Die Definition von „Selbstorganisation“ ist weltweit Gegenstand politischer Auseinandersetzungen innerhalb der kapitalismuskritischen Linken – so auch auf dem Kongress „Die kapitalistische Moderne herausfordern – Alternative Konzepte und der kurdische Aufbruch“, der Anfang Februar in Hamburg stattfand.
Für so einige mag es eine falsche Wahl gewesen sein, dass ausgerechnet der für seine oftmals zu polemischen und einseitigen Äußerungen im Nahostkonflikt bekannte – zumal in seiner Funktion als außenpolitischer Sprecher der Partei „Die Linke“ bis 2009 – emeritierte Professor Norman Paech die Eröffnungsrede hielt. Doch ohne die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung hätte der Kongress wohl nie stattfinden können, und so war der Auftritt möglicherweise auch ein Zugeständnis an die Geldgeber gewesen. Die Rede Paechs kam dann auch ohne größere Abschweifungen zum Wesen des Imperialismus als dominierendem Erklärungsansatz für die vielfältigen Probleme, die im Rahmen des Kongresses angesprochen werden sollten, aus, was durchaus zu befürchten gewesen wäre. Stattdessen thematisierte Paech in erster Linie den Zusammenhang vom Ausbau der staatlichen Repressionsorgane in Deutschland, der EU und der Türkei und der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise und kennzeichnete diesen Zusammenhang als die Angst der Herrschenden vor den unkontrollierbaren politischen Folgen der sich verschärfenden sozialen Verhältnisse weltweit.
Das in der letzten Ausgabe der DA besprochene Buch Jenseits von Staat, Macht und Gewalt von Abdullah Öcalan und das in ihm sowohl geschichtsphilosophisch wie auch gesellschaftstheoretisch formulierte Konzept des „Demokratischen Konföderalismus“ waren von den Veranstaltenden ins Zentrum des Kongresskonzeptes gestellt worden. Zum einen sollte der aktuellen Lage der kurdischen Bewegung wieder größere öffentliche Aufmerksamkeit zuteil werden, zum anderen ging es um so etwas wie einen konstruktiven Internationalismus: Die staatskritische Philosophie und basisdemokratische Praxis des „Demokratischen Konföderalismus“ wurde auf Anknüpfungspunkte verschiedener linker Theorien und Bewegungen überprüft. In der verlesenen Verteidigungsschrift Öcalans von 2011 gegenüber der türkischen Justiz setzte sich dieser mit der Opposition von Individualität, und auf ihr aufbauend auch Kollektivität, gegenüber dem Staat auseinander: der Staat entmündige das Individuum. Nur wenn dies erkannt werde, sei tatsächliche Demokratie möglich, als Mittel zu einem aufgeklärten, selbstbestimmten Prozess der Vergesellschaftung in selbstorganisierten Strukturen. Dieser Bezug auf das Individuum ist eine qualitative Erweiterung der Gedanken aus Jenseits von Staat, Macht und Gewalt und zielt im Wesentlichen auf die bereits dort artikulierte Kritik am Marxismus-Leninismus ab. Öcalan bekräftigt nochmals, dass die Zentralisierung der Macht in einem Staatsapparat vor allem die Macht der Gemeinschaften zwecks Hegemonie der kapitalistischen Wirtschaftsweise gebrochen hatte, und jede Form von Sozialismus sich folglich nur jenseits des Staates entfalten könne.
Für Öcalan stellt sich also die Frage der Selbstorganisation als Gesellschaftsform. Janet Biehl, Bookchin-Biographin und langjährige Wegbegleiterin des libertären US-Theoretikers, arbeitete die Bezugnahmen Öcalans auf Bookchin heraus. Dabei stach vor allem der Aspekt des Kommunalismus hervor, die Reduktion der gesellschaftlichen Komplexität auf überschaubare Räume, in denen sich die Produktionsmittel gemeinschaftlich angeeignet werden.
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