Der 28. Oktober, der „Óxi-Tag“, ist Nationalfeiertag in Griechenland. An diesem Tag hatte der faschistische Diktator Metaxás 1940 durch sein „nein“ (óxi) ein Ultimatum seines italienischen Kollegen Mussolini zur kampflosen Übergabe des Landes zurückgewiesen. Die italienischen Faschisten marschierten ein und wurden durch den Widerstand der griechischen Armee und der Bevölkerung geschlagen. Die erste Niederlage der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg. 1941 besetzten weit überlegene deutsche Truppen das Land. Bis zur Befreiung 1944 wurden zehntausende GriechInnen grausam ermordet, hunderttausende verhungerten. Zurück blieb ein zerstörtes Land.
Dass 2011, bei den Paraden am „Óxi-Tag“, griechische Honoratioren und PolitikerInnen als „Verräter“ beschimpft, mit Deutschlandfahnen verfolgt, gejagt und zum Teil geschlagen wurden, verdeutlicht die Wut vieler GriechInnen auf die einheimische Elite. Es ist auch ein Hinweis auf ihr Verhältnis zum mächtigsten Staat der EU. Nach zwei Jahren kapitalistischer Verarmungspolitik, die maßgeblich von Deutschland gegen breite Bevölkerungsschichten Griechenlands durchgesetzt wurde, liegen die Nerven blank. Dass der in Athen eingesetzte Leiter der EU-Task-Force, Horst Reichenbach, der bei der Umsetzung der durchgeprügelten Sparpakete und Privatisierungsgesetze helfen soll, Deutscher ist, passt ins Bild. Viele GriechInnen verweisen auf die Gräuel während der deutschen Besatzung, für die bis heute keine Reparationszahlungen geleistet wurden. Andere betonen süffisant die erste Silbe in Reichenbachs Namen, um Assoziationen mit den Nationalsozialisten zu wecken.
Da die Regierung in Athen nun auch die restlichen Staatsbetriebe verhökern soll, wirbt Reichenbach um Vertrauen: „Ein guter Investor sucht immer nach günstigen Gelegenheiten“. Fügt er dann noch hinzu, dass Griechenland derzeit „großartige Gelegenheiten“ biete, wird dies zu Recht als Drohung verstanden: Als solle die Niederlage der Deutschen im Zweiten Weltkrieg nun durch einen wirtschaftlichen Raubzug wettgemacht werden.
Als „Durchbruch zur Stabilitätsunion“ feierte Angela Merkel noch im November das Ergebnis des EU-Gipfels. Dort haben sich die Staaten der Eurozone zu „strikter Haushaltsdisziplin“ verpflichtet; „Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt“ führen ab sofort zur automatischen Einleitung eines Defizitverfahrens. Der seit zwei Jahren in Griechenland mit brutaler Polizeigewalt durchgesetzte soziale Kahlschlag soll so – durch eine völkerrechtliche Sonderregelung neben den EU-Verträgen – zum bindenden Modell in der EU werden.