für eine Verschärfung der Überwachung sehen. (DC)
Am 16. Juni hat Bundesinnenminister Friedrich offiziell das „Nationale Cyber-Abwehrzentrum“ eröffnet. In der dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterstehenden Einrichtung sollen u.a. Angehörige verschiedener Geheimdienste, der Bundespolizei und des Zolls Angriffe auf IT-Systeme staatlicher oder wirtschaftlicher Institutionen untersuchen. Die Eröffnung des Abwehrzentrums fällt in eine Zeit zahlreicher aufsehenerregender Hacks, z.B. der Computersysteme des IWF, des amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin oder des japanischen Elektronikkonzerns Sony. Bereits 2007 wurden zahlreiche estnische Webseiten von russischen Hackern angegriffen, auch direkte Angriffe auf staatliche Infrastruktur, wie die Sabotage iranischer Nuklearanlagen mit dem Wurm Stuxnet seien denkbar. Zahlreiche Staaten wie Frankreich, China oder die USA arbeiten an ähnlichen Institutionen. Eine im Mai 2011 veröffentlichte Strategie des US-Verteidigungsministeriums für einen sog. Cyberkrieg sieht vor, besonders schwere Angriffe mit elektronischen Mitteln solchen mit konventionellen Waffen gleichzusetzen. Dies könnte auch Angriffe mit konventionellen Kriegswaffen auf die betreffenden Staaten zur Folge haben. (DC)
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