Der Journalistinnenbund besteht seit 1987 und wird durch (frauenpolitisch) engagierte Journalistinnen getragen, die sich vor Ort in verschiedenen Regionalgruppen organisieren. Aktuell unterstützt der Journalistinnenbund die Initiative ProQuote sowie arabische Journalistinnen. Die zentralen Werte des Journalistinnenbundes fasste die Vorsitzende Andrea Ernst als Dreischritt aus Qualität im Journalismus, Menschenrechte und Gender zusammen.
Die DA sprach mit Wibke Gerking, stellvertretende Vorsitzende des Journalistinnenbundes sowie Redakteurin und Moderatorin bei der Kulturwelle SWR2 in Baden-Baden über Macht und Quote, dje Bedingungen für Frauen in der Medienarbeitswelt und Journalistinnen im arabischen Frühling.
Frau Gerking, wie sind die Verhältnisse für Frauen in der Medienarbeitswelt ganz allgemein und was hat sich verändert?
Es ist schwer so etwas pauschal zu sagen. In den letzten 20, 30 Jahren hat sich im Allgemeinen sicher schon sehr viel verändert, was unter anderem daran liegt, dass viele junge Frauen in die Medienberufe hineingehen. Gerade in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber auch bei den Zeitungen gibt es viel mehr Volontärinnen, da sich viele junge Frauen dort bewerben und auch viel öfter genommen werden, weil sie meist einfach auch besser ausgebildet sind als Männer.
Das führt natürlich auch zu einer gewissen Diskrepanz: In der Generation 50+ dominieren noch oftmals die Männer. Dagegen sind wir in der jüngeren Generation mindestens zu gleichen Anteilen Frauen und Männer, wenn nicht sogar mehr Frauen. Das führt schon mal zu Diskussionen, dass an manchen Stellen schon nach einer Männerquote gefragt wird. Je höher sie jedoch in die Chefetagen schauen, desto mehr dominieren dann wieder die Männer. Das mag teilweise an den Jahrgängen liegen – man kann also hoffen, dass sich das mit der Zeit ändert – aber ich denke, es liegt nicht nur am Alter.
Auch in der Medienarbeitswelt herrschen teils prekäre Bedingungen. Innerhalb des großen Sektors prekärer Beschäftigungsverhältnisse dominieren Frauen. Wie sieht es da in der Medienlandschaft aus?
Also allgemein kann man sicherlich sagen, dass es da nicht anders aussieht als in anderen Berufen, vielleicht sogar schlimmer. Leider gibt es dazu keine wirklich verlässlichen Zahlen. Oft stellt sich gerade bei den Frauen die Frage „was ist prekär?“. Wir haben ganz viele Frauen, die nebenberuflich journalistisch arbeiten, weil das in diesem Beruf möglich ist. Böse Zungen sprechen hier auch schon mal vom „Hausfrauenjournalismus“. Dann haben wir das Bild, dass der Mann gut verdient und die Frau neben Haushalt und Kindern gelegentlich journalistisch tätig ist. Diese Konstruktion haben wir bei Frauen ganz überdurchschnittlich, da stellt sich die Frage, ob das „prekär“ oder „selbst gewählt prekär“ ist. Was daran für den weiblichen Journalismus insgesamt etwas problematisch werden kann, ist der Begriff „Hausfrauenjournalismus“.
Er klingt sehr abwertend.
Ja, Journalismus von Frauen wird dadurch als etwas Dilettantisches abqualifiziert. Gerade bei der vorherrschenden Arbeitsethik, wo es darauf ankommt viel zu leisten und Teilzeitarbeit nicht so gut angesehen ist wie Vollzeitarbeit. Das ist ein Phänomen, was dann auch ganz typisch Frauen betrifft. Das setzt sich dann auch häufig in der Bezahlung durch. Auch da gibt es natürlich zwei Seiten: Wo Männer oftmals eher den Verdienst ihrer Arbeit im Blick haben, sehen viele Frauen häufig noch einen idealistischen Wert in ihrer Arbeit.
