Der große Bruder schaut dich an

logo_grosser_bruder.jpgDer „Große Bruder“ sendet seine Späher aus

In den letzten Jahren wurde immer wieder versucht, die Spielräume staatlicher Sicherheitsorgane zu erweitern: Der „große Lauschangriff“, die Bundeswehr im Innern, die Vorratsdatenspeicherung und eben die Online-Durchsuchung, die gemäß eines Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2008 nur unter strengen Auflagen zulässig ist. Erlaubt ist allerdings die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), beispielsweise wenn über Skype kommuniziert wird. Dies ist auch der offizielle Grund der – laut CDU-Fraktion – bisher über 100 Einsätze des „Bundestrojaners“.

Als dem Chaos Computer Club nun so ein Trojaner in die Hände fiel, kam heraus, dass dieser auch Screenshots ermöglicht und andere Programme nachladen kann. Zudem bleiben die erzeugten Lücken offen: Ein Einfallstor für weitere Hacker. Noch verheerender ist der zweite Trojaner, der von der Internetsicherheits-Firma Kapersky gefunden wurde: Dieser kann auch verschiedene Browser und Chat-Clients überwachen. Inwieweit der Trojaner eingesetzt wurde, ist noch unklar. Allerdings scheint der Skandal noch weitere Kreise zu ziehen: So berichtete ein Mitarbeiter eines Virenschutz-Herstellers der Zeitschrift Computer Bild, seine Firma habe den Behörden in einem Fall dabei geholfen, den Trojaner für den Viren-Scanner unsichtbar zu machen.

Die Empörung gegen diese Maßnahmen schlägt derweil hohe Wellen. Offensichtlich wurde hier das vom BverfG formulierte „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ verletzt. Inzwischen kann man auch „Anti-Bundestrojaner“ herunterladen, die die Spähsoftware entfernen sollen. Für die zunehmende Sensibilität in der Bevölkerung spricht auch das Fallen der Zustimmungswerte zur Online-Durchsuchung von 65 % (2007) auf 43 % (2011).

Datensammlung per Like-Button rechtswidrig

Die Landesdatenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen schließen sich laut einem Bericht bei Spiegel online ihren KollegInnen in Schleswig-Holstein an: Das Sammeln von Daten per „Like“-Button, wie auf der Social-Network-Plattform Facebook möglich, ist rechtswidrig. Die Begründung: User werden nicht hinreichend darüber informiert, welche Daten in die USA übermittelt werden und was dort mit ihnen geschieht. Zudem würden über die Like-Buttons auch Daten von Nicht-Facebook-Mitgliedern gespeichert.

In Facebooks 46.000 Zeichen umfassenden Datenschutzrichtlinien, findet sich erst im vorletzten Absatz etwas über die Datenverarbeitung in den USA: „Durch die Verwendung von Facebook stimmst du der Übertragung und Verarbeitung deiner persönlichen Daten in den USA zu“.

ELENA wird abgeschafft

Die Arbeitnehmer-Datenbank Elena ist vorläufig vom Tisch. Von Anfang an war sie höchst umstritten. Jetzt hat das Bundeskabinett einen Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium verabschiedet, nachdem das Verfahren des „Elektronischen Entgeltnachweises“, kurz Elena, komplett eingestampft wird. Das heißt auch, dass die bisher 700 Millionen (Quelle: Spiegel online) gesammelten Datensätze wieder gelöscht werden.

Die Abschaffung des Arbeitnehmer-Kontrollinstruments kann als ein Erfolg der protestierenden Betroffenen, einiger Gewerkschafter und Datenschützer verzeichnet werden. Zwar wurde die mangelnde Verbreitung von elektronischen Signaturen als Grund des Scheiterns von Elena angegeben, ohne die der Prozess kaum mit den Datenschutzrichtlinien vereinbar gewesen wäre. Dennoch war aber wohl der massive Druck ausschlaggebend, den GegnerInnen von Anfang gegen die Einführung der Datenbank ausgeübt hatten.

Ganz aufgeben möchten die Kontrollfreaks Elena jedoch nicht. Wie heise.de berichtete, habe das Kabinett im Gegenzug zum Ende von Elena Eckpunkte für ein „projektorientiertes Meldeverfahren in der Sozialversicherung“ beschlossen. Für dieses soll die Erfahrung und die Infrastruktur aus dem Elena-Verfahren dienstbar gemacht werden.

 

Illegale Vorratsdatenspeicherung durch Mobilfunkanbieter

Artikel 10 des Grundgesetzes besagt, dass „das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis […] unverletzlich“ sind. Scheinbar nimmt man’s bei T-Mobile, Vodafone und E-Plus damit nicht so genau. Nach dem die EU-konforme verdachtslose Vorratsdatenspeicherung im Januar 2008 eingeführt wurde, der zu Folge alle eingehenden und abgehenden Rufnummern sowie die geografische Lage der genutzten Funkzelle und einiges mehr für mindestens 6 Monate gespeichert werden können, erklärte das Bundesverfassungsgericht im März 2010 dieses Gesetz für verfassungswidrig.

Normalerweise sollten Telefonfirmen Verbindungsdaten nur noch solange speichern dürfen, wie für die Abrechnung nötig ist. Der Ort, von dem das Gespräch geführt wurde, zählt überhaupt nicht dazu. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) jedoch drängt darauf, die umfassende Datenspeicherung wieder einzuführen. Eine Neufassung des Gesetzes soll den Einklang mit dem GG herstellen. Wobei ein Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bezweifelt, ob sich die Vorratsdatenspeicherung überhaupt mit der EU-Grundrechte-Charta vereinbaren lässt.

Der Berliner Zeitung liegt nun eine Aufstellung der Generalstaatsanwaltschaft München vor, aus der hervorgeht, dass mehrere große Mobilfunkanbieter die sensiblen Daten für einen bis 6 Monate speichern – also rechtswidrig gehandelt haben. Wer telefoniert also mit wem? Und zwar: Von wo? Und wie lange?

Schreibe einen Kommentar