Um sich für den beginnenden Wahlkampf zur Familien- und Sozialpolitik zu positionieren, nutzen so gut wie alle Parteien die Diskussion um das sog. Betreuungsgeld. Gut beobachten lässt sich hieran, wie öffentliches Kapital für parteipolitische Ziele herhalten muss. Schon seit 2006 wird das Thema diskutiert. Viele verschiedene Modelle standen zur Debatte. Dabei waren sich alle Parteien einig, dass der elterlichen Erziehung die gesellschaftliche Wertschätzung fehlt und dass es in Deutschland unattraktiv sei, Kinder zu bekommen. Im Zuge des Ausbaus kapitalistischer Erziehungsanstalten beklagten v.a. christlich-konservative Vertreter, dass Eltern, die ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr zu Hause betreuen – was vornehmlich wohl situierte Familien betrifft –, die Wahlmöglichkeiten fehlten.
Nun versucht die CSU ein Wahlversprechen durchzuprügeln, um ihre provinzielle Lobby zu befriedigen. Die Kosten für diese Unternehmung werden auf bis zu 1,2 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Es ist eine Illusion, dass die Einführung des Betreuungsgelds – auch „Herdprämie“ genannt – zum Januar 2013 großen gesellschaftlichen Nutzen hätte: 100 Euro bzw. später 150 Euro für jeden, der Alternativen zum öffentlichen Bildungsraum nutzt, helfen wohl nur den Familien, die ein christlich fundiertes Familienbild haben. An dieser Stelle wird deutlich, dass die CDU und ihre Vermehrungsministerin Kristina Schröder einen christlich-sozialen Familienentwurf zu etablieren versuchen.
Klar erkennbar ist auch die wahlkampfstrategische Abgrenzung zur SPD und den etablierten Gewerkschaften. Diese versuchen ihrerseits, die Steigerung der Produktivität des deutschen Volkes weiter voranzutreiben. Dies geschieht unter dem Deckmantel einer sozialen und weniger frauenverachtenden Familienpolitik, die zu einer maximalen Gewinnabschöpfung beitragen soll.
Zuletzt griff die Presse das Thema auf, um ausländerfeindliche und sozial-repressive Hetze zu betreiben. Die Welt beruft sich z.B. in einem Artikel auf eine Studie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Darin wird diese These aufgestellt, dass insbesondere migrantische und sog. „bildungsferne“ Familien und deren Kinder Nachteile durch das Betreuungsgeld erfahren würden. Die Welt leitet daraus nun den Vorwurf ab, dass „Ausländern“ der Wille fehle, sich gesellschaftlich zu integrieren, und dass Hartz-IV-EmpfängerInnen von vornherein nicht mit Geld umgehen könnten. Deshalb sei es besonders wichtig, dass MigrantInnen, Hartz-IV-Empfänger und deren Kinder nicht direkt vom Betreuungsgeld profitierten. Stattdessen solle das Betreuungsgeld etwa auf die Sozialleistungen angerechnet werden. Zur Diskussion steht dabei, ob das Budget für den Bildungsgutschein, den die Betroffenen für ihre Kinder erhalten, erhöht wird.
Letztendlich muss viel Geld für einen solchen „Erziehungsbonus“ aufgewendet werden. Doch nicht etwa, um soziale Ungleichheiten zu beseitigen, nicht um die Lebensqualität oder Bildungsmöglichkeiten finanzschwacher Mitmenschen zu erhöhen, nicht um ein sexistisches Erziehungsbild aufzulösen oder zumindest die Arbeitsbedingungen für das Fachpersonal in Kindergärten zu korrigieren oder gar den Krippenausbau zu finanzieren. Vielmehr geht es um das Ausleben einer parteipolitischen Profilierungslust. Konkret bedeutet dies, dass die CSU, über jede Sinnhaftigkeit erhaben, ihre gesellschaftspolitischen Ziele durchzusetzen versucht.