Die FAU in Südwestsachsen hat seit langem mit der Problematik einer fest verankerten neonazistischen Szene zu kämpfen. Antifaschismus ist dort pure Notwendigkeit. Mit dem zu Tage treten des rassistischen Terrors des NSU hätte man auf ein Aufwachen hoffen können. Für die DA schildert Yve Segert Impressionen einer selbstgerechten Inszenierung aus Zwickau.
Ein Treffen am Rande des Stadtzentrums mit rund 100 Personen. Eine Kette mit Schildern von 192 Opfern von FaschistInnen seit 1990 aufgespannt. Auf geht’s durch die Stadt zur Kundgebung der „Anständigen“. Verdutze Menschen bei unserer Ankunft. Wir umspannen die komplette Kundgebung mit unserer Opferkette. Flyer werden verteilt. In Gesprächen machen wir unser Anliegen deutlich. Der örtliche rechte Stadtrat Klose wird inmitten der Kundgebung entdeckt. Die Kundgebungsleitung wird darauf hingewiesen. Bedauern über seine Teilnahme wird bekundet. Verwiesen wird er nicht. Dies passiert erst durch couragierte BürgerInnen. Jetzt ist die Welt wieder heil. Für die „Mitte“ der Gesellschaft!
Wir sind gekommen um gegen die Scheinheiligkeit dieser selbsternannten Mitte zu protestieren. Kaum ein Wort wird über die Opfer verloren. Extremismus ist der Grundtenor, rechts gleich links, Gewalt muss autoritär begegnet werden. Ums Image wird gebuhlt: Die Täter sind keine (gebürtigen) Zwickauer – sie schaden dem Ruf der Stadt – Zwickau ist kein Schwerpunkt der rechten Szene – alle sind bestürzt.
Verzweiflungsschreie nach Autorität und Lokalpatriotismus dominieren die Veranstaltung. Inhaltliche Auseinandersetzung: Fehlanzeige. Entwicklung und Umfeld der Nazis: uninteressant. Zwickau ist kein Einzelfall. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt die feste Verankerung von Elementen rechter Ideologien in der Breite der Gesellschaft. Gleichsetzung von menschenverachtender Ideologie mit emanzipatorischer Gesellschaftskritik dient als Nährboden und Legitimierung einer nationalistisch-konservativen Gesellschaft. So bringt der Tag wenig Neues. Ein kleiner Teil der „Mitte“ folgt dem Aufruf, ein symbolisches Zeichen zu setzen. Der weitaus größere Rest bleibt zu Hause.
Unsere Aktion trifft auf positive Resonanz. Dennoch: Unsere Hilflosigkeit im Umgang mit der Breite der Gesellschaft ist genauso groß wie der der „Mitte“ mit FaschistInnen. Wir brauchen keine oberflächlichen Aktionen. Keine für die „Mitte“ nicht nachvollziehbaren Parolen. Wir brauchen Konzepte. Konzepte um Menschen zum Denken und Handeln zu bewegen.