Betrieb & Gesellschaft

…ein bißchen richtiger im Falschen

Kollektivbetriebe als Ideal und Bestandteil der syndikalistischen Bewegung. Wir stellen ein paar Beispiele vor…

Als „Schulen der Utopien“ im Alltag des Kapitalismus, aber auch als konkrete Antwort auf die kapitalistischen Verhältnisse – Kollektivbetriebe stehen für die Versuche, die eigenen Ideen einer befreiten Gesellschaft vorwegzunehmen und innerhalb der existierenden Widersprüche auszuprobieren. Auch aus der FAU heraus, oder ihr zumindest nahestehend, gab es immer wieder Versuche, Kollektive zu gründen. Die DA bat vier Kollektive, sich einmal näher vorzustellen.


Hamburg | Das „Quijote Kaffee“ Kollektiv

Wir sind Quijote Kaffee, ein Kollektiv von bald 4 Personen. Wir importieren Rohkaffee von bäuerlichen Vereinigungen, die sich in besonderer Weise in sozialen und ökologischen  Bewegungen engagieren sowie exzellenten Kaffee anbauen. Wir verbreiten diesen Rohkaffee (inklusive der dahinter stehenden Geschichten der jeweiligen Bewegungen) einerseits über mittlerweile 40 Kleinröstereien in Europa und rösten ihn andererseits selbst in hoher Qualität. Dabei arbeiten wir in einem System, welches wir als „Open Source in der Lebensmittelbranche“ verstehen. Alles ist transparent und wird ständig kooperativ weiterentwickelt: Kalkulationen, Verträge, Rezepte, Produktionsparameter. Jeder könnte sie „nachbauen“. Der Vorteil des Kollektivs ist, die Dinge auf die es ankommt (Produktqualität, ehrliche Partnerschaften, Glaubwürdigkeit, Transparenz) konsequenter umzusetzen, als dies in einem kapitalistischen Betrieb möglich wäre. Für uns ist es undenkbar Chef von jemandem zu sein. Die kreativen Entfaltungsmöglichkeiten sorgen auch für höhere Qualität.

Die Anbindung an die Gewerkschaft ist sehr wichtig, um unser Agieren in der de facto bestehenden marktwirtschaftlichen Konkurrenzsituation so konsequent solidarisch zu gestalten wie möglich. Ohne die daraus resultierende Erdung und Hilfe bei der Reflektion würde bei einem so erfolgreichen Kollektiv wie wir es sind sonst auch die Gefahr bestehen sehr schnell den sozialen Boden unter unseren Füßen zu verlieren. So sind wir aber ständig auch mit sozialen Kämpfen und Bewegungen in Kontakt, die sonst nicht mit Kaffee zu tun haben.

Wirtschaftlich geht es unserem Kollektiv schon im zweiten Jahr sehr gut, Gewinne werden investiert oder gespendet. Privatisierung ist nicht möglich.

 

Münster | Das „Fairdruckt“ Kollektiv

Die Druckereigenossenschaft Fairdruckt entstand im Jahr 2008 in Münster. Es lag quasi auf der Hand: Druckerei war vorhanden, aber niemand hatte Zeit dafür. Wir suchten Alternativen zu ALG2 und prekären Jobs, und ein Freund machte sich als Berater für Genossenschaften selbständig. Da niemand sein Handwerk wirklich gelernt hatte, kam die Methode „trial and error“ zum Einsatz, und es dauerte länger als gedacht, bis die erste sozialversicherungspflichtige Stelle entstand. Neben dem „Prinzip“ sprach ganz materiell eben dies für die Gründung einer Genossenschaft: Wir sind unsere eigenen Angestellten und keine „Selbständigen“, deren Krankenversicherung eben ein individuelles Problem ist. Kollektive Selbstbestimmung ist aber mindestens genauso wichtig und entschädigt für den vorerst kargen Lohn. Ebenso möchten wir möglichst ökologisch verträglich produzieren.

