Sprache verändert sich, auch die unsrige. Das sei ganz natürlich, wird immer wieder erklärt, man brauche sich nicht davor zu fürchten. Wirklich nicht? Die zunehmende muttersprachliche Inkompetenz, die im hiesigen Journalismus wie ein fiebriges Virus um sich greift, lässt mich jedenfalls daran zweifeln, dass die Fähigkeit, sich anderen verständlich mitzuteilen und andere zu verstehen, aufrechterhalten wird.
Mit dem salopp-schlampigen Tonfall, wie er auch bei den Öffentlich-Rechtlichen Einzug gehalten hat, habe ich mich schon lange abgefunden, wenn es z.B. in der Tagesschau heißt, die „Schalte“ nach Paris stehe „noch nicht wirklich“. Schwerer tue ich mich schon bei der neuesten Mode, Jahreszahlen mit der Präposition „in“ zu verknüpfen. Selbst in der Tageszeitung Die Welt musste ich lesen, dass wir „in 2012“ mit einem geringeren Wirtschaftswachstum zu rechnen hätten. In 2012? Ein Jahr ist doch kein Ort. Es würde doch auch niemand sagen, „ich bin gerade in 1964. Soll ich dir was mitbringen?“
Auch mit der Semantik nimmt man es nicht mehr sehr genau. „Bei dem Versuch“, las ich im Videotext der ARD, „eine Tankstelle zu überfallen, verhaftete die Polizei zwei Männer.“ Sicher ein niedliches Bild, wie Polizisten, während sie eine Tankstelle ausrauben, zwei zufällig anwesenden Herren Handschellen anlegen. Was es wiederum mit folgender Meldung auf sich hat, die ich im Radio aufschnappte, vermag ich unmöglich zu erraten: „dabei wurden fünf Personen leicht verletzt, zwei von ihnen schwer“. Wie können einige der leicht Verletzten zugleich schwer verletzt sein? Ein Kratzer am Knie, aber die Kopfwunde sieht doch recht bös‘ aus? Wir werden es nie erfahren. Das wirklich Gruselige an dieser Meldung ist, dass sie wieder und wieder vorgelesen wurde, den ganzen Tag, ohne Abänderung, von drei verschiedenen Sprechern. Niemandem im ganzen Sender, weder in der Redaktion noch in der Aufnahmeleitung, fiel etwas auf.
Insbesondere die Nachrichten des Berliner Rundfunksenders Radio Eins stellen für mich einen nicht versiegen wollenden Quell der Verstörung dar. Sei es jener neurotische Sprecher, der immer wieder bestimmte Passagen wiederholt, in der irrigen Annahme, sich versprochen zu haben: „Der rot-rote Senat – Verzeihung! – der rot-rote Senat, muss es natürlich heißen…“. Sei es seine Kollegin, die von einem chronischen Reizhusten geplagt wird, durch den sie sich ein ums andre Mal hindurch quält, bis man regelrecht hört, wie ihr die Tränen in den Augen stehen. Oder seien es wirre, sinnfreie Texte, die mit Hartnäckigkeit wieder und wieder vorgelesen werden, so als spräche man dort eine eigene Sprache, „Radio-Einsisch“ gewissermaßen.
Dass meine schlimmste Befürchtungen Realität geworden sind, ahnte ich spätestens, als auf eben jenem Sender den geneigten ZuhörerInnen erklärt wurde, beim Dalai Lama handle es sich um das „Staatsoberhaupt Tibets“, welches „von China als abtrünnige Provinz“ betrachtet werde. Und das in den Morgennachrichten, in den Mittagsnachrichten und um Mitternacht immer noch. Einfach niemand vermochte zu begreifen, dass der Dalai Lama erstens seit 1959 in Indien lebt, Tibet zweitens 1950 von China annektiert worden war, drittens der Dalai Lama seit dem Mai 2011 nicht mehr der Exilregierung vorsteht und viertens China nicht Tibet, sondern vielmehr Taiwan als abtrünnige Provinz bezeichnet. Mehr Fehler passen kaum in eine Aussage.
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