Kontrolle, Überwachung, Einschüchterung: ACTA ++ Grenzübergreifende Überwachung ++ gestiegene Abfrage von Privatkonten u.a.
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, wird im Wesentlichen unter dem Aspekt „Angriff auf das freie Internet“, „Schutz von Urheberrechten“ und „fehlende Transparenz im Entwicklungsprozess des Abkommens“ diskutiert. Was aber würde an Kontrolltechniken und Überwachungsmaßnahmen gegen den Internet-User ins Feld geführt werden, sollte das Abkommen abgesegnet werden?
Eine wichtige Änderung durch ACTA wäre, dass der Internet-Provider zukünftig für seine Nutzer zu haften hätte. Die Folge wäre, dass der Provider dazu gezwungen ist, Hilfsscheriff für den Staat zu spielen, d.h. seine Kunden auszuspionieren und zu kontrollieren. Um das zu gewährleisten, müssten gewaltige kommunikationsüberwachende Strukturen, wie z.B. Deep Packet Inspection (DPI) eingeführt werden. DPI ist ein Verfahren, das Datenpakete überwachen und filtern, sowie Datenströme regulieren kann.
Verstößt der User gegen geltendes Recht und wird dabei vom Provider erfasst, hat letzterer die Angelegenheit vor Gericht zu bringen oder gerät selber in Gefahr, belangt zu werden.
Der Rat der Europäischen Union möchte die grenzüberschreitende Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) in der EU neu regeln und standardisieren. Einen entsprechenden Entwurf hat der Rat laut der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch bereits eingereicht. Dem Papier zufolge sollen Telefonate auch in anderen Ländern unbürokratisch abgehört, E-Mails ausspioniert und Bestandsdaten erfasst werden können. Das war bisher nur durch Beantragung von Rechtshilfe möglich. Diese Hürde soll nun abgeschafft werden. ErmittlerInnen dürften sich dann direkt an ihre ausländischen KollegInnen wenden, die diese TKÜ dann übernehmen würden. Das könnte zum einen die Ermittlung der Behörden beschleunigen und würde gleichzeitig die richterliche Kontrolle über diesen Vorgang ausschalten.
KritikerInnen beklagen eine ausufernde Überwachungspraxis der EU-Mitgliedsstaaten, die über den Umweg EU auch noch standardisiert werden soll.
„Im Kampf gegen Sozialmissbrauch und Steuerbetrug“ (Weser Kurier) fragen Behörden immer häufiger Privatkontodaten ab. Gegenüber 2010 erhöhte sich die Zahl der Abfragen von Finanz- und Sozialämtern, Arbeitsagenturen und Bafög-Stellen um 5532 auf insgesamt 62 333.
Seit April 2005 ist es den Behörden erlaubt, zum Zwecke der „Förderung der Steuerehrlichkeit und Eindämmung von Sozialleistungsmissbrauch“ Konten von Bürgern zu kontrollieren. Dabei erhalten sie Zugriff auf alle Konten und Depots bei Banken und Sparkassen.
Damit wird eine als „Ausnahmeregelung“ eingeführte Maßnahme wird immer mehr zum Routinevorgang staatlicher Behörden.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Rechthaftigkeit der Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg-St. Pauli bestätigt. Das Urteil hat Signalwirkung: Die Überwachung öffentlicher Plätze ist damit grundsätzlich erlaubt. Begründung: „Das Sicherheitsbedürfnis und das Interesse der Polizei an der Verhinderung von Straftaten rechtfertigen Einschnitte in die Grundrechte von Anwohnern und Passanten“.
Das Leipziger Gericht folgt damit der Argumentation der Hamburger Behörden, die ein gleichlautendes Urteil auf Grundlage des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei gefällt hatten. „Zum Zwecke der Gefahrenabwehr“ auf der Hamburger Reeperbahn, laut Spiegel Online ein „Schwerpunkt der Straßenkriminalität“, solle mit Videoüberwachung ein „Abschreckungseffekt“ erzielt werden.
Die Bilder der Überwachungskameras werden laut Angaben der Behörden aufgezeichnet und 30 Tage lang gespeichert. Die Kameras können in alle Richtungen geschwenkt werden und auch Zielobjekte mit Zoomfunktion erfassen. Die Bilder werden dann direkt ins ansässige Polizeirevier übertragen, wo sie von den Beamten ausgewertet werden.
Die Klägerin in diesem Verfahren fühlt sich dagegen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. „Worum es mir geht, ist, dass ich nicht auf Schritt und Tritt überwacht werde, sobald ich aus dem Haus gehe“ (Spiegel Online).
In zwei Vorinstanzen hatte die Klägerin dagegen teilweise Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Hamburg hatten der Polizei untersagt, auch die Wohnräume des Hauses der Klägerin durch die Videoüberwachung zu erfassen.
Es bleibt aber das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Überwachung öffentlicher Plätze erlaubt und bestätigt.
Seit August 2009 werden die Nutzung von Internetseiten des Bundes und der E-Mail-Verkehr mit Bundesbehörden auf Vorrat gespeichert. Datenschützer haben nun Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht, nachdem sie vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert waren.
„Die Protokollierung der Netzkommunikation mit Rechnern deutscher Bundesbehörden muss abgestellt werden“, fordern die Kläger. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dürfe nicht frei von einem konkreten Anlass wahllos Kommunikationsdaten der BenutzerInnen sammeln. Durch die Kommunikationsüberwachung und Vorratsdatenspeicherung kann der Staat feststellen, wer sich wann für welche Internetseite interessiert hat und welche Begriffe in die Suchoption eingegeben wurden.
Das BSI rechtfertigt die Kontrollmaßnahmen mit der Abwehr und Bekämpfung von IT-Angriffen auf Internetseiten des Bundes. Die Kläger hoffen, bei einem Erfolg auch gleich die entsprechende EU-Richtlinie kippen zu können.
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