Betrieb & Gesellschaft

Die guten Unternehmen

Die DA sprach mit Jochen von der FAU Hamburg über Kollektivbetriebe und deren Bedeutung für eine libertäre Ökonomie.

Zuletzt gab es hierzulande nach 1968 eine Gründerzeit für Kollektive. Heute ist es still geworden um diese „Branche“. Gibt es sie noch, die Kollektivbetriebe, und wie ist ihre Lage?

Es gibt sie noch, aber viele haben deutliche Kompromisse gemacht. Das reicht von massiver Selbstausbeutung auf der einen Seite bis zu Konstruktionen wie ‚Geschäftsführer-Kollektiv‘ auf der anderen. Längere Zeit zu überleben, ohne die politischen Ansprüche aufzugeben, funktioniert eigentlich nur für Kleinbetriebe in ökonomischen Nischen.

Wodurch unterscheiden sich kollektive von „normalen“, kapitalistischen Betrieben?

Ein Kollektivbetrieb muss sich unserer Auffassung nach an drei Prinzipien orientieren: (a) basisdemokratische Entscheidungsstrukturen und Organisationsaufbau, (b) Orientierung an der Idee des Gemeineigentums bzw. des Gemeinnutzens und (c) Entwicklung von Alternativen zur Marktwirtschaft. Das erste lässt sich unter kapitalistischen Bedingungen noch einigermaßen umsetzen. Die anderen beiden jedoch lassen sich mit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung nicht einmal theoretisch vereinbaren. Deshalb liegen hier auch die größten Probleme bei der Umsetzung und zugleich die größten politischen Potentiale.

Zum FAU-Kongress 2011 hat die FAU Hamburg ein „Positionspapier Kollektivbetriebe“ vorgelegt. Was war euer Ziel?

Bei der Aufarbeitung des großen Krachs bei Café Libertad ist uns klar geworden, dass unser Verhältnis als Gewerkschaft zu Kollektivbetrieben ganz allgemein ziemlich intuitiv ist. Kollektivbetriebe sind irgendwie die ‚guten Unternehmen‘, aber was ein ‚gutes Unternehmen‘ eigentlich ausmacht, ist nicht recht klar. Hier sollte unser Papier Abhilfe schaffen.

Der Kongress richtete eine Arbeitsgruppe zu dem Thema ein. Was kam dabei heraus und wie geht es weiter? Plant die FAU nun auch den Aufbau einer „Wirtschaftsföderation“?

Im Prinzip ja. Kollektivbetriebe zu gründen reicht nicht. Wir brauchen eine ‚Libertäre Ökonomie‘, und Kollektivbetriebe sind da nur ein Element. Zunächst muss jedoch konzeptionell entwickelt werden, wie eine ‚Libertäre Ökonomie‘ konkret funktionieren könnte. Da gibt es einen Haufen Unklarheiten und offene Fragen. In der AG haben wir uns vorgenommen, zunächst einmal die Beschlüsse der CNT zu diesem Thema auszuwerten. Dann sehen wir weiter.

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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