Lohnabhängigkeit hört hinter Gefängnismauern nicht auf. Die gewerkschaftlichen Rechte schon
Wer das Thema Knast und Arbeit hört, denkt vielleicht zunächst einmal an Gefangene mit gestreifter Kleidung, die in einem Steinbruch Granit schlagen. Zusammengebunden an Ketten, in Trupps zu je zehn Leuten. Diese martialischen Bilder aus US-Filmen entstammen einem Modell, in dem Menschen in einer Art gefängnis-industriellen Komplex leben. Bereits vor vier Jahren berichtete die DA über Gefängnisarbeit und die dortigen Bedingungen (siehe DA 187). Niedrige Löhne von unter zwei Euro pro Stunde und Schikanen gegen Gefangene, die sich weigern Arbeit zu Hungerlöhnen zu verrichten, sind allerorts gängig. In Deutschland ist der Komplex der Gefängnisarbeit zwar noch nicht so extrem ausgebildet wie in den USA, aber vieles deutet auf eine immer stärkere Verschmelzung zwischen den Knästen einerseits und privaten Unternehmen andererseits hin. Hinter den Mauern hört der Zwang zur Lohnarbeit nicht auf – er nähert sich feudaler Qualität. Gefängnisstrafen und Untersuchungshaft bedeuten zwar eine soziale und berufliche Isolation vom „normalen“ kapitalistischen Alltag, nicht aber von kapitalistischen Prozessen.
Speziell in Berlin hat sich ein Modell etabliert, welches Gefangene in zwei Modi unterteilt. Dies hat konkrete Auswirkungen auf ihre Einbindung auf dem Arbeitsmarkt. Unterteilt wird in die so genannten SelbststellerInnen und den Gefangenen, die im geschlossenen Vollzug einsitzen.
Im Fall von SelbstellerInnen gilt, dass sie nach der Gerichtsverhandlung bis zum Haftantritt zu entlassen sind, sofern keine dringenden Gründe wie Fluchtgefahr vorliegen. Das gibt Verurteilten die Möglichkeit vor einem Haftantritt einen Arbeitsplatz, Fortbildungsmöglichkeiten oder auch ein Praktikum zu suchen. Bei SelbststellerInnen in Berlin ist der Regelvollzug im Allgemeinen der offene Vollzug. So soll es Menschen während der Haftzeit ermöglicht werden ihrem Beruf weiterhin auszuüben. Der Lohn wird fortan von der Justiz einkassiert. Rund 180 Euro müssen Gefangene zum Beispiel in Berlin für ihre „Unterbringung“ aufwenden. 200 Euro „Taschengeld“ stehen ihnen zur freien Verfügung. Der Rest des Lohns wird für die eventuelle Tilgung von Schulden, Schadensersatzansprüchen Dritter oder für die Zeit nach der Haft einbehalten. In der Regel wird ein Arbeitsplatz mit mindestens ca. 780 Euro Lohn benötigt, damit die JVA einen Ausgang rechtfertigt.
Komplett anders sieht es hingegen für Häftlinge aus, die in den geschlossenen Einrichtungen absitzen müssen. Sie haben keine Möglichkeit sich einen Arbeitsplatz auf dem sog. freien Markt zu suchen. Das Stellenangebot innerhalb der Vollzugsanstalten ist begrenzt und es gilt gemäß §41 des Strafvollzugsgesetzes Arbeitspflicht. Nicht wenige sprechen hier von Arbeitszwang. Ein Häftling, der sich der Arbeit verweigert, wird sanktioniert und läuft fast immer Gefahr, sämtliche „Vergünstigungen“ zu verlieren. Bei der Verweigerung der Anstaltsarbeit kann die ohnehin bestehende Monotonie des Alltags hinter Gittern in vielerlei Form künstlich verschärft werden.
Privatwirtschaft und Justizbehörden arbeiten heute immer enger zusammen. Neue Gefängnisbauten wie beispielsweise in Großbeeren bei Berlin sind von vornherein für die Produktion von Fremdfirmen ausgelegt. Die Struktur der Gefängnisse ist so angelegt, dass die Inhaftierten möglichst kurze Wege zu den Produktionsstätten zurücklegen müssen. Die Produktionsstätten sind flexibel auf die jeweiligen Auftraggeber angelegt und lassen sich gegebenenfalls schnell anpassen. Diese Fabriken hinter Mauern bieten Firmen eine eigenständige Form von „Outsourcing“. So kaufen sich Unternehmen wie Swarovski oder die gefeierte Marke „Haeftling“ gerne die billige Arbeitskraft von Gefangenen ein. Hier liegt ein komplett geschlossener wirtschaftlicher Mikrokosmos vor mit klaren Vorteilen: fest vereinbarte Entlohnung der Arbeit, keine gewerkschaftliche Organisierung der ArbeiterInnen. Die öffentlichen Haushalte, für die der Vollzug kostspielig ist, spülen sich über die Vergabe von Produktionslizenzen Geld in die Kasse.
Wenn man an Justizanstalten und Gewerkschaften denkt, dann stößt man vermutlich auf die „Deutsche Justiz-Gewerkschaft“ oder auch auf die Gewerkschaft der Polizei. Gefangene gewerkschaftlich zu organisieren ist auch fernab der Tatsache, dass dies ihnen schlicht untersagt ist und ihnen Arbeitnehmerrechte abgesprochen werden, ein gewagtes Gedankenspiel. Der Gefangene ist in seiner Position als Straftäter marginalisiert und auch wenn er in einem wirtschaftlich verdichteten Bereich eingebunden ist, ein rotes Tuch für Gewerkschaften. Im Zuge der sogar höchstrichterlich festgestellten Verfassungskonformität der „Arbeitspflicht“ scheint der Handlungsspielraum begrenzt. Skurrile Organisationen wie die „Deutsche Gefangenengewerkschaft“ machten vor Jahrzehnten – 1969 – Schlagzeilen mit merkwürdigen Geschäften und tausenden Autos, die man absetzen wollte. Ernsthafte Versuche in diese gewerkschaftliche Sperrzone vorzudringen gab es bisher nicht. Dabei muss die entscheidende Arbeit von außen geleistet werden. Die zivilgesellschaftliche Debatte muss ebenso auf die ökonomische Dimension des Vollzugs und die Profiteure gerichtet werden. Ebenso wird es auf die Belegschaften von Unternehmen, die Gefängnisarbeitskraft einkaufen, ankommen, den Forderungen ihrer „KollegInnen“ in den Justizanstalten Nachdruck zu verleihen.
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