Erstmals seit Krisenbeginn gelang den italienischen Basisgewerkschaften ein einheitlicher Generalstreik
Der 22. Juni war sicherlich kein Freitag wie jeder andere: nach dem Wahlkrimi am vorhergegangenen Sonntag wartete der alte Kontinent gebannt auf den Abend und das Spektakel, ob es den Griechen bei der EURO gelingen würde, den Deutschen das heimzuzahlen, was sie bei der Frage nach dem EURO hatten schlucken müssen. So sehr man sich allenthalben bemühte, Sport und Politik doch bitte getrennt zu betrachten, blieb die Woche eine hoch politische. Europapolitisch gekrönt wurde sie mit dem in Rom organisierten europäischen Mini-Gipfel zwischen Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland. Kaum wahrgenommen wurde über all diesem Medienrummel allerdings der für den selben Tag ausgerufene 24-stündige Generalstreik der italienischen Basisgewerkschaften.
Das mangelnde Medienecho des Generalstreiks mag zunächst nicht einmal groß verwundern. Zu sehr war die italienische Gewerkschaftsbewegung doch – auch angesichts der Krise – geprägt von tiefen Spaltungen. Und diese Spaltungen verliefen eben nicht nur zwischen den staatstragenden Gewerkschaften CGIL, CISL, UIL und den Basisgewerkschaften, sondern vor allem auch unter den Basisgewerkschaften. Diese gruppierten sich vornehmlich um die beiden Schwergewichte Confederazione Unitaria di Base (CUB) einerseits und Unione Sindacle di Base (USB) andererseits. Kleinere Gewerkschaften wie die syndikalistische Unione Sindacale Italiana (USI-AIT) blieben dabei oft zwischen den Stühlen oder sahen sich gedrängt bei größeren Streiks entweder den einen, oder den anderen zu folgen. Das Ergebnis dieser Zersplitterung war denkbar desolat: ein unzusammenhängender Flickenteppich aus minoritären (General-)Streiks gegen die Krisenpolitik Mario Montis, die beinahe zu einem freitäglichen Ritual verkamen. Und dabei hatten die italienischen Werktätigen einiges zu schlucken. Nicht nur hatte bereits unter Silvio Berlusconi unter Federführung des FIAT-Konzerns eine Aufweichung der landesweiten Flächentarifverträge stattgefunden, eine Erhöhung des Renteneintrittsalters sowie die de facto-Aufhebung des Kündigungsschutzes sollten bald folgen. Gerade letzteres sollte in Italien für einigen Unmut gesorgt haben, da der italienische Premier Maro Monti die Sorgen der prekären Jugend kürzlich mit der lapidaren Bemerkung, eine Festanstellung sei eh langweilig, mit Füßen getreten hatte. Nicht zuletzt die rabiaten Methoden der italienischen Steuer- und Bußgeldeinzugsbehörde EQITALIA sorgten Anfang des Jahres für Furore, indem sie einerseits Rentner und einige Kleinunternehmer in den Selbstmord trieben, andererseits gar Anwälte dazu veranlassten aus Empörung ihr Mandat gegenüber der Behörde niederzulegen. Alles in allem kein Moment für kleinliche Streitereien, mag man mit Fug und Recht behaupten.
So nahm die USI-AIT ihren Kongress zum 100jährigen Bestehen zu Anfang des Jahres denn auch zum Anlass, nach Kräften einen geeinteren Gang innerhalb der Basisgewerkschaften anzustoßen. Am 22. Juni trug der Weg der Einheit – sicherlich nicht allein durch das Bestreben der USI – denn auch erste Erfolge. An diesem Tag erklärten tatsächlich alle Basisgewerkschaften – wenngleich mit unterschiedlichen Forderungen – den 24stündigen Generalstreik mit zwei zentralen Demonstrationen in Mailand und in Rom. Auf beiden Demonstrationen gelang es, auch breitere soziale Bewegungen in die Proteste miteinzubeziehen. Laut der linken Tageszeitung il manifesto gelang es in Rom gar, dank einer Streikbeteiligung von 70% bei den Verkehrsbetrieben, große Teile der öffentlichen Verkehrsmittel lahm zu legen. Auf dem Weg zu einer geeinten Gegenwehr gegen die Auswirkungen der Krise in Italien war dies sicherlich nur ein erster, aber bedeutender Schritt. Die Richtung ist vorgegeben, bleibt zu hoffen, dass die italienischen Basisgewerkschaften ihr Ziel nicht wieder aus den Augen verlieren.
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