Eine virtuelle Arbeitswelt verlangt neue gewerkschaftliche Konzepte
Ein virtuell organisierter und direktdemokratischer Staat aus Idealistinnen und Webrevolutionären macht Druck auf die realen Staaten, deren Akzeptanz immer mehr verloren ging. Im Film „8th Wonderland“ schlägt man mit der Virtualität zurück und bringt einige Grundfesten ins Wanken. Derweil haben die strukturellen Veränderungen im Kapitalismus längst ganz real den Cyberspace als Ressourcenspender für Arbeitskraft und Arbeitsprozesse entdeckt. Nicht nur das soziale Leben, auch erhebliche Teile der Arbeitswelt virtualisieren sich – oder entstehen dort sogar erst. Simultan schreitet Prekarität und Konkurrenzdruck voran.
Dabei sind hier die Lösungen für gewerkschaftliches Handeln gar nicht so undenkbar. Das Verbinden von virtueller Organisierung mit den vielen Varianten des Cyberaktivismus eröffnen sogar völlig neue Horizonte. Prominente Beispiele wie Anonymous, die mehrfach durch kollektive DDoS Attacken Seiten oder Server von Institutionen lahmlegten, geben eine Idee, wie ein virtuell „bestreikter“ Betrieb aussehen kann. An sich eher negative Eigenarten des Webs wie „Trolling“ oder „Shitstorms“ können gerade in kollektiver Ausführung ziemlich ungemütlich werden. Aber auch klassische Methoden wie Kommunikationsblockaden oder das gewerkschaftliche Whistleblowing (siehe DA 201: Wem gehört das Whistleblowing?) sind heute schon im herkömmlichen Repertoire syndikalistischer Methoden und besitzen Wirkungseffekt. Auch das schlichte Bewerten des Arbeitgebers auf Seiten wie „Kununu.com“ ist für Arbeitgeber eine Plage. Die Möglichkeiten sind massenhaft aber dennoch mit Sorgfalt zu prüfen. Das offenbart sich nicht zuletzt durch die zunehmende Thematisierung des Mobbings an Personalverantwortlichen und die Spezialisierung arbeitgebernaher Anwälte in diesem fokussierten Bereich. Hier wappnet man sich allmählich presse- und medienrechtlich, gibt Schulungen und Kurse und beklagt welch immensen Schaden ArbeiterInnen damit anrichten können.
Es offenbart sich mehr denn je die Abhängigkeit vom Image. Gerade durch den Gebrauch von „social media“ ist die Verbindung zwischen Konsument und Produkt viel direkter. Dabei liegt der Nutzen, den Unternehmen aus dem gezielten Gebrauch ziehen, nur einen Klick vom Schaden entfernt, der durch gewerkschaftliche Aufklärung oder Gegenkampagnen erreicht werden kann, wenn diese die entsprechenden Medien ebenso nutzen. Auch Konsumverhalten lässt sich im Sinne eines Boykotts auf virtueller Ebene schneller organisieren. Unternehmen mit schlechten Konditionen können über Plattformen geoutet werden und über gewerkschaftliche schwarze Listen und dem organisiertem Vorenthalten der eigenen Arbeitskraft unter Druck gesetzt werden.
Worum man jedoch keinen Bogen machen kann – und das zeigt auch der Film 8th Wonderland – ist eine kollektive Organisierung. Hier müssen Gewerkschaften Flexibilität und Wille zeigen. Vernetzung, ob virtuell oder über habhafte Gewerkschaftsstrukturen und das Bilden von dezentralen „Union Clouds“ ist unablässig.
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