Laut offiziellen Angaben des Instituts der Allgemeinen Griechischen Angestellten- und Arbeitergewerkschaft (GSEE) soll es bis Anfang 2012 in Griechenland mehr als 1,2 Millionen Arbeitslose geben. Insbesondere die Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren sei schwer betroffen von einer Arbeitslosenquote, die im nächsten Jahr bei nicht weniger als 45% liegen soll. Bei einem 48-stündigen Generalstreik sind am 19. und 20. Oktober diesen Jahres täglich mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Allein in der Hauptstadt Athen waren es täglich mehr als 500.000 Menschen. Der Begriff des „General“-Streiks wird in Griechenland jedoch in den letzten Jahren oft mit einer gewissen Leichtigkeit verwendet. Während Studierende, Arbeitslose, Teilzeitbeschäftigte, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes demonstrieren, leistet zur selben Zeit die restliche Bevölkerung, also Angestellte aus dem privaten Sektor oder Migranten unbezahlte Überstunden. Inwieweit kann aber ein Staat durch einen „General“-Streik von Beamten unter Druck gesetzt werden, wenn die Wirtschaft des Landes hauptsächlich aus Dienstleistungen besteht, die von der einen Hälfte der Bevölkerung der anderen Hälfte angeboten werden? Am ersten Tag des Generalstreiks haben in Thessaloniki jedoch zum ersten Mal auch einige kleine Supermärkte am Streik teilgenommen. In Thessaloniki blühten einst Export- und Kleinbetriebe. Heute liegt der ökonomische Schwerpunkt auf mittelständischem Handel, Unterhaltung und Import. Bei der den Streik begleitenden Demonstration wurden andere Geschäfte, insbesondere Luxusartikel-Ketten, Ziel von sogenannten „Renovierungsaktionen“ der Demonstranten. Dasselbe Schicksal traf auch die Schutzzäune einiger Bankfilialen. Die Polizei, die als Beamten der öffentlichen Sicherheit ein Siebtel der griechischen Beamten bilden, konnte nicht eingreifen, bevor die Menschenmassen der Demonstration sich aufgelöst hatten. Diese hatten für mehrere Stunden – zwar langsam und mit leiser Stimme, jedoch konstant und entschlossen wie noch nie – das Zentrum der Stadt lahm gelegt. Die Ausnahme vom allgemeinen Bewusstsein haben die Blocks der offiziellen gewerkschaftlichen Organe gebildet. Auch in solchen Momenten zögerten sie nicht, Stadt und Regierung lediglich um Gnade anzuflehen: „Wir ertragen es nicht mehr!” stand auf dem Transparent der Allgemeinen Griechischen Angestellten- und Arbeitergewerkschaft (GSEE). Glücklicherweise existieren jedoch noch andere Gewerkschaften, Gruppen und Bewegungen, die dieses Niveau Forderungen zu stellen für unzureichend halten. Die Zeit ist reif für ihre Vorschläge, die von unten kommen – für den Aufbau von neuen Institutionen und Beziehungen.
Die Linke zwischen Protest und Staatsraison
Für Donnerstag, den 20. Oktober war im griechischen Parlament die Abstimmung über die neuen Sparmaßnahmen angesetzt. Für diesen zweiten Tag des Streiks hatte die griechische kommunistische Partei KKE und deren Gewerkschaft (PAME) seit Tagen zu einer „Einkreisung” des Syntagma-Platzes vor dem griechischen Parlament in Athen aufgerufen. Eine „Einkreisung”, die im Wesentlichen den Forderungen nach einem Sturm des Parlamentes entgegengestellt wurde. Zudem würde die „Einkreisung“ das Parlament vor etwaigen Angriffen schützen, eine schwierige Aufgabe, die die Polizei alleine schwer bewerkstelligen konnte. Die Behinderung eines jeglichen Annäherns an das Parlament durch andere Demonstranten führte zu einem Angriff auf den Block der kommunistischen Partei und zu eineinhalb Stunden Ausschreitungen zwischen den unbeweglichen Kommunisten auf der einen Seite und dem antiautoritären Block sowie anderen Demonstranten auf der anderen Seite. Sämtliche Fernsehkanäle standen auf der Seite der Kommunisten, selbst die Morgensendungen wünschten sich, dass „alle friedlich bleiben und das griechische Volk ungeteilt bleibt“. Die Sekretärin der griechischen kommunistischen Partei, Aleka Paparriga, kam aus dem gesperrten Parlamentsgebäude und gab ein öffentliches Statement. Umringt von dem Block ihrer Parteiangehörigen segnete sie dessen Handlungen ab und ging wieder zurück ins Parlament. Somit wurde auch der letzte Zweifel ausgeräumt, dass ihre Partei KKE vieles zu verlieren hätte, falls es tatsächlich zu einem Sturm des Parlamentes durch die Demonstranten kommen würde. In einem, an diesem Tag entworfenen Logo sieht man das Emblem der kommunistischen Gewerkschaft (PAME) umringt von dem Emblem der Polizei.