Ist der Leistungsdruck und Profilierungsdruck für Frauen denn höher?
Ich würde schon denken, dass es diese Muster immer noch gibt. Es kommt hier wohl mehr darauf an, in welchen Bereichen sie danach schauen. Zumindest in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten würde ich sagen, dass schon eine weitgehende Gleichberechtigung vorliegt. Bei Zeitungen, die zumeist privatwirtschaftlich und mit Chefredakteur arbeiten – in ganz Deutschland gibt es nur zwei Chefredakteurinnen von Tageszeitungen – setzen sich Frauen deutlich weniger durch. Zwischen öffentlichem und privatwirtschaftlichem Bereich herrscht da schon ein starkes Gefälle.
Sie unterstützen die Initiative ProQuote, die 30 Prozent Frauenanteil in den Chefetagen der Redaktionen fordert. Erzählen sie uns doch etwas darüber.
ProQuote war eine spontane Initiative von Hamburger Journalistinnen, ohne Beteiligung des JB. Wir fordern – auch im Rahmen des Deutschen Frauenrats – schon seit langem nicht nur 30, sondern 50 Prozent Frauenanteil. Wir unterstützen jedoch die Initiative aus Prinzip, da wir denken, man muss so solidarisch wie möglich sein unter Frauen. Die Quote ist dabei der kleinste gemeinsame Nenner, und gemeinsam kommt man immer besser zum Ziel! Gerade im Printbereich läuft die Initiative schon lange erfolglos, die Forderungen wurden gerne ignoriert. Dass jetzt spürbar Bewegung in die Sache kommt, freut uns sehr, wirklich helfen kann nur eine gesetzliche Lösung.
Das Argument für eine Quote ist mittlerweile unter WirtschaftsexpertInnen, dass Unternehmen Frauen brauchen würden – ein wirtschaftliches Argument sticht die prinzipielle Forderung nach Gleichberechtigung aus. Gleichstellung unter dem Diktat der Wirtschaft – ist das nicht bitter?
Das ist natürlich nicht schön, auch wir hätten das gerne ein wenig idealistischer. Wir wollen die Quote ja nicht nur deshalb, weil wir denken, dass dadurch die Zeitungen wirtschaftlich besser funktionieren, sondern weil wir wollen, dass mehr Frauen in Entscheidungspositionen sind und sie damit auch mehr Themen mitbestimmen, die für Frauen auch wichtig sind und Frauen ebenso sichtbar machen – eben weil sie auch mit einen weiblichen Blick auf die Welt schauen. Letztlich wollen wir aber bei den Argumenten nicht kleinlich sein. Wenn es nun auch nur Befürwortung unter wirtschaftlichen Aspekten ist – die Hauptsache für uns ist, dass tatsächlich die Quote realisiert wird.
Ihre Jubiläumstagung fand unter dem Motto „Macht. Weiter. Denken“ statt. Die Gleichstellung wird in den Medien häufig über den Frauenanteil in den Chefetagen diskutiert und auch im Journalistinnenbund wird häufig der Begriff „Macht“ verwendet – wieso gerade das, was verstehen sie darunter?
Erst einmal würde ich sagen, es ist ein klares Wort: Macht. Es geht eben nicht nur darum, dass man nett zu uns ist, sondern um weit mehr: Was kommt in der Zeitung, was wird gesendet – das sind keine weichen Fragen, das ist eine Machtfrage. Und Macht bedeutet schließlich nicht nur Alphamännchengebaren, sondern es bedeutet Themen zu setzen und zu gestalten und es bedeutet auch Verantwortung.
Als Verband von Journalistinnen ergreifen Sie auch eine Art Lobbyposition, insbesondere zu gender- und medienpolitischen Fragen. Welche Rolle spielen sozialpolitische oder gewerkschaftliche Themen?
