Kultur

Der lange Weg zurück

Endlich zu Hause: Die Bakuninhütte in Meiningen

Die Hütte kann nur zu Fuß erreicht werden.“ Geschichte ist Bewegung, Denken ist Beanspruchung des Körpers. Doch nichts verläuft geradlinig, nichts ist unausweichlich, kein Pfad vorherbestimmt: „Verschiedene Wege führen zur Bakuninhütte.“ Man kann sich dieser Hütte nur aufrechten Ganges nähern, um den so hart gekämpft wurde, für dieses Bauwerk, bei Meiningen, tief in der thüringischen Provinz. Aus der Ferne mit Gedanken betrachtet, erscheint das besagte Bauwerk wie ein robustes Gefährt durch den Sturm der Veränderung. Die Bakuninhütte, ab1925 erbaut, ist eines der sehr wenigen erhaltenen Kulturdenkmäler der syndikalistischen Bewegung vor 1933 in Deutschland.

Glanz und Drama der Bakuninhütte

Die Bakuninhütte entstand in den 1920er Jahren auf einer Selbstversorgungsfläche hungernder ArbeiterInnen. Diese kamen aus Meiningen und Umgebung und waren überwiegend in der „Freien Arbeiter Union Deutschland“ (FAUD) organisiert. Aus dem Gemüsefeld wurde im Laufe der Jahre erst eine einfache Schutzhütte und später ein Steinhaus und der „Siedlungsverein gegenseitige Hilfe“ gründete sich. Die Kunde von diesem Ort verbreitete sich recht schnell. Neben der sonntäglichen Nutzung als Ausflugsziel und Urlaubsstätte für ArbeiterInnen aus dem damaligen Reichsgebiet fanden überregionale Treffen der syndikalistisch-anarchistischen Jugend statt. Auch Persönlichkeiten wie Augustin Souchy und Erich Mühsam machten Station in Meiningen. 1932 wurde der letzte Erweiterungsbau begonnen. Nur wenig später kam es zur Enteignung durch die Nazis, auf die eine jahrzehntelange Odyssee mit verschiedenen Nutzungen folgte: Bis 1945 diente die Bakuninhütte der SS, der Nazi-Jugend und Privatpersonen. Nach einer erneuten Enteignung wurde sie der SED Meiningen übertragen und als Jugendferienlager, betriebliche Ferienstätte, Stützpunkt für jugendliche Naturforscher und als Übungsgelände der Bereitschaftspolizei genutzt. Nach der Wende fiel die Hütte dem Bundesvermögensamt zu. Bemühungen um Rückübertragung scheiterten. Erst 2005, nachdem der Staat das historische Bauwerk immer mehr verfallen gelassen hatte, gelang der Kauf der Hütte mit viel zusätzlicher Freifläche, woraufhin sich ein Jahr später dann der „Wanderverein Bakuninhütte e.V.“, Meiningen, als Nutzer- und Unterstützungsverein gründete, welcher inzwischen ca. 80 Mitglieder zählt. Wie schon in den 1920er Jahren wurde der Kaufpreis durch Spenden und Direktkredite finanziert. Mitte 2011 hat der Verein bereits Dreiviertel der noch vom Kauf offenen Darlehenssumme getilgt.

Bakunin und das Landratsamt

Begonnene Reparaturarbeiten wurden im Oktober 2009 unterbrochen: Das Bauamt des Landkreises untersagte den Zutritt und die Nutzung der Bakuninhütte. Auf keinen Fall solle heute hier eine „Wallfahrtsstätte“ entstehen. So ließ sich Uwe Kirchner, Pressesprecher des Landratsamtes in Meiningen, im April 2011 zitieren. Eine Wallfahrtsstätte wofür oder für wen? Für die Erinnerung an die ursprüngliche Idee der Menschen, die die Bakuninhütte erbauten – entschiedenen Feinden des Nationalsozialismus? Oder etwa für den Namensgeber Michail Alexandrowitsch Bakunin? Sollte letzterer gemeint sein, so wäre die Angst des Landratsamtes in Meiningen von geradezu possierlicher Komik: Die Heerscharen von Bakunin-Verehrenden, die sich womöglich jedes Jahr am 1. Juli (dem Todestag des vielleicht ersten explizit anti-nationalen Revolutionärs) auf nach Meiningen machen – eine herrliche Paranoia deutscher Provinzverwaltungsbeamter.