Ohne leugnen zu können, dass wir denselben kapitalistischen Mechanismen wie „normale Betriebe“ unterworfen sind, wollen wir doch ein Stück solidarische Ökonomie jenseits dessen vorleben. Das soll neben der weitestgehend egalitären Struktur der Genossenschaft durch Vernetzung mit ähnlichen Betrieben geschehen, aber auch als Botschaft unserer Produkte, zum Beispiel der Kollektion „catarrhini“ und der Shirts der Kooperative „Maquiladora Mujeres de Nueva Vida Internacional“. Hiermit stehen wir uns ganz in der anarchosyndikalistischen Tradition, mit ihrem ureigenen Gedanken einer Gewerkschaft, die in ihren Strukturen und – notwendig an das Hier und Jetzt angepassten – Handlungsweisen schon das Ideal einer erstrebenswerten zukünftigen Gesellschaft in sich trägt.

 

Lich | Der Verlag „Edition AV“

1988 wurde das Projekt „Edition AV“ als Verlag für Bücher aus der libertären und emanzipatorischen Szene, als Basis für unsere bibliophilen Buchausgaben und aus Liebe zur guten Literatur gegründet. Bücher machen – weil es Spaß macht, Bücher zu machen. Das war damals unser Ziel und ist es auch heute noch. Ein wirtschaftliches wie auch kollektives Überleben hat uns keiner zugetraut. Doch der Verlag hat überlebt und mit 16 bis 20 Büchern im Jahr und über 140 Novitäten ein relativ festes Standbein bekommen. Mit unserem Verlag wollten wir dem Leben ohne „Chef und Staat“ näher kommen, in dem sowohl die MitarbeiterInnen als auch die AutorInnen gemeinsam arbeiten, publizieren und mitbestimmen können.

Der Verlag wird – aus ökonomischen Zwängen heraus – ehrenamtlich betrieben. Neben dem Verleger wird der Verlag von vier weiteren Personen „geleitet“, die einmal im Jahr von AutorInnen bestimmt werden. Desweiteren hat sich ein Kreis ehrenamtlicher MitarbeiterInnen um den Verlag gebildet. Alles soll möglichst kollektiv und im Konsens entschieden werden.

Seit Anbeginn haben wir für unsere Arbeit auch wichtige Grundsätze: Wir arbeiten ohne Bankkredite, Bücher werden aus Überzeugung gemacht, AutorIn und Verlag entscheiden immer in Konsens und wir begreifen uns als politisches Projekt, was auch die Produktionsbedingungen des Buches mit einschließt. Die derzeitige ökonomische Situation? Wir machen weiter!

 

Hannover | Das Vertriebskollektiv „Bekleidungssyndikat“

Das Bekleidungssyndikat ist ein Onlineshop für faire Klamotten. Alle Produkte in unserem Sortiment stammen aus korrekter Produktion, dass hießt aus Betrieben in denen nachvollziehbar mindestens die Standards der ILO eingehalten werden. Darüber hinaus ist das Sortiment fast ausschließlich aus biologisch produzierten oder recycelten Rohstoffen. Außerdem sind alle Artikel vegan, also ohne Leder, Wolle oder Seide.

Das Projekt ist aus der Arbeit der FAU Hannover zur Bekleidungsindustrie entstanden. Zunächst wurde ehrenamtlich nebenher ein Handel mit Shirts aus der Frauenkooperative „Nueva Vida FairTradeZone“ in Nicaragua angestoßen. Damit sollte auch der Schritt unternommen werden, nicht nur ungerechte Arbeitsbedingungen anzuprangern und Arbeitskämpfe zu unterstützen, sondern konkrete Projekte zu fördern und Alternativen anzubieten. Weil das auf die Dauer nicht mehr ehrenamtlich gestemmt werden konnte, wurde daraus das Bekleidungssyndikat mit seinem Komplettangebot.

Das Bekleidungssyndikat wird dabei durch einen UnterstützerInnenkreis von 10-15 Personen getragen. Trotz seines im Sommer dreijährigem Bestehens ist das Bekleidungssyndikat immer noch im Aufbau. Bisher kann erst eine Person leidlich von dem Geschäft leben. Es sieht zwar immer besser aus, aber bis aus den UnterstützerInnen ein „echtes“ Kollektiv wird, ist noch ein weiter Weg.

 

Die Kollektive im Netz:

www.quijote-kaffee.de

www.bekleidungssyndikat.de

www.fairdruckt.de

www.edition-av.de

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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