Wir konzentrieren uns auf die Frauenthemen, das ist klar. Da haben wir natürlich einen etwas anderen Ausschnitt als die Gewerkschaften. Jedoch gibt es beispielsweise Zusammenarbeit mit dem Deutschen JournalistInnen-Verband (DJV), wo es einen Gleichstellungsausschuss gibt. Das hat gerade begonnen und wir streben auch an, dies mit ver.di zu tun. Aber natürlich gibt es da große Berührungspunkte. Gerade wenn sie innerhalb ihres Verbandes etwas für Gleichstellung tun, haben wir da ein gemeinsames Anliegen.
Es herrscht also generell ein aufgeschlossenes Verhältnis zu Gewerkschaften vor?
Natürlich. Gewerkschaften fangen ja jetzt beispielsweise auch an, sich für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu interessieren, was in unserem Bereich viele Frauen betrifft. Dadurch ergeben sich – wie gesagt – klare Berührungspunkte. Die ersten Ansprechpartner bei uns sind natürlich meist die Gleichstellungsausschüsse.
Freie MitarbeiterInnen – das ist ja ein allgemeines Phänomen im Medienbereich. Sie sagen, Frauen sind davon stärker betroffen?
Ich denke ja. Zum einen aufgrund der Lebensentwürfe, die wir bereits angesprochen haben, zum anderen natürlich auch, da in der Medienarbeitswelt lieber Männer fest angestellt werden, da sie schlicht keine Kinder bekommen können. Das ist zwar ein allgemeines Phänomen, welches in den meisten Berufen auftritt, jedoch sind im Medienbereich Frauen insoweit häufiger betroffen, da auch die allgemeine Zahl der Freien weitaus höher ist. Gerade in unserem Verband erlebt man das immer häufiger. Das ist auch ein Trend der letzten 25 Jahre. Damals, als sich unser Verband gegründet hat, waren viel mehr unserer Mitglieder festangestellt. Auch wir haben viele Kolleginnen, bei denen man klar von prekärer Beschäftigung reden muss.
Der Journalistinnenbund hat gerade das Projekt „Brave“ gestartet, in dem er Journalistinnen des arabischen Frühlings unterstützt. Wie sehen die Bedingungen für Journalistinnen in diesen Ländern aus?
Das ist ein Projekt, das wir gerade erst im Juni begonnen haben. Dazu haben wir vor allem junge Internetjournalistinnen eingeladen – aus Ägypten, Tunesien und Syrien. Wir haben aus erster Hand informieren wollen über die Frauen, ihre Arbeit und was sie machen. Die Bedingungen sind ganz extrem schlecht. Das fängt schon im persönlichen Umfeld der Frauen an. Für Frauen dort ist es deutlich schwerer öffentlich ihre Stimmen zu erheben oder auch nur zu recherchieren. Die Frauen haben schon im privaten Umfeld Schwierigkeiten öffentlich aufzutreten und zum Beispiel politische Forderungen zu stellen. Es fehlt auch an den Ressourcen – der technischen Ausstattung zum Beispiel – das Internet ist in dieser Beziehung eine große Chance und Befreiung – wenn die Journalistinnen dort noch auf Radio und Fernsehberichte angewiesen wären, sähe es weit schlechter aus. Uns ist außerdem wichtig, die arabischen Revolutionen erstmals im Kontext der Frauen zu sehen, gerade dass sie von negativen Entwicklungen wie Islamismus stark betroffen sind, zum Teil sogar stärker als vor der Revolution.
Und wieso „Brave“?
Im Wort „Brave“ steckt zum einen „Bra“ drin, der „blue Bra“ das Bild von der jungen Frau in Kairo, die öffentlich demonstriert hat und von Soldaten gewaltsam entkleidet wurde, bis ihr blauer BH zu sehen war. Übrigens weiß man bis heute nicht, was aus der Frau geworden ist, sie ist verschwunden. Aber dieses Bild ist zum Symbol geworden, zum einen für die Unterdrückung von Frauen und zum anderen für den Willen der Frauen sich trotzdem zu wehren. „Brave“ steht außerdem für mutig, da haben wir aus dem Bra ein blaues Brave gemacht.