Erst im März 2011 kam es zu einer Einigung mit der Baubehörde vor dem Oberverwaltungsgericht Weimar. Zwar darf nun keine Gastronomie betrieben und die Hütte nicht für Übernachtungen genutzt werden, doch nun dürfen wieder alle Sanierungsarbeiten durchgeführt werden. Dieser langwierige Rechtsstreit kostete den Verein mehr als 5.000 Euro.

Ein neues Kapitel

Heute, nach über 90 Jahren, scheint es so, als ob die Bakuninhütte tatsächlich wieder auf eine gesicherte Existenz als Ausflugs- und Wanderziel zusteuert. Ausstellungen sind ebenso geplant, wie die Möglichkeit für sozial engagierte Menschen Treffen abzuhalten und vieles andere mehr. Der Wanderverein Bakuninhütte e.V. hat sich inzwischen auch über den Meininger Raum hinaus einen Namen gemacht: Neben fortlaufenden Reparaturarbeiten am historischen Gebäude wurde recht viel zur Geschichte der Bakuninhütte geforscht und ein Archiv angelegt. Inzwischen verfügt das Vereinsarchiv über eine Bibliothek und weitere Zeugnisse der historischen F.A.U.D. Meiningen, Musikinstrumente, die an der Hütte erklangen und etliche Original-Fotos. Über die Bakuninhütte und den Verein wird regelmäßig wohlwollend in regionalen und überregionalen Medien berichtet: Highlights waren bisher ein Hörfunkbeitrag auf SWR II und ein Feature im Thüringen Journal des MDR-Fernsehens. Seit 2008 nimmt die Bakuninhütte regelmäßig an dem Tag des offenen Denkmals teil. Der Verein veranstaltet Vorträge, organisiert Wanderungen und gab 2010 eine Gedenkschrift für den ehemaligen Hüttenwart Fritz Scherer heraus. Die grundsätzlichen Sanierungsmaßnahmen sind bereits abgeschlossen, jedoch müssen Fenster eingesetzt, die Wände verputzt und die Fußböden saniert werden. Besonders wichtig ist dabei der Fenstereinbau, da dieser den Übergang vom Rohbau zum Trockenbau einleitet. Wie bisher wird der Verein auch in Zukunft darauf Wert legen, dass die jeweiligen Reparaturabschnitte von HandwerkerInnen der jeweiligen Gewerke begleitet werden, um professionelle Ergebnisse zu erzielen. Zusammen mit dem Architekten des Vereins beläuft sich der Bedarf auf 15. – 20.000 Euro, je nach Anteil der Eigenleistung. Jede helfende Hand, ob gelernt oder ungelernt, ist willkommen.

 Für weitere Reparaturmaßnahmen werden 15.000 – 20.000 Euro benötigt! Für
den Erhalt dieses seltenen Kulturdenkmals braucht der Wanderverein
Bakuninhütte:

… Geld
Mit dem Einbau von 16 Fenstern geht der Rohbau in den Trockenbau über:
Deshalb suchen wir Menschen, die Fensterpatenschaften (Euro 500,-)
übernehmen. Aber natürlich hilft der Hütte jeder Betrag – ob als Spende
(gegen Spendenquittung) oder Direktkredit. (Bitte fordere unser
Informationsblatt Direktkredite an.)

… Sachleistungen
Du kannst uns helfen beim Ausbau oder durch Materialspenden. Jede
helfende Hand, ob gelernt oder ungelernt, ist willkommen. Über alle
Möglichkeiten zur Unterstützung
informieren wir dich gerne!

… Weitere Informationen
Wanderverein Bakuninhütte e. V.
Ernestinerstraße 14
98617 Meiningen

Web: www.bakuninhuette.de/hilfmit
Mail: kontakt(a)bakuninhuette.de

… Spendenkonto
Wanderverein Bakuninhütte
Kontonummer: 101 180 428
Bankleitzahl: 790 691 65
Genobank Rhön-Grabfeld e. G.

 

Ulysses & Marcus Munzlinger

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Ulysses & Marcus Munzlinger

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